Einen Schritt vor dem Krieg

Paderborn. Seit Beginn des russisch-ukrainischen Krieges im Jahr 2014 befinden sich ukrainische Künstler*innen ununterbrochenen in einer Situation der Anspannung, Unsicherheit und Unruhe. Bewusst oder unbewusst, explizit oder indirekt – der militärische Diskurs in ihrem Leben ist seit acht Jahren täglich präsent.

Noch laufen die Vorbereitungen im Kreuzgang (v. l.): Markus Runte vom Stadtmuseum, Maryna Streltsova von der Nationalen Kunstakademie in Kiew, Künstler Petro Antyp und Dr. Andreas Siebe vom Rotary Club Paderborn-Kaiserpfalz freuen sich auf die Eröffnung dieses besonderen Ausstellungsprojektes.Foto:© Stadt Paderborn

Noch laufen die Vorbereitungen im Kreuzgang (v. l.): Markus Runte vom Stadtmuseum, Maryna Streltsova von der Nationalen Kunstakademie in Kiew, Künstler Petro Antyp und Dr. Andreas Siebe vom Rotary Club Paderborn-Kaiserpfalz freuen sich auf die Eröffnung dieses besonderen Ausstellungsprojektes.Foto:© Stadt Paderborn

In der Ausstellung „Einen Schritt vor dem Krieg”, die ab Samstag, 23. April, Kreuzgang des Paderborner Stadtmuseums zu sehen ist, geht es um die Schrecken des völkerwiderrechtlichen Krieges und um die Vorahnung der aktuellen Ereignisse. Russlands Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die Prozesse in der zeitgenössischen Kunst der Ukraine beschleunigt. Die Künstler*innen reagieren auf die Geschehnisse und versuchen verarbeiten innere und äußere Wahrnehmungen in ihren Bildern und Skulpturen.

Basierend aus den persönlichen Erfahrungen des Jahres 2014 – die Besetzung eines Teils des Donbass durch Russland – hat der aus der Region Donezk stammende Künstler Petro Antyp den Beginn eines umfassenden russisch-ukrainischen Krieges in diesem Jahr bereits erahnt. Vor acht Jahren mussten er und sein Landsmann Sergij Sakharow aufgrund ihrer pro-ukrainischen und pro-europäischen Haltung ihre Heimat verlassen und suchten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew Zuflucht. Am 24. Februar dieses Jahres holte der Krieg sie erneut ein.

Das Stadtmuseum zeigt eine zusammengestellte Auswahl – darunter Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen – von Petro Antyp, Sergij Sakharow, Oleksandr Serdyuk, Igor Panchuk, Oleksii Konoshenko und Victoriia Romanchuk. Sie sind überwiegend vor und auch während des Krieges entstanden. Es sind eindrucksvolle Zeugnisse unvorstellbarer Ereignisse eines sinnlosen Krieges – Vorahnungen und Reflexionen, die nicht nur die Menschen in der Ukraine betroffen machen.

„Es ist eine eher ungewöhnliche Ausstellung“, sagt Markus Runte vom Stadtmuseum. „Es geht um viel mehr als um die Kunstwerke – es geht um die Geschichten, die hinter den Bildern stecken, um das Leid, das mitschwingt“, betont er. Mit der Ausstellung möchte das Team der Städtischen Museen und Galerien um Leiterin Dr. Andrea Brockmann auf die Sinnlosigkeit des Krieges hinweisen und zugleich die ukrainischen Künstler*innen unterstützen. „Ich bin sehr froh, dass die Kunstwerke ihren Weg nach Paderborn gefunden haben“, so Runte. Die Gemälde und Skulpturen, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind unter schwierigen Umständen direkt aus Charkiw, Kyiw und Lwiw von Petro Antyp und Maryna Streltsova von der Nationalen Kunstakademie in Kiew hierher gebracht worden.

„Unsere Hauptaufgabe ist es, die ukrainische Kunst und Kultur in der Welt bekannt zu machen“, betont Petro Antyp. Putin behaupte, es gäbe keine ukrainische Nation – und somit auch keine ukrainische Kultur, Geschichte oder Kunst. „Dieses Märchen wollen wir zerstören“, so Antyp. Zusammen mit anderen Künstlern sammele er deshalb auch Informationen über zerstörte Kunst und Kulturdenkmäler in der Ukraine, um diese etwa der UNESCO zu übermitteln.

Mit Paderborn verbindet Petro Antyp eine ganz eigene Geschichte. Seit zehn Jahren ist er regelmäßig in der Stadt, in der er auch Professor Andreas Götte, Herzspezialist und Chefarzt am St.-Vincenz-Krankenhaus, kennenlernte. Ihn kontaktierte er nun mit seinem Anliegen, die Kunstwerke in Paderborn ausstellen zu wollen. Andreas Götte involvierte als Mitglied den Rotary Club Paderborn-Kaiserpfalz, der schließlich den Kontakt zum Stadtmuseum aufnahm und das Ausstellungsprojekt finanziert. Die Präsentation und die Beleuchtung der Kunstwerke übernimmt die Paderborner Firma Lightpower.

„Wir sind sehr stolz und dankbar, dass innerhalb so kurzer Zeit so eine außergewöhnliche Ausstellung entstanden ist“, sagt Dr. Andreas Siebe vom Rotary Club. Dabei gehe es auch darum, möglichst viele Menschen – hier aus einer künstlerischen Perspektive – teilhaben zu lassen, um das „Sichtbarmachen“, erläutert Siebe. Denn, wie Petro Antyp es beschreibt, „wenn man den Krieg nicht sieht, fühlt man ihn nicht.“

Die Ausstellung, die bis zum 5. Juni im Stadtmuseum zu sehen ist, wird am Samstag um 11 Uhr eröffnet. Die Öffentlichkeit ist eingeladen. Der Eintritt zur Ausstellung ist frei, um möglichst vielen Bürger*innen Zugang zu den Kunstwerken zu ermöglichen. Im Museum besteht jedoch die Möglichkeit einer Spende, die Künstler*innen in der Ukraine zugutekommt.

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