2 Millionen Jahre Migration

Neue Sonderausstellung in Museum und Park Kalkriese

Bramsche-Kalkriese. Während der Corona-Schließung des Museums wurde die Sonderausstellung „2 Millionen Jahre Migration“ am 24. April virtuell eröffnet – auf  Facebook, Instagram und Youtube. Mit der Wiedereröffnung von Museum und Park Kalkriese ist die Ausstellung nun auch für die BesucherInnen unmittelbar vor Ort zugänglich. Inzwischen haben alle Objekte, die in der Schau gezeigt werden, den Weg nach Kalkriese gefunden. Die Corona-Pandemie hatte auch den musealen Leihverkehr zum Erliegen gebracht. „Wir freuen uns sehr, dass die Ausstellung nun endlich komplett ist“, freut sich Museumspark-Geschäftsführer Dr. Stefan Burmeister.

(Foto: Hermann Pentermann)

(Foto: Hermann Pentermann)

Bis zum 25. Oktober richtet die Sonderausstellung den Blick in die früheste menschliche Entwicklungsgeschichte. Sie zeigt, dass Mobilität und Migration selbstverständliche Bestandteile des Menschseins und kein modernes Phänomen sind. Menschen waren zu allen Zeiten mobil. Auf der Suche nach Nahrung, Wasser und anderen Ressourcen haben sie sich stets sowohl kleinräumig bewegt als auch andere Regionen und Kontinente besiedelt. „Migration ist ein Thema, das uns alle angeht – vor Corona, während Corona und auch danach. Migration ist ein Menschheitsthema, denn Menschen waren, sind und werden immerin Bewegung sein. Sei es aus Entdeckerlust, Neugier oder als Teil einer Lebens- und Überlebensstrategie – das wollen wir mit der Ausstellung zeigen“, so Burmeister weiter.

(Foto: Hermann Pentermann)

(Foto: Hermann Pentermann)

Schon beim ersten Schritt in den Ausstellungsraum wird die allumfassende Wirkung der Migration über 2 Millionen Jahre sichtbar. Wie ein Netz überspannt ein Geflecht aus roten Fäden die Ausstellung und versinnbildlicht die Wege der Menschheit und die Dynamik der Migration. Von den Fäden hängen hunderte kleine Zettel, beschrieben mit Migrationsereignissen aus vergangenen Zeiten. Verschiedene Themeninseln lassen die BesucherInnen eintauchen in bewegte Epochen und folgen den ältesten Spuren des Menschen und seinen ersten Begegnungen, weiter in das mediterrane Rom der Antike, die Völkerwanderungszeit und schließlich in das Osnabrücker Land zur Zeit der großen Amerika-Auswanderung. Ein narrativer Spannungsbogen führt durch 2 Millionen Jahre Migrationsgeschichte und lädt ein zu ergründen, welche Ursachen, Mechanismen und Auswirkungen bis in die heutige Zeit die Menschheit in Bewegung halten.

Die ersten vier großen Themenwürfel zeigen unsere unterschiedlichen Wurzeln aus Afrika und Westasien. Menschen sind in Afrika entstanden. Vertreter des Homo erectus und später anatomisch moderne Menschen kamen aus Afrika nach Asien und Europa und haben sich von dort ausgebreitet. Vor erst 7500 Jahren wanderten Ackerbauern und Viehzüchter aus der heutigen Türkei nach Europa ein. Sie vermischten sich mit der hier ansässigen Bevölkerung. Vor 4500 Jahren wanderten Menschen aus den östlichen Steppen Richtung Westen und es kam erneut zu einer Vermischung und zum Kulturaustausch.

