„Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer“

Sally Perel las vor rund 1.000 Gütersloher Schülern aus seinem Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“. Bertelsmann unterstützte die Lesung und spendete darüber hinaus 20 Bücher an die Gütersloher Schulbibliotheken.
 
SallyPerelGütersloh. „Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer“, darin ist sich Sally Perel sicher. Und so reist der inzwischen 92-jährige „Hitlerjunge Salomon“ auch heute noch von Schule zu Schule, um jungen Menschen von seinen Erinnerungen an die Zeit des Dritten Reichs und seiner Flucht vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu erzählen. Auf Einladung der Gütersloher Schulbibliotheken und mit der Unterstützung von Bertelsmann machte der Autor, des im Heyne Fliegt Verlag erschienenen Buchs „Ich war Hitlerjunge Salomon“, nun in Gütersloh Station und besuchte gestern unter anderem die Geschwister-Scholl-Schule. Eine weitere Lesung führte ihn außerdem an die Anne-Frank-Gesamtschule sowie an die Freiherr-vom-Stein-Schule und die Janusz-Korczak-Gesamtschule. Unter den insgesamt rund 1.000 Zuhörerinnen und Zuhörern waren auch Schüler der Hauptschule Ost, des Städtischen Gymnasiums und des Evangelisch Stiftischen Gymnasiums.
 
Neben der finanziellen Förderung der vier Lesungen spendete Bertelsmann außerdem 20 Exemplare des Buchs „Ich war Hitlerjunge Salomon“ an die Gütersloher Schulbibliotheken. Christiane Piepenbrock, Schulleiterin der Gütersloher Geschwister-Scholl-Schule, bedankte sich zu Beginn der Veranstaltung bei Bertelsmann für die Unterstützung und die damit verbundene Möglichkeit „so einen interessanten Menschen wie Sally Perel einzuladen.“
 
„Zwei Seelen in einer Brust“
 
In einem offenen Dialog, moderiert von dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Hans Feuß und dem Schüler Thies Nobbe, erzählte Sally Perel gestern in der Mensa der Geschwister-Scholl-Schule sehr lebendig, wie er als Jude vor der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten aus Peine zunächst mit seiner Familie ins polnische Lodz und von dort mit seinem Bruder weiter in die Sowjetunion bis nach Minsk floh. Als er 1941 schließlich doch in die Hände deutscher Truppen fällt, gibt er sich als Volksdeutscher aus und landet schließlich als „Jupp“ auf einem Internat der Hitlerjugend in Braunschweig.
 
„In meiner Brust wohnten zwei verschiedene Seelen, die sich tödlich gegenüberstanden. Tagsüber war ich Jupp, der begeisterte Hitlerjunge in der Uniform des Feindes, nachts aber war ich Sally und in Gedanken immer bei meinen Eltern im Ghetto von Lodz. Doch dieser Schutzmechanismus hat mir dabei geholfen, zu überleben“, erklärte Perel den Schülerinnen und Schülern des zehnten Jahrgangs der Geschwister-Scholl-Schule und der Hauptschule Ost, die den heute in Israel lebenden Autor nicht nur erzählen ließen, sondern ihm auch von ihrer Seite jede Menge Fragen stellten.
 
SallyPerel1So wollten sie beispielsweise wissen, wie er sich gefühlt habe, als er vom Tod Adolf Hitlers erfahren hat. „Ehrlich gesagt, war ich traurig. Da habe ich erst gemerkt, wie tief diese Naziwelt durch meine Tarnung als Hitlerjunge auch in mir verankert war“, erzählt Perel seinen neugierigen Zuhörern. Auf die Frage, wie er nach dem Krieg einen Weg zurück in ein normales Leben gefunden habe, antwortete er, dass er die Vergangenheit zunächst lange habe verdrängen müssen. „Ein neues Leben in Israel zu beginnen, kostete enorme Kraft. Ich musste die Vergangenheit hinter mir lassen, um nach vorne zu schauen.“ Nach einer Herz-Operation Mitte der 1980er-Jahre habe er aber beschlossen, seine Geschichte zu erzählen, „um meine Wahrheit loszuwerden und sie nicht mit ins Grab zu nehmen.“ Das Schreiben sei auch eine Art Selbsttherapie gewesen und habe ihm dabei geholfen, das Trauma seiner Kindheit und Jugend aufzuarbeiten. Doch auch andere Fragen trieben die Schüler um, beispielsweise was aus seiner Jugendliebe Leni geworden sei. „Eine hübsche Oma“, schmunzelte Perel, der den Schülern außerdem verriet, dass er insgesamt sechs Sprachen spreche: „Deutsch, Polnisch, Russisch, Hebräisch, Englisch und natürlich Jiddisch.“
 
In der Schule lerne man vieles, doch für das Leben lerne man außerhalb des Unterrichts, schloss Moderator Hans Feuß die Lesung in der Geschwister-Scholl-Schule ab, bevor Sally Perel zu seinem nächsten Auftritt aufbrach. Denn auch mit 92 Jahren wird Perel nicht müde, sein Lebensziel weiter zu verfolgen und junge Menschen über die Folgen von Faschismus und Antisemitismus aufzuklären – und den Geschichtsunterricht dabei als Zeitzeuge lebendig zu erhalten.

01: Der ehemaligen Landtagsabgeordnete Hans Feuß (links) moderierte den offenen Dialog zwischen den Schülerinnen und Schülern und Sally Perel. Copyright: © Bertelsmann, Fotograf Kai Uwe Oesterhelweg.

02: Autor und Holocaust-Überlebender Sally Perel las vor insgesamt rund 1.000 Gütersloher Schülerinnen und Schülern aus seinem Buch „Ich war Hitlerjunge Salomon“ vor. Copyright: © Bertelsmann, Fotograf Kai Uwe Oesterhelweg.