Das Gesicht der Stadt entscheidend mitgeprägt

Rainer Venhaus, Wirtschaftsförderer und Leiter des Fachbereichs Immobilienmanagement, nimmt nach fast 48 Dienstjahren Abschied von der Stadtverwaltung.

Gütersloh. „Privilegierter Amtsleiter“ steht in antik anmutender Schnörkelschrift auf dem kleinen ovalen Schild, das an der Wand hinter dem Schreibtisch hängt. Rainer Venhaus lacht. „Das hab‘ ich mal in Österreich in einem Trödelladen entdeckt. Herrlich, oder?!“ Diese Eigenschaft, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, gepaart damit, stets zuvorkommend, freundlich und ansprechbar zu sein, das schätzen viele am Menschen Rainer Venhaus. Und das bekommt der 64-Jährige in diesen Tagen zahlreich gespiegelt. Denn nach fast 48 Jahren im Dienst der Stadt Gütersloh hat er am heutigen Freitag (5. Februar) seinen letzten Arbeitstag als Wirtschaftsförderer und Leiter des Fachbereichs Immobilienmanagement. Dabei war der Liegenschaftsexperte, der die Stadt wie seine Westentasche kennt und großen Anteil an ihrer Entwicklung zur heutigen Großstadt hat, als Jugendlicher auf dem Weg zum Profifußballer.

Er kloppt und läuft in der zweithöchsten Fußball-Liga

Kaiserlich und königlich ist hier nur das Schild. Rainer Venhaus entdeckte es vor Jahren in einem österreichischen Antikgeschäft und hängte es in seinem Büro auf.Foto:Stadt Gütersloh

Kaiserlich und königlich ist hier nur das Schild. Rainer Venhaus entdeckte es vor Jahren in einem österreichischen Antikgeschäft und hängte es in seinem Büro auf.Foto:Stadt Gütersloh

Bei der Sportvereinigung Arminia (SVA) Gütersloh „kloppte und lief“ der jugendliche Venhaus, wie er seinen Stil als Fußballer beschreibt, in der Regionalliga West, damals zweithöchste Liga. Mit viel Talent und Begeisterung, „aber irgendwann wurde mir klar, dass ich nicht auf Dauer vom Fußball würde leben können“. Ermuntert durch Manfred Hahne, Pressewart des SVA und im Hauptamt der Stadt Gütersloh beschäftigt, bewarb sich der 17-Jährige um eine Ausbildung bei der Stadtverwaltung. Am 1. August 1973 tippte er im erst zwei Jahre zuvor erbauten Rathaus seine ersten Zeilen auf einer Schreibmaschine, einer dunkelgrauen Triumph Matura.

Dass er Platt spricht, öffnet Türen

Früh wurde man im Liegenschaftsamt auf den jungen Venhaus aufmerksam. Der – auf einem Hof in Avenwedde groß geworden – brachte nämlich einen Bonus mit: Er sprach Platt. Und das war zu Zeiten, in denen Grundstücksverhandlungen überwiegend mit Landwirten geführt wurden, ein nicht zu unterschätzender Türöffner. Venhaus gefiel die abwechslungs- und kontaktreiche Arbeit von Anfang an: „Ich wollte nie nur am Schreibtisch sitzen, sondern immer auch raus und mit den Menschen vor Ort zu tun haben.“