(Foto: Hermann Pentermann)

(Foto: Hermann Pentermann)

Im zweiten Ausstellungsteil, der von Museum und Park Kalkriese neu konzipiert wurde, öffnet sich ein Fenster in die Migrationsgeschichte der vergangenen 2000 Jahre. Schlaglichtartig beleuchtet eine Themeninsel die Besonderheiten und sozialen Folgen der Migration im Römischen Reich. Der Ausstellungsbereich zur Völkerwanderungszeit, die sich an den Kollaps des Römischen Reichs anschließt, verdeutlicht den BesucherInnen eine Zeit des Umbruchs, die viele Menschen in Bewegung gesetzt hat. Hinzu kommt die slawische Einwanderung in die nach der Völkerwanderungszeit menschenleeren Gebiete. Diese Einwanderung prägt die Geschichte und Kultur von Osteuropa bis Ostdeutschland vom frühen Mittelalter bis heute. Daran anschließend widmet sich eine weitere Insel der Ostbesiedlung ab dem 12. Jahrhundert und richtet das Augenmerk auf die gesellschaftlichen Veränderungen, die Migration in der frühdeutschen Geschichte mit sich gebracht hat.

(Foto: Hermann Pentermann)

(Foto: Hermann Pentermann)

Mit dem Abschluss der Ausstellung geht es in die jüngere Migrationsgeschichte des Osnabrücker Landes: die Amerikaauswanderung im 18. und 19. Jahrhundert. Hier machen Briefe und Geschichten von Auswanderern aus Osnabrück und Venne die große Auswanderungswelle ab dem 19. Jahrhundert anschaulich erfahrbar. Zusätzlich zeigen Museum und Park Kalkriese die Fotoausstellung „Faces of Migration“ aus dem Kulturhistorischen Museum Osnabrück.
Eingerahmt werden die Themen von archäologischen Funden. Besonderes Highlight ist eine aufwändig rekonstruierte Kline, ein sogenanntes Totenbett, aus dem Römermuseum Haltern am See. Klinen gehören zu den anspruchsvollen Arbeiten römischer Handwerker. Nicht nur als Ruhe- und Speisesofa fanden diese Liegen in antiker Zeit Verwendung, sie dienten auch den Besitzern im Tode zur Aufbahrung. Bei Ausgrabungen in den römischen Gräberfeldern von Haltern am See fanden Archäologen tausende von kunstvoll geschnitzten Knochenstücken, die einst die Totenbetten schmückten.

(Foto: Hermann Pentermann)

(Foto: Hermann Pentermann)

Unter der Leitung von Restauratoren des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) konnte einer dieser Klinen mit modernsten Mitteln rekonstruiert werden. Ein Turmschädel aus dem Landesmuseum Braunschweig ist ein weiteres Indiz für den durch Migration entstandenen Kulturaustausch. Durch das Bandagieren des Kopfes ab dem Säuglingsalter verformt sich der Kopf in die Höhe. Entstanden ist dieser Brauch im 1. Jahrhundert in Zentralasien und gelangte im 5. Jahrhundert mit den Hunnen nach Europa. In vielen Gräbern von beispielweise Alamannen, Burgunden und Goten aus dieser Zeit finden sich Nachweise von Turmschädeln. Auch zu sehen sind Stein- und Knochenwerkzeuge aus der Steinzeit, Keramik und viele weitere archäologische Fundstücke, an denen Migration sichtbar wird.

Führungen für Groß und Klein, Mitmachprogramme, Vorträge und Ferienaktionen werden derzeit entwickelt. „Im Moment dürfen wir noch keine Führungen in der Ausstellung anbieten. Aber wir arbeiten an neuen Formaten und Angeboten, die auch in Zeiten von Corona funktionieren“, so Museumsleiterin Dr. Heidrun Derks. Die Wanderausstellung ist im Neanderthal Museum Mettmann entstanden und wurde in Kalkriese erweitert. Vor Ort hat die Ausstellung Museumsleiterin Dr. Heidrun Derks kuratiert. Für die Grafik der Kalkrieser Themeninseln und das Titelmotiv zeichnet sich Gabriele Dlubatz verantwortlich. Die Sonderausstellung „2 Millionen Jahre Migration“ wird gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und den Landschaftsverband Osnabrücker Land.