Fachtagung der Digitalisierung „Für Prävention zu klein?“

Minden. Digitalisierte Kindheit war das Thema des diesjährigen Fachtags „Für Prävention zu klein? Gesund aufwachsen im Mühlenkreis“. Dazu eingeladen haben die Mitarbeiterinnen der Fachdienste Frühen Hilfen in den Jugendämtern Bad Oeynhausen, Minden, Kreis Minden-Lübbecke und Porta Westfalica in Kooperation mit dem Kinder- und Jugendgesundheitsdienst des Gesundheitsamtes.

Fachtag „Für Prävention zu klein? Gesund aufwachsen im Mühlenkreis“ (Bild: Stadt Minden).

Fachtag „Für Prävention zu klein? Gesund aufwachsen im Mühlenkreis“ (Bild: Stadt Minden).

„Die Digitalisierung ist längst im frühkindlichen Bereich angekommen, also müssen wir uns fragen, wie wir diese Medien sinnvoll in den Alltag von Familien integrieren“, sagte Landrat Dr. Ralf Niermann zu den rund 140 Teilnehmer*innen in der Akademie für Gesundheitsberufe der Mühlenkreiskliniken. Kinder kommen viel früher direkt oder indirekt mit digitalen Medien in Kontakt. „Das Thema ist ein Volltreffer“, machte auch Peter Kienzle, Erster Beigeordneter der Stadt Minden, in seiner Begrüßung deutlich. Dass Digitale Medien kein Neuland sind, zeigten die Kids von der AWO Kita in Porta Westfalica – Neesen mit drei Tänzen zu Beginn der Veranstaltung. Gemeinsam mit ihren drei Erzieherinnen hatten sie sich kreativ mit dem Thema auseinandergesetzt und zeigten, dass auch Lieder, Kostümierungen und das Nachspielen von Figuren mit der Zeit gehen.

Fragen danach, ob und wie die Entwicklung junger Kinder durch digitale Medien beeinflusst wird oder was Eltern und Fachkräfte tun können, gingen Referentinnen und Referenten in unterschiedlichen Vorträgen nach. Verena Gonsch sprach darüber wie es gelingen kann, dass Kinder medienkompetent werden. Im Umgang mit dem Tablet oder dem Smartphone lernen Mädchen und Jungen Kompetenzen, die sie im späteren Berufsleben einsetzen können.

Daran, dass es nur einen sehr geringen Prozentsatz an weiblichen Nachwuchskräften im Bereich Informationstechnik und Digitales gibt, zeigt sich auch der Umgang mit diesem wichtigen Thema in Deutschland, so die Referentin. Nach der Pisa-Studie Anfang der 2000er Jahre hat die Bundesrepublik die Technik-Förderung aus dem Auge verloren. „Es wurde einfach mehr Geld in das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen gesteckt.“ Beim Feld Künstliche Intelligenz (KI) haben die USA und Japan Deutschland weit überholt. Einzig bei der Herstellung von Industrierobotern sei Deutschland vorne, so Gonsch. Eltern empfahl die Autorin gemeinsam mit ihren Kindern digitale Medien zu entdecken und dazu mit ihnen im Austausch zu bleiben. „Unsere Kinder können das einfach besser. Lassen sie es sich von ihnen zeigen und spielen sie selbst.“ Eltern müssen sich in diese Welt hinein denken, denn Digitale Medien spielen zukünftig eine große Rolle für das Berufsleben.

Mit der Förderung der frühkindlichen Entwicklung setzte sich Armin Pampel, Ärztlicher Leiter des Sozialpädiatrischen Zentrum am Johannes Wesling Klinikum Minden, auseinander. Er beantwortete die Frage „Sind die neuen Medien ein Fortschritt?“ mit Ergebnissen unterschiedlicher wissenschaftlicher Studien. Sie bescheinigen eher negative Effekte. So könnten laut BLIKK-Studie 2017 65 Prozent der Kinder sich nicht länger als zwei Stunden ohne digitale Medien beschäftigen. „Nutzen die Eltern während des Stillens oder Fütterns ihr Smartphone, kann es bei Kleinkindern im Alter von bis zu einem Jahr, zu Fütter- und Einschlafstörungen kommen“, so Pampel. Die DIVSI-Studie von 2015 macht deutlich, dass bereits 15 Prozent der Dreijährigen online sind und Kleinkinder bereits in der Lage sind Suchmaschinen zu benutzen. Der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie machte deutlich, dass die Nutzung von Bildschirmmedien in jedem Fall begleitet werden muss und die Bildschirmzeit begrenzt werden sollte.

„Werden sie zu Medienforschern in der eigenen Familie“, lud Susanne Johanning, Pädagogische Leitung der Medienwerkstatt Minden-Lübbecke e.V. in ihrem Vortrag ein. „Und stellen sie sich immer die Frage: „Wer nutzt wann und warum welche Medien“, ergänzte sie. Die Fachfrau für Medien betonte, dass ein kompetenter und sensibler Umgang mit dem Thema wichtig ist. Die Bildungsangebote der Medienwerkstatt ermöglichen Eltern und Pädagogen hier sich viele wertvolle Kompetenzen aneignen zu können. Benjamin Wockenfuß beschäftigte sich anschließend damit, wie eine „Digitale Balance“ im Leben entstehen kann. Er betonte, dass Medienkompetenz nicht mit Gerätekompetenz verwechselt werden sollte. Trotz all der „Digitalen Medien“ sei es für Kinder wichtig auch bei ihrem Körper zu sein und ganzheitliche Erfahrungen in der analogen Welt zu machen. Das zeigt auch der praxisbezogene Ansatz des von ihm gegründeten Projektes DigiKids. Dem Social Media Manager und Suchtherapeuten ist es wichtig, dass Kinder dazu befähigt werden, sich in digitalen Lebensräumen souverän zu bewegen, anstatt von ihnen beherrscht zu werden. Zum Schluss des ausgebuchten Fachtages waren sich alle einig: Eltern brauchen Handlungssicherheit, denn medienkompetente Kinder brauchen medienkompetente Eltern.

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