Kommunen wieder im Plus, aber kein Abbau der Kassenkredite in Nordrhein-Westfalen

 
Gütersloh. Im vergangenen Jahr ist den Kommunen Nordrhein-Westfalens (NRW) in Summe erstmals seit 2008 wieder ein echter Haushaltsüberschuss gelungen. Vorher waren Defizite in Höhe von rund 7,5 Milliarden Euro angefallen. Dies zeigt der Kommunale Finanzreport 2017 der Bertelsmann Stiftung. Allerdings fiel das Plus mit 36 Euro je Einwohner vergleichsweise gering aus. In Bayern erreichten die Kommunen pro Einwohner das Vierfache. Die Finanzlage der Kommunen in Nordrhein-Westfalen ist somit weiterhin labil. Bedingt durch die anhaltend gute Konjunktur sind zwar die Einnahmen 2016 um über neun Prozent gestiegen. Gleichzeitig sind aber auch die Ausgaben mit sieben Prozent um fast den gleichen Wert gewachsen. Vor allem die in NRW ohnehin hohen Sozialausgaben steigen nach wie vor ungebremst (acht Prozent).
 
BST/Gebäude 2007 R8P3268(1) kleinNRW bleibt weiterhin bei Investitionen und Steuereinnahmen zurück
Positiv ist festzustellen, dass die Investitionen im vergangenen Jahr gestiegen sind. Sie liegen aber weiterhin unter dem bundesweiten Durchschnitt. Die bayerischen Kommunen als Spitzenreiter konnten in den Jahren 2015 und 2016 doppelt so hohe Investitionen pro Einwohner tätigen. „Die Unterschiede in Infrastruktur und Standortqualität als Voraussetzung für Wirtschaftswachstum werden größer“, sagt Kirsten Witte, Kommunalexpertin der Bertelsmann Stiftung. In der Summe der Jahre 2015 und 2016 waren die Sozialausgaben in NRW hingegen drei Mal höher als die Investitionen.
 
Die Steuereinnahmen der nordrhein-westfälischen Kommunen sind im vergangenen Jahr gestiegen. Allerdings erreichen sie nicht mehr den westdeutschen Durchschnitt. „Im langfristigen Vergleich fällt NRW bei Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen zurück“, sagt René Geißler, Finanzexperte der Bertelsmann Stiftung und Mitautor des Kommunalen Finanzreports. Dies gilt jedoch nicht flächendeckend. Stattdessen entwickeln sich die Regionen auseinander. Pro Einwohner erreicht Düsseldorf die dreifachen Steuereinnahmen im Vergleich zu Herne. Auch im ländlichen Raum bestehen solche Unterschiede, so zum Beispiel zwischen dem wirtschaftsstarken Kreis Gütersloh und dem schrumpfenden Kreis Höxter.
 
Kassenkredite stagnieren auf hohem Niveau
Die finanziellen Probleme vieler Kommunen in Nordrhein-Westfalen lassen sich an der Höhe ihrer Kassenkrediten festmachen. Kassenkredite sind gewissermaßen der Dispo-Kredit der Kommunen und wichtigster Krisenindikator der kommunalen Finanzlage. Die Hälfte des bundesweiten Volumens entfällt allein auf NRW. Lediglich der Kreis Gütersloh war 2015 frei von Kassenkrediten. „Die Stadt Essen führt demgegenüber mit über zwei Milliarden Euro mehr als doppelt so hohe Kassenkredite wie alle Kommunen in Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen zusammen“, erklärt Geißler.
 
Im Jahr 2012 legte die Landesregierung den Stärkungspakt Stadtfinanzen auf, um 57 hochverschuldeten Städten gegen harte Auflagen besondere Hilfen zukommen zu lassen. „Der Stärkungspakt wirkt, kann das Problem der Altlasten aus Kassenkrediten aber nicht lösen“, so Kommunalexpertin Witte. Im Zuge des Stärkungspaktes haben viele Städte ihre Steuersätze erhöht. NRW liegt im bundesweiten Vergleich seit vielen Jahren sowohl bei der Grund- als auch der Gewerbesteuer mit Abstand vorn. In der Folge leidet die Standortattraktivität. Der Haushaltseffekt ist aber begrenzt, da die Höhe der Einnahmen eher aus der Wirtschaftsstruktur denn aus den Steuersätzen resultiert.
 
Den schwachen Kommunen Nordrhein-Westfalens gelingt selbst im aktuellen positiven wirtschaftlichen Umfeld keine wirkliche finanzielle Trendwende. Land und Kommunen müssen daher ihre gemeinsamen Anstrengungen erhöhen: konsequente Umsetzung des Stärkungspaktes, effektive Kommunalaufsicht, vollständige Weiterleitung der Bundesmittel und Zurückhaltung bei der Übertragung neuer Aufgaben. „Angesichts der guten Konjunktur und minimalen Zinsen ist die Gelegenheit gekommen, über eine große und nachhaltige Lösung der Kassenkredite nachzudenken“, fordert Kommunalexpertin Witte. Denn Kassenkredite sind für die Kommunen ein Risiko: Ein Anstieg der Leitzinsen könnte alle Sanierungserfolge zunichtemachen.