„Blumenkübel, Wendehammer, Wäschespinne“

Stadtmuseum lässt die Stadt der Nachkriegsmoderne lebendig werden.

Paderborn.  Fußgängerzonen, Hoch- und Umgehungsstraßen, Trabanten- und Schlafstädte – der Städtebau der Nachkriegsmoderne wird in der Serialität und vermeintlichen Austauschbarkeit selten als sehenswert und interessant genug für eine touristische Wahrnehmung erachtet. Umso erstaunlicher ist es, dass zwischen 1949 und 1989 in der BRD und der DDR unzählige Ansichtskarten der neuen Alltagswelt gedruckt worden sind.

Ulrich Brinkmann (links), der im Stadtmuseum einen Ausschnitt seiner Ansichtskartensammlung präsentiert, und Museumsleiter Markus Runte zeigen einen spannenden Rückblick auf die Entwicklung der Westernstraße.Foto:© Stadt Paderborn

Ulrich Brinkmann (links), der im Stadtmuseum einen Ausschnitt seiner Ansichtskartensammlung präsentiert, und Museumsleiter Markus Runte zeigen einen spannenden Rückblick auf die Entwicklung der Westernstraße.Foto:© Stadt Paderborn

Die Ausstellung „Blumenkübel – Wendehämmer – Wäschespinnen. Deutsch-deutscher Städtebau in Ansichtspostkarten 1949-89“ lässt vom 18. April bis 8. August im Kreuzgang des Paderborner Stadtmuseums eine Epoche lebendig werden, in der mit dem technischen und baulichen Fortschritt noch eine gesellschaftspolitische Verheißung verknüpft war – eine Reise in die Vergangenheit der Zukunft mit einem populären Medium, das inzwischen selbst vom technischen Fortschritt überholt wurde.

Die Ansichtskarten dokumentieren nicht nur die prägenden Phasen der Stadtentwicklung – vom Neu- und Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte in den Fünfzigerjahren über die Umwandlung der Innenstädte in Geschäfts- und Dienstleistungszentren bis hin zum allmählich aufkommenden Interesse an Historie, Denkmalschutz, Industrie- und Alltagskultur in den Siebzigerjahren –, sie zeigen auch das, was man zu dieser Zeit als repräsentativ für eine Stadt empfunden hat. Fußgängerzonen, Brücken, Tunnel und Stadtautobahnen, Wohnsiedlungen und Neubaugebiete sind wiederkehrende Motive, die nicht immer idyllisch sind, aber oft dem tatsächlichen Erleben der Bürgerinnen und Bürger entsprochen haben dürften.

Neben Postkarten aus Städten wie Magdeburg, Hannover, Kiel, Rostock, Hamburg und vielen weiteren, nehmen auch zahlreiche Abbildungen der Paderborner Haupteinkaufsstraße die Besucher*innen mit auf eine Zeitreise: Sie zeigen die Entwicklung der Westernstraße im Laufe des 20. Jahrhunderts – und die Auswirkungen, die die Umwandlung einer Straße zur Fußgängerzone auf den Stadtraum als Zusammenklang von Fassaden, Verkehr und Nutzungsspektrum hatte. Die quer verlaufende Pflasterung mit roten Ziegeln und grauem Granit, die Beleuchtung mit Kugelleuchten sowie die den Raum gliedernden Blumenkübel, Hochbeete und Sitzgelegenheiten sind Elemente, die die Westernstraße ab 1975 prägten und nicht nur bei Paderbornerinnen und Paderbornern Erinnerungen wecken dürften. Eine Reihe von Phänomenen, die typisch für eine Fußgängerzone, eine Umgehungsstraße oder eine Siedlung der Nachkriegsmoderne sind und zu überraschend ähnlichen Stadtansichten führten, werden in der Ausstellung thematisiert.

„Worum es mir geht ist die Frage nach dem Kanon. Inzwischen haben wir genug Abstand, um zu sagen, was erhalten bleiben sollte und was vielleicht eher Durschnitt ist“, erläutert Ulrich Brinkmann, der im Stadtmuseum einen Teil seiner Ansichtskartensammlung zeigt. Brinkmann, 1970 in Paderborn geboren, ist Architekt und Redakteur der Architekturzeitschrift „Bauwelt“ in Berlin. Seit Grundschulzeiten sammelt er Postkarten mit Stadtansichten und Architekturdarstellungen. Sein rund 35.000 Exemplare zählendes Archiv zur europäischen Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert wird im Stadtmuseum erstmals mit einem ausschnitthaften Blick auf Hauptströme und Sonderwege in Deutschland präsentiert. „Die Ausstellung, eine Pionierarbeit des Sammlers Ulrich Brinkmann, ist eine wichtige Dokumentation zur Entwicklung innerdeutscher Städte. Neben vielen anderen Städten in Ost- und West-Deutschland, die hier thematisiert werden, lässt sich die wechselvolle Geschichte der Paderborner Fußgängerzone eindrucksvoll nachverfolgen“, so Museumsleiter Markus Runte.

Zur Ausstellung ist 2020 das Buch „Achtung vor dem Blumenkübel! Die Fußgängerzone als Element des Städtebaus“ erschienen. Die Folgebände „Vorsicht auf dem Wendehammer! Die Straße als Element des Städtebaus“ und „Obacht an der Wäschespinne! Die Siedlung als Element des Städtebaus“ sind in Vorbereitung.

Das Stadtmuseum ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Ein Besuch ist derzeit nur mit vorheriger telefonischer Terminbuchung unter 05251 88-11247 möglich.

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