„Patienten profitieren von einer starken Hausarztmedizin“

Hausärzteverband Westfalen-Lippe diskutierte mit Vertretern aus Gesundheitswesen, Politik, Kommunen, Kreisen und Universitäten beim berufspolitischen Frühstück in Dortmund

Dortmund/ Westfalen-Lippe . Nie ist die zentrale Rolle, die Hausärztinnen, Hausärzte und ihre Teams innerhalb des Gesundheitssystems einnehmen, deutlicher spürbar gewesen, als in Zeiten der Corona-Pandemie. Ob Impfungen, Beratung, Vorsorge oder Therapie – ohne Hausärzte bricht die wohl wichtigste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten weg, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Aber wie ist die Hausarztmedizin für die Zukunft aufgestellt? Wie wird die Digitalisierung den Praxisalltag verändern oder wie können angehende und junge Mediziner für den Beruf des Hausarztes – in der Stadt und auf dem Land – begeistert werden? Diese Fragen standen im Zentrum eines berufspolitischen Frühstücks, zu dem der Hausärzteverband Westfalen-Lippe am Mittwoch Vertreter aus Gesundheitswesen, Politik, Kommunen, Kreisen und Universitäten der Region Westfalen-Lippe ins Radisson Blu Hotel nach Dortmund eingeladen hatte.

Tauschten beim berufspolitischen Frühstück des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe in Dortmund Ideen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung aus (v.l.): Prof. Dr. Peter Maisel (Centrum für Allgemeinmedizin, Universität Münster), Mehrdad Mostofizadeh (Sprecher Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Landtag NRW), Barbara Steffens (Leiterin Landesvertretung NRW Techniker Krankenkasse), Michael Niesen (2. Vorsitzender Hausärzteverband Westfalen-Lippe), Christian Carl (Bürgermeister Bad Wünnenberg), Agnes Rauter-Ullrich (Hausärztin Rhede), Burkhard König (Bürgermeister Schmallenberg), Marcel Frischkorn (Wirtschaftsförderung Kreis Soest) und Claudia Diermann (Geschäftsführerin Hausärztliche Service- und Wirtschaftsgesellschaft mbH Westfalen-Lippe). Nicht im Bild ist Prof. Dr. Achim Mortsiefer (Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke). (Foto: Hausärzteverband Westfalen-Lippe)

Tauschten beim berufspolitischen Frühstück des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe in Dortmund Ideen zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung aus (v.l.): Prof. Dr. Peter Maisel (Centrum für Allgemeinmedizin, Universität Münster), Mehrdad Mostofizadeh (Sprecher Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, Landtag NRW), Barbara Steffens (Leiterin Landesvertretung NRW Techniker Krankenkasse), Michael Niesen (2. Vorsitzender Hausärzteverband Westfalen-Lippe), Christian Carl (Bürgermeister Bad Wünnenberg), Agnes Rauter-Ullrich (Hausärztin Rhede), Burkhard König (Bürgermeister Schmallenberg), Marcel Frischkorn (Wirtschaftsförderung Kreis Soest) und Claudia Diermann (Geschäftsführerin Hausärztliche Service- und Wirtschaftsgesellschaft mbH Westfalen-Lippe). Nicht im Bild ist Prof. Dr. Achim Mortsiefer (Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke).
(Foto: Hausärzteverband Westfalen-Lippe)

„Um weiter eine optimale Patientenversorgung leisten zu können, ist die Stärkung der Hausarztmedizin ein entscheidender Faktor. Und auch die Sicherung des hausärztlichen Nachwuchses spielt eine Schlüsselrolle“, betonte Michael Niesen, 2. Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe und selbst Hausarzt aus Ochtrup. Viele Praxen ständen vor einem Generationenwechsel, Hausärztinnen und Hausärzte vor dem Ruhestand suchten Praxisnachfolger. „Letztlich profitieren alle Patienten von einer starken Hausarztmedizin. Die Weichen werden durch Politik, Selbstverwaltung, Kommunen und die Ärzteschaft gestellt. Deshalb wollen wir die Chance nutzen und verschiedene Akteure an einen Tisch holen, um über Maßnahmen zur Stärkung der Hausarztmedizin und zur Nachwuchsförderung zu sprechen“, so Niesen.

