FeDiNAR – Institut für Kunststoffwirtschaft OWL führt visionäres Lernkonzept ein

Kreis Lippe/Lemgo.. Als nachfrageorientiertes Dienstleistungszentrum mit Beratungs- und Vernetzungsfunktion trägt das Institut für Kunststoffwirtschaft OWL – ikuowl zur langfristigen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Kunststoffindustrie bei. Mit dem ikuowl ist eine Institution entstanden, die ein durchlässiges und integriertes Ausbildungsangebot vom Verfahrensmechaniker über den Meister und den Techniker bis zum Ingenieur bereithält. Durch eine enge Kooperation nutzen Berufskollegs, Hochschule und die Wirtschaft am Standort Lemgo entstandene Synergien und bieten ein kunststoffspezifisches Netzwerk für die ganze Region. Das ikuowl ist Partner und Bestandteil des Innovation Campus Lemgo.

Im interdisziplinären Austausch: v. l. Tobias Döhring, Lukas Dunsche, Carsten Kießler (Ausbilder und Leiter des IKU), Dennis Kobelt, Jan-Phillip Herrmann (wissenschaftliche Mitarbeiter im FeDiNAR-Projekt)

Im interdisziplinären Austausch: v. l. Tobias Döhring, Lukas Dunsche, Carsten Kießler (Ausbilder und Leiter des IKU), Dennis Kobelt, Jan-Phillip Herrmann (wissenschaftliche Mitarbeiter im FeDiNAR-Projekt)

In Kooperation mit der Technischen Hochschule OWL ermöglicht das ikuowl als Partner im Forschungsprojekt FeDiNAR die Digitalisierung der Ausbildung in der Kunststofftechnik. FeDiNAR steht für „Fehler didaktisch nutzbar machen durch Augmented Reality“ und lässt Auszubildende eigenständig Aufgaben innerhalb des Lehrbetriebs lösen, Fehler machen und die Konsequenzen erleben. Fehler und das Erleben daraus resultierender Konsequenzen beeinflussen bisherige Lernprozesse positiv und erfordern eine Erweiterung der Problemlösekompetenz. Da Fehler auch zu möglichen wirtschaftlichen oder gesundheitlichen Schäden führen können, werden sie jedoch in der Regel in der Ausbildung vermieden.

Ein Beispiel aus der Praxis: Zieht ein Azubi die Pratzen zur Befestigung eines Spritzgießwerkzeugs an einer Maschine mit einem zu geringen Drehmoment an, kann es zu einem Versatz der Werkzeughälften kommen. Möchte der Azubi nun die Werkzeughälften zusammenfahren, passen diese möglicherweise nicht mehr richtig aufeinander. Das führt zu einer Beschädigung der Werkzeuginnenkontur und somit zu einem hohen wirtschaftlichen Schaden. Um das zu verhindern müssen die Ausbilder des ikuowl besonders aufmerksam sein und zügig eingreifen. Bei der Betreuung von bis zu 30 Auszubildenden gleichzeitig stellt dies eine große Herausforderung für das Ausbildungspersonal dar.

Diese Verantwortung übernimmt zukünftig das im Forschungsprojekt entwickelte FeDiNAR-System. Es ermöglicht dem Azubi Fehler zu machen und aus den Konsequenzen seines Handelns durch die Verwendung von erweiterter Realität (Augmented Reality) zu lernen. Gleichzeitig werden wirtschaftliche oder gesundheitliche Schäden vermieden. Durch eine AR-Brille und Sensoren beobachtet das FeDiNAR-System die Handlung des Azubis und den Zustand der verwendeten Maschine. Im genannten Beispiel schreitet das FeDiNAR-System ein, noch bevor es zu einem realen Schaden kommen kann und zeigt dem Azubi die zu erwartenden Konsequenzen seines gerade vermiedenen Fehlers als bewegtes Hologramm in der AR-Brille. Im Anschluss wird dem Azubi zudem die Möglichkeit geboten der Ursache seines Fehlers auf den Grund zu gehen. Anhand einer Aufzeichnung der durchgeführten Lernaufgabe reflektieren Ausbilder und Azubi im Nachgang den Handlungsverlauf und entwickeln alternative Vorgehensweisen. Dies steigert den Lernerfolg und das Verständnis für die Prozesse. „Durch FeDiNAR sind Fehler nicht mehr Teil einer Einweisung, sondern ein Erlebnis mit emotionalem Wert“, erläutert Carsten Kießler, Leiter des ikuowl.

Zur Anbindung des FeDiNAR-Systems stellt das ikuowl eine mit der Industrie 4.0-Schnittstelle OPC UA ausgerüstete Spritzgießmaschine von ARBURG bereit. Die Ausbilder des ikuowl tragen durch ihr Expertenwissen über mögliche Fehler und deren Konsequenzen zur Realisierung realitätsnaher Lernszenarien bei. Die Entwicklung von Lernszenarien ist ein interdisziplinärer Prozess und erfordert den Austausch zwischen den Bereichen Kunststofftechnik und Informationstechnik.

Beide Fachbereiche spezifizieren mögliche Fehlerbilder im Verarbeitungsprozess mit zulässigen und unzulässigen Parameterbereichen. Die Entwicklung eines mathematischen Modells macht diese Zusammenhänge anschließend für den Computer verständlich. Auch Produktdesigner profitieren von der Entwicklung solcher Lernszenarien durch die Gestaltung Digitaler Zwillinge. Diese dienen zur Entwicklung von CAD-Modellen des realen Produkts sowie weiterer im Arbeitsprozess verwendeter Objekte, welche als Hologramm in der AR-Brille angezeigt werden. Weiterhin bietet FeDiNAR eine Entlastung des Lehrpersonals in Ausbildungswerkstätten. Anstatt gleichzeitig verschiedene Arbeitsplätze mit unterschiedlichen Prozessen und Problematiken im Blick behalten zu müssen, kann der Ausbilder nun ungestört und ohne Ablenkung konzentriert und individuell Hilfestellung geben, während mehrere Azubis zeitgleich selbstständig experimentieren.

Bisher wurde das FeDiNAR-System an einer Fischertechnik-Anlage entwickelt, welche bereits verschiedene Arbeitsprozesse aus der beruflichen Bildung aufzeigt. Nun wird die neue Technologie in enger Zusammenarbeit zwischen ikuowl und FeDiNAR in reale Anwendungsfälle im Kunststoffinstitut implementiert.

Das Projekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Fachprogramms „Digitale Medien in der beruflichen Bildung“ gefördert und vom DLR Projektträger unter den FKZ 01PV18005A und 01PV18005C betreut.

Das Institut für Kunststofftechnik OWL ist seit 2011 als überbetriebliche Bildungsstätte für die Kunststoffbranche in OWL aktiv. Das Institut verfügt über die Ausstattung, um sämtliche Verarbeitungsarten von Kunststoffen abbilden zu können und ist auf dem Innovation Campus Lemgo angesiedelt.

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