Diözesanmuseum Paderborn zeigt Werke zeitgenössischer Kunst im Dialog mit Schätzen der Sammlung
Paderborn. Alles grau und doch ein Meer von Farben: Wellen, Wolken, Küste, Inseln – eine leere Landschaft, in der Zeit und Raum in einer silbrigen Balance verschmelzen. Christoph Brechs Video „Sounds of Raasay“ lädt den Betrachter ein zu einer sinnlichen, meditativen Reise. Entstanden ist es im Herkunftsgebiet der iro-schottischen Mönche, die einst zur Verbreitung des Christentums aufbrachen, und es steht am Beginn der ungewöhnlichen, neuen Ausstellung des Diözesanmuseums Paderborn.
Vom 12. Oktober 2017 bis zum 1. Juli 2018 präsentiert das Haus unter dem Titel MORE than ROME. Christoph Brech im Dialog mit der Sammlung des Diözesanmuseums Paderborn künstlerische Interventionen des Münchner Künstlers im Dialog mit ausgewählten Stücken aus dem eigenen Bestand. Brech gehört zu den wichtigsten deutschen Videokünstlern. In der vor wenigen Wochen beendeten Sonderausstellung „WUNDER ROMs im Blick des Nordens“ bildeten seine hintergründigen und gleichzeitig poetischen Blicke auf die Heilige und Ewige Stadt den Abschluss der großen Präsentation. Für die aktuelle Ausstellung bringt er nicht nur vorhandene Arbeiten nach Paderborn, sondern präsentiert dort auch neue Installationen. Der Künstler stellt Themen wie „Fragmentierung – Versehrtheit – Rekonstruktion“, „Zerstörung – Tod – Endzeit“ und „Zyklen des Lebens“ ins Zentrum der Auseinandersetzung mit den Objekten der Sammlung, zu deren Schwerpunkten mittelalterliche Skulptur gehört. Auf den oberen Museumsebenen nehmen zwei neue Installationen von Christoph Brech einen zentralen Platz ein.
Bewegte Gemälde
Brech arbeitet subtil, fängt immer wieder Momente großer Stille ein, oft betreibt er ein feinsinniges Spiel mit verschiedenen Bedeutungsebenen. Auch Musik hat für ihn einen hohen Stellenwert, auf überraschende und unmittelbare Weise überträgt er sie ins Bild. Seine Videoabeit „Monsalvat“ zeigt ein nächtliches Schwanenballett, gefilmt bei eisiger Kälte von einer Berliner Brücke aus. Die Tiere bewegen sich langsam im noch nicht zugefrorenen Bereich des Wassers. Das Licht der Stadt erhellt die ansonsten nachtschwarze Szene und taucht ihr Gefieder in goldenes Licht. Der Eindruck eines unwirklichen Tanzes entsteht, untermalt mit einem Klanggemisch aus Richard Wagners Lohengrin und Straßenlärm. Inszeniert wird diese Arbeit zusammen mit vier graziösen, überlebensgroßen Allegorien und einem schwebenden Engel. Die wunderbaren Skulpturen entstanden 1736 für die Festarchitektur des „Mausoleum Liborianum“ im Hohen Dom zu Paderborn.
Maria und der Mond
Dem Marienleben widmet die Ausstellung einen eigenen Bereich. Leuchtkästen mit Bilder des abnehmen und zunehmenden Mondes stehen unterschiedlichen Marien-Skulpturen gegenüber. Die Mondphasen rhythmisieren die Zeit, seine Zyklen erinnern an die Atmung, Atmen ist Leben. Im Zentrum der Installation steht die bedeutendste Skulptur des Diözesanmuseums: die berühmte Imad-Madonna aus dem 11. Jahrhundert. Sie ist eine der ältesten abendländischen Darstellungen des Typs der Thronenden Madonna. Hier krönt sie ein Video mit dem Titel: Sternenflug, aufgenommen vom Hubble-Teleskop. Der Titel der Arbeit: La fin du temps. Der Dialog mit der Sammlung bezieht Werke unterschiedlicher Gattungen ein. Neben Arbeiten der Goldschmiedekunst, sind Skulpturen, Gemälde und Grafiken zu sehen.
Besucher können Restauratoren über die Schulter schauen
Eine der Museumsebenen steht unter dem Motto „work in progress“ und ist in eine temporäre Restaurierungswerkstatt verwandelt. Dort kann das Publikum verfolgen, wie man Grabungsfunde und Skulpturenfragmente für die kommende Ausstellung „Gotik – Der Paderborner Dom und die Baukultur um 1300“ (21. Sept. 2018 – 13. Jan. 2019) reinigt und konserviert. Dieses Thema greift Christoph Brech in zwei Leuchtkästen auf, die Röntgenbilder einer zu restaurierenden Skulptur und einer erneuerten menschlichen Hüfte kombiniert. Die Ausstellung mit neuen Installationen des Münchner Künstlers wurde im Diözesanmuseum Paderborn von Christiane Ruhmann unter Mitarbeit von Ursula Pütz in engem Austausch mit Christoph Brech kuratiert.
Der Künstler Christoph Brech
Christoph Brech (*1964) gilt als einer der wichtigsten deutschen Videokünstler. Seine Werke wurden
von Montreal bis Madrid, von Berlin bis Taipeh in Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Er studierte 1989–1995 Malerei und Grafik bei Prof. Franz Bernhard Weißhaar an der Akademie der Bildenden Künste in München. Seit 1998 bilden Video-Kunst und -Installationen neben der Fotografie einen Schwerpunkt seines künstlerischen Schaffens. 2006 arbeitete Christoph Brech als Stipendiat der Villa Massimo, der Deutschen Akademie in Rom. Er erhielt unter anderem den Will Grohmann-Preis der Akademie der Künste Berlin, den Rom-Preis 2006 (Deutsche Akademie Rom, Villa Massimo) und den Franz Ludwig Catel-Preis, Rom, 2009. 2003 war er Artist in Residence in Montréal, Kanada. Brechs Werke finden sich heute in renommierten europäischen Sammlungen und Museen – in der Paderborner Ausstellung sind Leihgaben aus der Kunstsammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland Berlin, dem MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main, der Sammlung Goetz, München, der Stiftung Nantesbuch, Bad Homburg und der Casa di Goethe, Rom vertreten.
www.dioezesanmuseum-paderborn.de
Fotos: ©Christoph Brech