Studierende schon früh für den Hausarztberuf begeistern

Gemeinsam diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Ideen und Strategien, um Hausärztinnen und Hausärzte von morgen zu gewinnen und die hausärztliche Versorgung auch in Zukunft zu sichern. So macht sich der Hausärzteverband Westfalen-Lippe selbst etwa bereits seit Jahren im Rahmen seiner Nachwuchsinitiative Allgemeinmedizin „Zukunft Praxis“ dafür stark, medizinischen Nachwuchs für den Beruf des Hausarztes zu begeistern und auf dem Weg in die Niederlassung zu unterstützen und zu begleiten. „Wir müssen die jungen Kollegen möglichst frühzeitig erreichen. Wir haben spezielle Fortbildungen entwickelt, den so genannten Werkzeugkasten Niederlassung, es gibt Stammtische, Bootcamps und Infoveranstaltungen. Das alles kommt sehr gut an“, so Michael Niesen. Dabei gebe es auch eine enge Zusammenarbeit mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Universitäten.

Dort spiele die Allgemeinmedizin im Studium schon sehr früh eine Rolle, erklärte Prof. Dr. Peter Maisel. „Da hat sich in den letzten Jahren schon viel bewegt.“ Eine Reform der Approbationsordnung könne allerdings noch mehr Schwung bringen, da sie einen stärkeren Schwerpunkt auf das Fach Allgemeinmedizin legen würde, betonten Maisel und sein Kollege von der Universität Witten/Herdecke, Prof. Dr. Achim Mortsiefer. „Das würde die Allgemeinmedizin noch aktiver nach vorne bringen.“

Engagement von Kommunen und Kreisen zahlt sich aus

Aktiv sind auch immer mehr Kommunen, die um Nachfolger für Arztpraxen vor Ort werben und dabei mit jeweils unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert sind. „Schmallenberg ist sehr ländlich gelegen, weit ab von den großen Verkehrsadern. Da haben wir schon die Sorge, wie wir die hausärztliche Versorgung in Zukunft dauerhaft gesichert bekommen“, erklärte Bürgermeister Burkhard König. „Im Moment liegen wir bei einem Versorgungsgrad von 70 Prozent, aber es tut sich schon etwas.“

Dass Engagement sich auszahlt, wusste auch Marcel Frischkorn aus seinem Einsatzgebiet in Soest zu berichten. Frischkorn, der so genannte „Arztkümmerer“, begleitet im Auftrag der Wirtschaftsförderung des Kreises niederlassungswillige Ärztinnen und Ärzte, er berät, macht individuell zugeschnittene Unterstützungsangebote – und das mit Erfolg. 20 Ärztinnen und Ärzte haben sich in den letzten Jahren im Kreis Soest niedergelassen. „Viele wissen gar nicht, wie viel Potenzial im Hausarztberuf steckt, auch ökonomisch“, hat Frischkorn dabei beobachtet.

Erleben, wie viel Spaß der Job als Hausarzt macht – das können junge Mediziner am besten vor Ort, in der Praxis. Dafür braucht es Ärztinnen und Ärzte, die in ihren Lehrpraxen ausbilden und die Freude an ihrem Beruf vermitteln. Agnes Rauter-Ullrich ist eine von ihnen. „Das Bild im Kopf von der Lebensqualität, die unser Beruf mit sich bringt – auch auf dem Land! – kann man gar nicht früh genug vermitteln“, weiß sie. Deshalb bildet sie in ihrer Praxis in Rhede Medizinstudierende und Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung aus.

„Das ist ein enorm wichtiger Beitrag der Ärzte in den Praxen. Da müssen sie sich reinknien. Aber es lohnt sich“, wusste Prof. Dr. Peter Maisel zu berichten. Und auch die Kommunen könnten hier gut unterstützen. „Sie können zum Beispiel für Studierende, die sich für ein Praktikum in einer entlegeneren Praxis interessieren, kostenlose Wohnangebote machen, die Fahrten finanzieren oder eine Freikarte fürs Hallenbad spendieren, um für die Region zu werben. Dann könnten die Universitäten noch viel mehr Studierende in Landarztpraxen unterbringen.“

Gute Mischung: Telemedizin und persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt

Noch gut aufgestellt sieht Bürgermeister Christian Carl seine Stadt Wünnenberg. „Aber viele der Hausärztinnen und Hausärzte sind auch bei uns bereits älter. Ich bin sicher, dass vor diesem Hintergrund die Telemedizin künftig eine große Rolle spielen wird.“  Diese Meinung teilte auch Barbara Steffens, Leiterin der Landesvertretung NRW der Techniker Krankenkasse. „Gerade im ländlichen Raum gibt es verstärkt telemedizinische Angebote. Das wird einer der Bausteine sein, ohne den wir gar nicht klarkommen werden.“

Ohne den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt wird gute medizinische Versorgung aber auch in Zukunft nicht gelingen. „Und da müssen einfach alle an einem Strang ziehen“, brachte Agnes Rauter-Ullrich es auf den Punkt. „Schließlich wollen wir alle das Gleiche: dass es in der Fläche genug Hausärztinnen und Hausärzte gibt!“

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