„Mindener Glacisanlagen“ als Denkmal des Monats ausgezeichnet

Minden (lwl). Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat die „Glacisanlagen“ in Minden als Denkmal des Monats Mai ausgezeichnet. Die parkartig gestalteten Teile der ehemaligen Befestigungsanlage hat die Stadt Minden vor drei Monaten in ihre Denkmalliste eingetragen.

Das sogenannte Glacis war ursprünglich eine nach außen Glacis2flachgeneigte Aufschüttung vor dem Stadtwall und dem Stadtgraben, die als freies Schussfeld diente. In Friedenszeiten war das Glacis teils mit Bäumen und Gebüsch als Sichtschutz bewachsen, damit feindliche Agenten die Befestigungsanlagen nicht ausspionieren konnten, teils wurde es als Gartenland genutzt und stand privilegierten Bürgern zum Spazierengehen offen.

„Dank der Stadtväter, die nach 1873 beharrlich und zielstrebig den Erwerb der Festungs- und Glacisanlagen betrieben, sowie dank der andauernden und behutsamen Pflege hat sich in Minden ein Dokument historischer Freiraumgestaltung erhalten, das in Ausdehnung, Größe und Vielgestaltigkeit in Westfalen-Lippe einzigartig ist“, sagt LWL-Gartendenkmalpfleger Uwe Siekmann. „Aber an manchen Stellen des Glacis zeigt sich, dass ein an einem denkmalpflegerischen Konzept ausgerichteter Umgang mit der historischen Parkanlage dringend notwendig ist, damit der Charakter eines Waldparks, den der Stadtgarteninspektor Julius Trip dem Park verliehen hat, erhalten bleibt.“

Hintergrund
Nachdem 1873 die Festung Minden aufgehoben worden war, wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Festungsbauwerke weitgehend geschleift. Dabei schonte man den seit Beginn des 19. Jahrhunderts aufgewachsenen Baumbestand auf dem Glacis, weil Abschnitte der Glacisanlagen auf Wunsch der Stadt in Parkanlagen umgewandelt werden sollten.

Die Ausgestaltung, Erhaltung und Pflege der Mindener Glacisanlagen übernahm ab 1873 zunächst ein Verschönerungsverein. Er legte Wege an, stellte Bänke auf, pflanzte Bäume, schuf gärtnerische Schmuckanlagen an den Kriegerdenkmälern, legte einen Kinderspielplatz an und gestaltete die Ufer des Schwanenteiches. Nach der Auflösung des Vereins übernahm 1890 die städtische Parkkommission die Betreuung der Grünanlagen und beauftragte den hannoverschen Stadtgarteninspektor Julius Trip (1857-1907) und den Hofgärtner Georg Tatter (1858-1924) aus Hannover-Herrenhausen mit der Erstellung eines Gutachtens über den künftigen Umgang mit den Glaciswaldungen.

Trip und Tatter empfahlen eine behutsame Auslichtung der über längere Zeit nicht durchforsteten Waldbereiche nach gartenkünstlerischen Gesichtspunkten. Dabei sollten markante Einzelbäume und Baumgruppen erhalten und entwickelt, Lichtungen angelegt und das Gelände modelliert werden, um ein „malerisches Parkbild zu schaffen und Ausblicke in die herrliche Umgebung, die weltberühmten Waldberge der Porta“ zu ermöglichen, wie es in dem Gutachten hieß.

1892/93 wurde mit der Umsetzung von Trips und Tatters Vorstellungen in dem der Weser zugewandten Abschnitt des Glacis begonnen und in den Folgejahren unter dem Stadtgärtner Louis Isermann die Gestaltung der verschiedenen Glacisabschnitte vollendet. Bei der Verlegung der Bastau in den Jahren 1903/04 grub man ein neues Flussbett, das sich mit seinen leicht gekrümmten Uferlinien wie ein natürlicher Bachlauf in das Parkgelände einfügt und von mehreren Brücken mit zeitgenössischen Jugendstilornamenten an den Geländern gequert wird. Glacis

„Obwohl in den Kriegsjahren die Pflege reduziert wurde, ab Mitte der 1950er-Jahre neue Bäume gepflanzt und Wege erneuert wurden und man 1973 die Grünanlagen des Glacis teilweise umgestaltete und Radwegeverbindungen schuf, ist die gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte Gestaltung bis heute ablesbar“, so Siekmann.

In Minden werden die Anfänge der mittelalterlichen Stadtmauer auf die Zeit um 1230 datiert. Der heutige „grüne Ring“ um Mindens Kernstadt markiert den Bereich, in dem die Stadtbefestigung mit ihren Toren und Türmen, Gräben, Wällen und Bastionen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beständig verändert, erneuert und verstärkt und so den militärischen Erfordernissen einer Garnisonsstadt angepasst wurde. Vor dem Stadtwall und dem Stadtgraben erstreckte sich das Glacis, das als freies Schussfeld diente.

Die Befestigungsanlagen der Städte zu entfernen und die stadtumschließenden Festungswerke zu Parkanlagen und Promenaden umzugestalten, ist eine zeittypische Erscheinung, die in der Mitte des 18. Jahrhunderts begann und mit dem wirtschaftlichen Aufschwung sowie der Erschließung neuer Siedlungsbereiche in vielen ehemals befestigten Städte einherging. Wegen der militärstrategischen Bedeutung Mindens setzte diese Entwicklung hier etwas verzögert ein.

Julius Trip zählt zu den maßgeblichen Wegbereitern des Freiraumtyps Waldpark, dem im ausgehenden 19. Jahrhundert unter sozialreformerischen, städtebaulichen, stadtklimatischen und forstästhetischen Gesichtspunkten eine hohe Bedeutung zuerkannt wurde. Bei den Baumarten bevorzugte Trip eine Mischung aus Eiche, Rotbuche, Linde und Platane, ergänzt um Nadelgehölze wie Eibe, Weymouths- und Schwarzkiefer, damit ein im Jahresverlauf abwechslungsreiches Parkbild die Besucher erfreuen sollte. Vorbei an Arealen mit einheimischen Waldblumen sollten geschwungen geführte Wege den ästhetisch aufgewerteten Wald für die Besucher erschließen.

Bild 1: Abwechslungsreiches Parkbild im Sinne der Tripschen Gestaltungsidee – © LWL/Herden-Hubertus
Bild 2: Markante Trauerbuche im nördlichen Glacisbereich – © LWL/Siekmann