„OWL 5 – Spurensuche“

Herford. Mit der Ausstellung „OWL5 – Spurensuche“ präsentiert Marta Herford bereits zum fünften Mal das Werk von Künstler*innen mit biografischem Bezug zu Ostwestfalen-Lippe (OWL). Rund 70 Werke aus den Bereichen Fotografie, Malerei, Zeichnung, Skulptur, Installation und Video verdeutlichen das hohe künstlerische Potenzial der Region. Mit dem Thema der „Spurensuche“ widmen sich diese Künstler*innen Herkunfts- und Zufluchtsorten, Sehnsuchtsstationen oder den lediglich in der Phantasie bestehenden Räumen.

„Ein ‚Künstler der Region‘ ist ja immer beides: Eine Eintrittskarte und ein Stigma. Gerne widmet sich ein Museum seiner lokalen Verwurzelung, zugleich aber möchte man als Künst-ler*in lieber wegen des Werks als wegen des Heimatbezugs gewürdigt werden. Doch wo endet die Region, wo beginnt ‚die Welt‘?“ (Roland Nachtigäller)

„OWL 5 – Spurensuche“ im Marta Herford. Foto: Marta Herford

Menschen, aber auch Dinge hinterlassen an Orten Spuren, die als unterschwellige Relikte der Zeit und bewusste Markierungen Geschichten von Identität, dem Vertrauten und Fremden erzählen können. Die Ausstellung „OWL5 – Spurensuche“ rückt die Werke regional verwurzel-ter, aber dennoch weit über diese Grenzen hinaus agierender Künstler*innen in den Mittel-punkt, die sich auf höchst unterschiedliche Weise den großen Themen wie Heimat, Identität, Grenzen und Erinnerung nähern. Dabei sind facettenreiche Werkbeiträge entstanden, die geprägt sind von realen und fiktiven Erzählungen.

Zwischen Sprache, Schrift und Zeichen bewegt sich das künstlerische Werk von Claude Horstmann (*1960 in Minden). Von Spuren und gefundenen Textfragmenten im öffentlichen Raum inspiriert, überträgt sie dieses anonyme Material als ganz persönliche Codes in ihre Werke. In einer für Marta Herford eigens umgesetzten Wandzeichnung spielt die Künstlerin mit Leerstellen und macht Überbleibsel sichtbar, die sich in die Wand eingeschrieben haben.

Mit seinen analogen Fotografien gewährt Karsten Kronas (*1978 in Wiesbaden, lebt in Bielefeld) den Betrachter*innen einen Blick auf die sichtbaren und unsichtbaren Zusammenhänge der Welt. Seine Momentaufnahmen sind geprägt von Menschen und urbanen Strukturen, implizie-ren aber oft auch einen zarten Bruch mit der Realität. In seiner Reihe „Eternal Error“ (2017 fortlaufend) experimentiert er mit den Belichtungs- oder Entwicklungsfehlern, die auf seinen eigenen Fotos entstanden sind. Daraus produziert er große, kreisförmige Details, die in ihrer farbgewaltigen Abstraktheit erst auf den zweiten Blick die Strukturen der einstigen Fotomotive erkennen lassen. Mit einer an dieser Fotoserie angelehnten Plakataktion in der Herforder Innenstadt verlagert er den künstlerischen Prozess in zumeist versteckte Winkel des urbanen Raums.

Das geerbte Fotoarchiv ihrer Großeltern ist der Ausgangpunkt der Fotoserie „ULLA & WILLI“ (1968 – 2016) von Lucie Marsmann (*1982 in Wuppertal, lebt in Bielefeld). Die zwischen 1974 und 1988 entstandenen Fotos präsentieren immer gleiche Orte, die die beiden während ihrer Urlaube in Südtirol bereist haben. Eingebettet in das Panorama italienischer Ortschaften zeigen die Aufnahmen die Großeltern oftmals in gleichen Posen und erzählen dabei von anrührender Liebe und Alltagsflucht. Die Enkelin reiste selbst nach Südtirol und hielt in ihren Aufnahmen die Orte der Reisen wie eine Spurensuche fest. Durch die Ablichtung von Gegenständen, die sie mit ihren Großeltern verbindet, werden diese zu abstrakten Erinnerungsträgern und verweisen auf ihre persönliche Beziehung.

Im Video „Face Detection“ (2018) von Johanna Reich (*1977 in Minden, lebt in Köln) scheinen die Grenzen zwischen Realität und Abbild zu verschwimmen: Vor der Kamera eines Smartphones formen zwei Hände einen Tonklumpen zu einem Gesicht. Nach wenigen Sekunden des Formens erkennt die eingebaute digitale Gesichtserkennung die braune Tonmasse tatsächlich als etwas Menschliches an. Wann wird man im Prozess der Formgebung zum Menschen? Ist man bereits ein Mensch, wenn dies von einer Maschine anerkannt wird? Innerhalb dieses schöpferischen Momentes stellen sich hier Fragen nach Identität, Manipulation und Transformation. Diese Themen spielen auch in ihren auf Ölgemälde projizierten Videos eine wichtige Rolle. Analoges und digitales Bild verschmelzen zu einer Komposition.

Welche Spuren bleiben, wenn ein ganzes Heimatland verschwindet? Mit seiner Graphic Novel „Freedom Hospital“ (2016) erzählt Hamid Sulaiman (*1986 in Damaskus, lebt in Berlin) die fiktive Geschichte eines Krankenhauses in einer Provinzstadt in Syrien. Im Mittelpunkt steht die Protagonistin Yasmin, die ein illegales Lazarett betreut und in ihrem Alltag von Krieg, Flucht und ständiger Angst vor der Entdeckung durch die Regierungstruppen begleitet wird. Mit „Freedom Hospital“ stellt der Künstler die Tradition des Comics den Gräueltaten des Kriegs gegenüber: Hamid Sulaiman, der als Geflüchteter aus Syrien in Bielefeld Station machte, verarbeitet in seinen scherenschnittartigen Zeichnungen die Aufnahmen von IS-Propaganda-Videos als auch seine autobiografischen Erlebnisse.

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