Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ im LWL-Museum in der Kaiserpfalz

Höhepunkt der Ausstellung: Fragmente der weltbekannten Schriftrollen von Qumran

Paderborn. Sie gelten als „Jahrtausendfund“ der Archäologie: die Schriftrollen von Qum-ran. Acht knapp 2.000 Jahre alte Fragmente, ein Aufbewahrungsgefäß sowie ein virtuelles Modell der Siedlung im Westjordanland sind noch bis zum 15. November 2020 im Museum in der Kaiserpfalz des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Paderborn zu sehen. Die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer – Archäologie aus dem Heiligen Land“ zeigt die Kulturgeschichte dieser Region erstmals als Ganzes.

Blick in die Sonderausstellung. Zu sehen ist die Forschungsabteilung mit dem Qumran-Grabungsplan des Biblical Institute in Jerusalem. Foto: LWL/ K. Noltenhans

Blick in die Sonderausstellung. Zu sehen ist die Forschungsabteilung mit dem Qumran-Grabungsplan des Biblical Institute in Jerusalem. Foto: LWL/ K. Noltenhans

Fragmente von Phylakterien, ein Krug und ein virtuelles Modell von Qumran
Warum wurden die Schriftrollen von Qumran versteckt? Wer hat sie geschrieben und in die Höhlen gelegt? Diese Fragen beschäftigen die Wissenschaft bis heute. Steckt die streng-religiöse Gemeinschaft der Essener hinter dem Fund oder handelt es sich um eine typische Siedlung der Region um das Tote Meer?

Die Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ fasst den aktuellen Stand der Forschung zusammen und veranschaulicht anhand eines virtuellen Siedlungsmodells sowie durch Original-Grabungspläne und Werkzeug das Rätsel um eine der wichtigsten archäologischen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Ein Ausstellungshöhepunkt sind die acht Fragmente von Phylakterien aus Qumran, die vor 70 v. Chr. angefertigt wurden und heute in der Papyrussammlung der Universität Heidelberg verwahrt werden. Phylakterien sind kleine lederne Kapseln, die Texte aus den fünf Büchern Mose enthalten und von männlichen jüdischen Gläubigen noch heute mittels Gebetsriemen am Körper getragen werden. Die jüdische Gemeinde Paderborn stellt dem LWL-Museum einen solchen Gebetsriemen (genannt „Tefillin“) für die Ausstellung zur Verfügung.

Darüber hinaus können Besucherinnen ein Keramikgefäß aus dem British Museum in London bestaunen, das zwischen 4 v. Chr. und 68 n. Chr. zur Aufbewahrung der Schriftrollen diente, sowie das Original einer Rollenhülle aus Stoff, die in der Höhle der Briefe gefunden wurde. Sie stammt aus der Zeit Christi.

Zudem zeigt die Sonderausstellung in Kopie einen Ausschnitt aus dem Allerseelen-Deuteronomium, datiert auf das 1. Jahrhundert v. Chr. Diese hebräische Schrift enthält die äl-teste Fassung der Zehn Gebote. Ebenfalls ausgestellt in Kopie wird die sogenannte Gemeinderegel aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. aus dem Sylter Bibelmuseum.

Eine Entdeckung wie in einem Abenteuerroman
Die Geschichte von der Entdeckung der Schriftrollen nahe dem namensgebenden Ort Khirbet Qumran klingt wie aus einem Abenteuerroman: 1947 hüten Beduinen ihre Ziegen am Nordostufer des Toten Meeres, als eines der Tiere verlorengeht. Auf der Suche klettert ein Hirtenjunge zu einer der nahe gelegenen Höhlen, wirft einen Stein und trifft ein Keramikgefäß. Darin entdeckt er einige Bündel, teilweise in Leinen gewickelt. Sie enthalten gerollte, mit fremden Schriftzeichen versehene Lederstreifen. Die Beduinen übergeben ihren Fund einem Händler, der ihren materiellen und wissenschaftlichen Wert erkennt. Damit ist ein Wettlauf um die Entdeckung und den Erwerb weiterer Rollen entfacht, der bis heute anhält. Auch Fälschungen sind im Umlauf.

