Münster. Eine Studie über Kulturplanung in Westfalen-Lippe zeigt, dass Kulturplanung ein „wirkungsvolles und nachahmenswertes strategisches Instrument“ für Kommunen ist und auch dazu beiträgt, den Stellenwert der Kultur zu heben. Das ist das Ergebnis einer Evaluation der „Kulturagenda Westfalen“, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Montag (8.4.) in Münster vorgestellt hat.
Nirgendwo in Deutschland wird so viel strategische Kulturplanung betrieben wie in Westfalen-Lippe. In über zwei Dutzend Städten und Kreisen überall in der Region erarbeiten Kommunen zusammen mit den Bürgern Strategien und Maßnahmen, um Kunst und Kultur in ihrem Ort oder ihrer Region fit für die Zukunft zu machen. 17 dieser Planungsprozesse in ganz Westfalen-Lippe hatte Dr. Markus Morr, Kulturexperte aus Marburg, auf ihre Wirksamkeit hin untersucht. Das wichtigste Ergebnis:
Die meisten der 157 befragten Akteure, die auch an den Kulturplanungen beteiligt waren, würden anderen Städten, Kreisen und Gemeinden einen Kulturplanungsprozess empfehlen. Jeweils zwei Drittel jeder Gruppe hatte auf die Frage danach mit einem uneingeschränkten „Ja“ geantwortet, jeweils ein Drittel mit einem eingeschränkten „Weiß ich nicht“.“Kulturentwicklungsprozesse sind eine einzigartige Möglichkeit, die Kultur in Bewegung zu bringen“, erklärte Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger, LWL-Kulturdezernentin, bei der Vorstellung der Studie, die das Land NRW gefördert hat. „Die Beteiligten können Herausforderungen benennen, Lösungsmöglichkeiten diskutieren, Ziele und Maßnahmen bestimmen und priorisieren – und nach und nach die kulturelle Infrastruktur vor Ort und in unserer Region verändern, verbessern und modernisieren.“
Der LWL werde mit der „Kulturagenda Westfalen“, dem Kulturentwicklungsprozess für Westfalen, auch auf kulturpolitischer Ebene seinen Aufgaben als Dienstleister und Unterstützer der Kommunen gerecht. Die untersuchten Kulturplanungen liefen in acht Pilotkommunen der „Kulturagenda Westfalen“. Daran beteiligt waren die Städte Hagen, Hattingen und Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis), Lippstadt (Kreis Soest) sowie die Kreise Höxter und Olpe. Interkommunal hat Ahlen zusammen mit Beckum (Kreis Warendorf) einen Prozess durchgeführt, genauso kooperiert hatten die vier Kommunen „Oben an der Volme“ Halver, Kierspe, Meinerzhagen und Schalksmühle (Märkischer Kreis).
Zu diesen Pilotkommunen kamen die Planungen in Bad Oeynhausen (Kreis Minden-Lübbecke), Dülmen (Kreis Coesfeld) und Gütersloh (Kreis Gütersloh), die sich mehr oder weniger stark an der Kulturagenda Westfalen orientierten, sowie die vom Land NRW als Modell geförderte interkommunale Kulturplanung von Bad Berleburg (Kreis Siegen-Wittgenstein) gemeinsam mit Schmallenberg (Hochsauerlandkreis) Ergebnisse im Einzelnen:
„Die erhofften Ziele des LWL wurden weitgehend erreicht und in Teilen übertroffen. Kommunen können von den eigenen Ergebnissen und den Erfahrungen anderer profitieren,“ fasste Kulturplanungsexperte Dr. Markus Morr die Ergebnisse seiner Untersuchung zusammen. „Das gilt selbst für diejenigen, die nicht als Pilot an der Kulturagenda Westfalen teilgenommen haben. Durch die Transparenz und Zusammenarbeit entsteht ein sehr hoch einzuschätzender und in dieser Form vorab nicht absehbarer Mehrwert.“ Welche sind die wichtigsten Erfahrungen der Teilnehmenden? Was ist aus Sicht der beteiligten Akteure besonders gut gelungen – und was nicht? Sind die Ergebnisse der Planungsprozesse zur Grundlage für das Handeln und Entscheiden in den Kommunen geworden? Dies waren Fragen an die drei befragten Gruppen Politik, Verwaltung und Kulturschaffende sowie Kulturinteressierte.
