Wissenschaftler der Universität Paderborn veröffentlichen Ergebnisse in „Science Advances“

Künstliches Material erlaubt geschützte Lichtzustände auf kleinsten Längenskalen

Paderborn. Licht spielt nicht nur als Informationsträger für optische Computerchips eine Schlüsselrolle, sondern insbesondere auch für die nächste Generation von Quantencomputern. Seine verlustfreie Führung auf winzigen Chips um scharfe Ecken sowie die präzise Kontrolle der Wechselwirkung mit anderem Licht stehen weltweit im Mittelpunkt der Forschung. Wissenschaftler der Universität Paderborn haben jetzt zum ersten Mal die räumliche Beschränkung einer Lichtwelle auf einen Punkt kleiner als die Wellenlänge in einem sogenannten topologischen photonischen Kristall nachgewiesen. Das sind künstliche elektromagnetische Materialien, die eine robuste Manipulation von Licht ermöglichen. Der Zustand ist durch spezielle Eigenschaften geschützt und z. B. für die Anwendung in Quantenchips von Bedeutung. Die Ergebnisse wurden jetzt im dem renommierten Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht.

Jinlong Lu bei Messungen im Optiklabor.Foto :Universität Paderborn, Thomas Zentgraf

Jinlong Lu bei Messungen im Optiklabor.Foto :Universität Paderborn, Thomas Zentgraf

Topologische Kristalle funktionieren auf Basis gewisser Strukturen, deren Eigenschaften von Störungen und Abweichungen weitgehend unberührt bleiben. Während bei normalen photonischen Kristallen die zur Lichtmanipulation benötigten Effekte zerbrechlich sind und z. B. durch Fehler in der Materialstruktur beeinträchtigt werden können, sind sie bei topologischen photonischen Kristallen davor geschützt. Die topologischen Strukturen erlauben Eigenschaften wie die unidirektionale Lichtausbreitung und eine höhere Robustheit bei der Führung von Photonen, kleinen Lichtteilchen – Merkmale, die für künftige auf Licht basierende Technologien unverzichtbar sind.

Photonische Kristalle beeinflussen die Ausbreitung elektromagnetischer Wellen mithilfe einer optischen Bandlücke für Photonen, die die Bewegung des Lichts in bestimmte Richtungen blockiert. In der Regel kommt es dabei zur Streuung – manche Photonen werden zurückreflektiert, andere kommen vom Weg ab. „Mit topologischen Lichtzuständen, die sich über einen ausgedehnten Bereich der photonischen Kristalle erstrecken, kann man das verhindern. In normalen optischen Wellenleitern und Glasfasern ist die Rückreflexion ein großes Problem, weil sie zu unerwünschten Rückkopplungen führt. Der Verlust während der Ausbreitung behindert eine großflächige Integration in optische Chips, bei denen die Photonen für die Informationsübertragung zuständig sind. Mithilfe von topologischen photonischen Kristallen lassen sich neuartige unidirektionale Wellenleiter realisieren, die selbst bei beliebig großer Unordnung Licht ohne Rückreflexion übertragen“, erklärt Prof. Dr. Thomas Zentgraf, Leiter Arbeitsgruppe „Ultraschnelle Nanophotonik“ an der Universität Paderborn. Das Konzept, das aus der Festkörperphysik stammt, hat bereits zu zahlreichen Anwendungen geführt, darunter robuste Lichtübertragung, topologische Verzögerungsleitungen, topologische Laser und Quanteninterferenz. „Kürzlich wurde zudem gezeigt, dass topologische photonische Kristalle, die auf einer schwachen Topologie mit einer Kristallversetzung in der periodischen Struktur basieren, diese besonderen Eigenschaften ebenfalls zeigen und darüber hinaus sogenannte topologisch-geschützte stark räumlich lokalisierte Lichtzustände unterstützen. Wenn etwas topologisch geschützt ist, haben Änderungen der Parameter keinen Einfluss auf die geschützten Eigenschaften. Lokalisierte Lichtzustände sind für die nichtlineare Verstärkung, die Miniaturisierung photonischer Bauelemente und die Integration von photonischen Quantenchips von großem Nutzen“, so Zentgraf weiter. Schwache topologische Zustände sind dabei spezielle Zustände für das Licht, die sich nicht nur aus der topologischen Bandstruktur, sondern auch aus der Anordnung der Kristallstruktur ergeben.

In einem gemeinsamen Experiment haben Forscher der Universität Paderborn und der RWTH Aachen ein spezielles optisches Nahfeldmikroskop verwendet, um die Existenz solcher stark lokalisierten Lichtzustände in topologischen Strukturen nachzuweisen. „Wir haben gezeigt, dass durch die Vielseitigkeit der schwachen Topologie ein stark räumlich begrenztes optisches Feld in einer absichtlich herbeigeführten strukturellen Versetzung realisiert werden kann“, erklärt Jinlong Lu, Doktorand in der Gruppe von Zentgraf und Erstautor der Arbeit. „Unsere Studie zeigt eine praktikable Strategie für den Zugang zu einem topologisch geschützten, lokalisierten nulldimensionalen Zustand für Licht“, ergänzt Zentgraf. Mit ihrer Arbeit haben die Forscher belegt, dass die Nahfeldmikroskopie ein wertvolles Werkzeug für die Charakterisierung topologischer Strukturen mit nanoskaliger Auflösung bei optischen Frequenzen ist.

Die Ergebnisse schaffen eine Grundlage für die Anwendung von stark lokalisierten optischen Lichtzuständen, die auf schwacher Topologie basieren. So könnten für die im Experiment verwendeten Nanostrukturen auch Phasenwechselmaterialien mit einstellbarem Brechungsindex verwendet werden, um robuste und aktive topologische photonische Elemente zu realisieren. „Wir arbeiten nun an Konzepten, die Versetzungszentren in der Kristallstruktur mit speziellen Quantenemittern zur Einzelphotonenerzeugung auszustatten“, sagt Zentgraf und fügt hinzu: „Damit könnten sie Anwendung in zukünftigen optischen Quantencomputern finden, bei denen die Erzeugung von Einzelphotonen eine wichtige Rolle spielt“.

Zum Paper: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abl3903

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