1951 begann der französiche Bibelwissenschaftler und Archäologe Roland de Vaux (1903-1971) mit wissenschaftlichen Untersuchungen der Höhlen von Qumran. Seine Forschungsergebnisse prägen bis heute die wissenschaftlichen Diskussionen. Zeichnungen und Ausrüstungsgegen-stände de Vauxs sind in der Ausstellung als Leihgabe zu sehen.

40.000 Fragmente – darunter die ältesten Bibelhandschriften überhaupt
Insgesamt haben Beduinen und Archäologen bislang in elf Höhlen zirka 40.000 Fragmente gefunden – zumeist aus Pergament, seltener aus Papyrus. Sie stammen aus der Zeit zwischen dem zweiten Jahrhundert v. Chr. und 70 n. Chr. und konnten ungefähr 500 verschiedenen Schreibern sowie circa 800 unterschiedlichen Schriftrollen zugeordnet werden. Diese sind meist auf Hebräisch, seltener auf Aramäisch und Griechisch verfasst. Der längste Text erstreckt sich in ausgerolltem Zustand über acht Meter. Unter den Schriftrollen von Qumran befinden sich die ältesten Bibelhandschriften überhaupt – viele älter als die bis dato bekannten. Die Texte behandeln aber nicht nur religiöse Inhalte, auch mystische und astrologische Themen sind enthalten.

Forschung nicht abgeschlossen
Die Schriftrollen von Qumran gelten als unschätzbares Zeugnis des antiken Judentums und Urchristentums. Sie tragen dazu bei, die Überlieferung der alttestamentarischen Bücher besser zu verstehen, und verraten einiges über die religiöse Vielfalt des Judentums in der antiken Welt. Ihre Erforschung und Prüfung ist längst nicht abgeschlossen. Moderne Bildgebungsverfahren ermöglichen immer neue Erkenntnisse über Material und Inhalt. Auch gehen Wissenschaftler davon aus, dass noch nicht alle Schriftrollen gefunden sind. Erst 2017 stießen Archäologen auf weitere Tongefäße, die leider schon geplündert waren.

Vielfältiges Begleitprogamm zur Sonderausstellung
Für alle Besucher, die mehr über die antike Welt rund um das Tote Meer erfahren möchten, hält das Team des LWL-Museums in der Kaiserpfalz während der Sonderausstellung ein umfassen-des Begleitprogramm mit Vorträgen, Führungen und Kreativseminaren bereit. Mehr Informationen unter: http://www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de

Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ im Überblick
Archäologische Fundstätten wie Jericho, Masada und Qumran sind weltberühmt. In der Sonderausstellung „Leben am Toten Meer“ zeigt das LWL-Museum in der Kaiserpfalz die Funde dieser Kulturlandschaft in Kooperation mit dem Staatlichen Museum für Archäologie Chemnitz erstmals als Ganzes. Bis zum 15. November sind in Paderborn bis zu 12.000 Jahre alte Funde eines einzigartigen Kulturraums zu sehen. Die umfassende Schau über Archäologie aus dem Heiligen Land ist mit über 300 Exponaten europaweit die erste, die sich mit mehr als nur einem Teilaspekt dieser scheinbar lebensfeindlichen Region befasst. Das Themenspektrum reicht von Natur und Umwelt über Wellness und Besiedelung bis hin zu Macht und Religion.

Weitere Informationen auch zum Begleitprogramm finden Sie unter:
http://www.lwl-kaiserpfalz-paderborn.de
https://de-de.facebook.com/museuminderkaiserpfalz/
https://www.instagram.com/lwl_kaiserpfalzmuseum/

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