Alle Gruppen waren sich bei der Frage nach den wichtigsten Ergebnissen der Kulturplanung in ihrem Ort oder ihrem Kreis relativ einig: „Netzwerk innerhalb der Kommune vorantreiben“, „Kulturschaffende sowie Bürgerinnen und Bürger beteiligen“, „Strategische Ziele für die Kulturpolitik definieren“ und „den Prozess mitgestalten“. In den freien Antwortfeldern nannten alle drei Gruppen „Vernetzung“ und „Koordinierung“ noch einmal als wichtigste Aspekte. Bei der Frage nach den wichtigsten persönlichen Erfahrungen teilten sich die Gruppen in zwei Lager. Kulturschaffende und Kulturinteressierte sowie die Verwaltungen nannten an erster Stelle die „Netzwerkbildung“ und den „informellen Austausch“. Die Verwaltungen werteten außerdem die „Veränderung der Diskussionskultur als besonders positiv, während es für die Kulturschaffenden und Kulturinteressierten sehr entscheidend war, „selbst inhaltlich mitzuwirken“ und „Mitbestimmung“ zu erfahren.
Bei der Politik deckten sich die persönlich wichtigsten Erfahrungen mit den für sie wichtigsten Ergebnissen des Prozesses, denn die „Entwicklung von Zukunftsvorstellungen, Zielen und Maßnahmen gemeinsam mit anderen“ stand an erster Stelle, das „Kennenlernen anderer Akteure im Kulturbereich“ an zweiter Stelle. Bei der Frage nach den größten Misserfolgen aus Sicht der Beteiligten durfte frei geantwortet werden. Einige Vertreter der Verwaltung kritisierten beispielsweise fehlende Finanzen und Ressourcen, um die angedachten Projektideen umsetzen zu können. Auch die Kulturschaffenden und Kulturinteressierten bemängelten die Umsetzung der Maßnahmen in die Praxis, ferner seien Personalstellen nicht geschaffen worden, nicht alle Akteure seien erreicht und einbezogen worden und die Finanzierung sei nicht sichergestellt worden.
Handlungsempfehlungen
Die Studie bietet auch Erkenntnisse für Kommunen, die ebenfalls an strategischer Kulturplanung interessiert sind. Was können diese von den Kommunen, die bereits Kulturplanung betreiben, lernen? Wie können sie von deren Erfahrungen profitieren? Um diesen Transfer zu ermöglichen, wurden aus den Ergebnissen Handlungsempfehlungen entwickelt. Dieses Kapitel erläutert sieben Fragen, deren Beantwortung für eine erfolgreiche Kulturentwicklungsplanung hilfreich sein kann. Außerdem bieten sie eine Übersicht über die verschiedenen Typen von Kulturplanung und über verbreitete Missverständnisse, was das Instrument Kulturentwicklungsplanung leisten soll und was es tatsächlich leisten kann.
Hintergrund: Methode der Evaluation
Der Hauptteil der Evaluation bestand aus einer Online-Befragung sowie schriftlichen und mündlichen Tiefeninterviews. Die Online-Befragung erfolgte anonym und nicht kommunalbezogen. Für die Befragung wurden drei Varianten des Fragebogens erstellt: die erste und kürzere für Politiker, die zweite für Beschäftigte der Kulturverwaltungen und die dritte für Künstler, andere Kulturschaffende sowie interessierte Bürger. Insgesamt hatten sich 157 an den Prozessen beteiligte Personen an der Online-Befragung beteiligt. „Die Umfrage war zwar nicht repräsentativ, dennoch bietet diese Stichprobe einen umfangreichen und guten Ausschnitt aus den aktuellen Kulturentwicklungsplanungen in Westfalen-Lippe,“ so Morr. Kulturentwicklungsplanung kann, sofern sie interkommunal betrieben wird, vom Land NRW gemäß Paragraph 16 des Kulturfördergesetzes gefördert werden. Das Land NRW hat die Studie maßgeblich gefördert.
Die Studie kann man unter http://www.kulturkontakt-westfalen.de/informieren/kulturagenda-westfalen/ herunterladen oder bestellen.
Yasmine Freigang, Stefanie Keil, Markus Morr:
Die Kulturagenda Westfalen ff. Eine Wirkungsanalyse.
Herausgegeben von der LWL-Kulturabteilung,
Yasmine Freigang und Barbara Rüschoff-Parzinger.
72 Seiten, Münster 2019.