Sonntags um 20 Uhr hat der Bauer für ihn Zeit

Und so ist es all die Jahre geblieben. Über FH-Studium und Verwaltungsakademie arbeitete er sich bis in den gehobenen Dienst und über verschiedene Positionen zum Leiter des Liegenschaftsamts und Wirtschaftsförderer voran. Dass Gütersloh kontinuierlich wuchs, daran hat Rainer Venhaus entscheidend mitgewirkt. „Die 70er bis 90er waren die tollsten Jahre, da war viel Dynamik drin“, sagt er rückblickend. „Damals haben wir entscheidende Flächen gekauft und konnten in der Folge viel in der Stadt entwickeln, Wohngebiete, Straßen, Schulen, Naturräume.“ Wohnen rund um das Elisabeth-Hospital, Bertelsmann, Verler Straße, Gewerbegebiete entlang der B 61, Schulstandorte sind nur einige Stichworte. „Wenn ich heute durch die Stadt fahre, sehe ich vieles, an dem ich mitgewirkt habe. Das ist ein sehr schönes Gefühl, das Ergebnis seiner Arbeit zu sehen.“ Manchmal drehten sich zähe Verhandlungen um einen einzigen Quadratmeter Fläche. Für Venhaus reizvoll: „Das hat richtig Spaß gemacht.“ Nicht mal, dass mancher Bauer seine damals gute Verhandlungsposition für kleine Schikane ausnutzte, verdarb ihm die Lust am Job: „Einer war grundsätzlich nur sonntags um 20 Uhr zu einem Besuchstermin für mich bereit. Und mehr als einmal fuhr ich dann zum Hof, nur um an der Tür gesagt zu bekommen, dass es jetzt gerade doch nicht passt“, erzählt Venhaus schmunzelnd.

„Vertrauen muss man sich erarbeiten“

Eins sei für ihn von Anfang an klar gewesen: „Vertrauen bekommt man nicht geschenkt, das muss man sich erarbeiten.“ Das gelte auch für den Bereich Wirtschaftsförderung, den er mit der Leitung des Liegenschaftsamts 2005 zusätzlich übernahm. „Ich habe mich als Wirtschaftsförderer immer in einer Lotsenfunktion gesehen“, betont Venhaus und erklärt, wieso: „Wenn mich ein Unternehmer mit einer Frage anruft, kann ich das Problem meist nicht selbst lösen, ich weiß aber, welcher Fachbereich und welche Kollegen hier im Rathaus zuständig sind. Und wenn Dinge nun einmal nicht umsetzbar waren, dann habe ich erklärt, warum.“ Das schuf Vertrauen.

Drei Leitungsstellen in einem Fachbereich zusammengeführt

Seine erklärte und tatsächlich praktizierte Maxime „Meine Tür steht immer offen“ galt nicht nur für Externe, sondern vor allem auch für die Kolleginnen und Kollegen im Rathaus. Zu Spitzenzeiten – nach der Zusammenführung von Liegenschaftsamt, Wirtschaftsförderung und Hochbauamt zu einem großen Fachbereich im Jahr 2010 – war Rainer Venhaus Vorgesetzter von 88 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Mit ihnen habe ich die ganze Zeit viel Glück gehabt“, betont er. „Ohne deine Mitarbeiter bist du nichts.“ In dem umfangreichen Fachbereich braucht es Fachleute für vielfältige Zuständigkeiten – Verwaltung der städtischen Immobilien, Wohnbaulandmanagement, Gewerbeflächenentwicklung, neue Bauvorhaben, Förderung der heimischen Wirtschaft, Unterstützung der Stadtentwicklung durch den Erwerb von Flächen, um nur einige zu nennen.

Sport, Kochen, Reisen – „Ich freue mich aufs Rentnerdasein“

Auf den Ruhestand, den er offiziell Ende Mai, kurz nach seinem 65. Geburtstag, antritt, hat Rainer Venhaus sich gedanklich lange vorher eingestellt, um nicht von heute auf morgen nach fast fünf Jahrzehnten voller durchgetakteter Arbeitstage in ein Loch zu fallen. An Hobbys fehlt es dem geselligen und aktiven 64-Jährigen wahrlich nicht – zuvorderst Sport (immer mit anderen zusammen) und Reisen. Er spielt Badminton und Golf, liebt die Oper, fährt viel Fahrrad, kocht leidenschaftlich gern, hat auf Reisen schon die halbe Welt gesehen und trotzdem noch viele Ziele. Das private Glück mit Ehefrau Vera komplettieren seit Kurzem zwei süße Enkelinnen, Mila (1,5 Jahre) und Sofia (ein Jahr). „Ich habe all die Jahre sehr gern gearbeitet“, hebt Rainer Venhaus hervor. „Aber jetzt freue ich mich auch aufs Rentnerdasein.“ Die inzwischen mehr als ein halbes Jahrhundert alte Triumph Matura stand übrigens bis zuletzt in seinem Büro – als Deko-Objekt. Zusammen mit dem kaiserlich-und-königlichen Amtsleiter-Schild bekommt sie ein Ehrenplätzchen bei Venhaus zuhause.

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