Offkinoprogramm im Oktober

Bielefeld. Das Offkino in Bielefeld zeigt im Oktober viele spannende Filme. Hier sehen Sie auch welche:

Freitag, 06.10., 20:30 Uhr

Willkommen Mr. Chance

OT: Being There // USA 1979 // 125 Min. / 35mm / DF // Regie: Hal Ashby // Mit Peter Sellers, Shirley MacLaine, Melvyn Douglas, Jack Warden u.a.

Ich kann nicht schreiben. Ich kann nicht lesen. Ich mag es Fernsehen zu schauen.“ Alles was er über die Welt weiß, weiß er aus dem Fernsehen. Nie hat Mr. Chance das Grundstück in Washington D.C. verlassen, auf dem er Zeit seines Lebens für einen wohlhabenden Mann als Gärtner gearbeitet hat. Nun, nach dem Tod des Mannes und der Auflösung des Hauses, steht Mr. Chance auf der Straße und ist überfordert von der Welt um sich herum. Durch ein Namensmissverständnis gelangt Chance, der Gärtner, als angeblicher Ökonom Chauncey Gärtner in die Oberschicht von Washington D.C. aus Unternehmen und Politik. In seinen aufs Gärtnern bezogenen Sätzen glauben die Leute einen Ausdruck tiefer Weisheit und Metaphern auf die wirtschaftliche Lage zu erkennen. Dabei will er doch einfach nur zurück in seinen Garten.

Die 1970er Jahre stellten eine Glanzzeit für Satiren im US-amerikanischen Kino dar: zu nennen seien sonst noch „Bill McKay – Der Kandidat“ mit Robert Redford oder Sidney Lumets „Network“. Für seine Darstellung des sterbenskranken Unternehmers Ben Rand erhielt Melvyn Douglas einen Oscar als Bester Nebendarsteller und Peter Sellers war für seine Rolle, die seine vorletzte sein sollte, ebenfalls für einen Oscar nominiert, musste sich allerdings gegen Dustin Hoffman in „Kramer gegen Kramer“ geschlagen geben.

Eine tragikomische, teilweise sarkastische Satire über die Schwächen der modernen Industrie- und Finanzgesellschaft, insbesondere den unbegrenzten, abstumpfenden Konsum der allzu mächtigen Fernsehprogramme. Hervorragend gespielte Unterhaltung mit Substanz.“ Lexikon des internationalen Films

(Textverantwortlicher: JU)

 

Freitag, 13.10., 20:30 Uhr

Lautlos im Weltraum

OT: Silent Running // USA 1972 // 89 Min. / DCP / OV // Regie: Douglas Trumbull // Mit Bruce Dern, Cliff Potts, Ron Rifkin, Jesse Vint u.a.

On Earth, everywhere you go, the temperature is 75 degrees. Everything is the same; all the people are exactly the same. Now what kind of life is that?

Nach einer atomaren Katastrophe ist die Erde nahezu völlig verödet. Auf einer Umlaufbahn des verseuchten Planeten kreist der Raumfrachter „Valley Forge“, in dessen riesigen Biokuppeln Wälder und Gärten herangezüchtet werden, mit deren Hilfe die zerstörte Biosphäre wieder belebt werden soll. Eines Tages erhält die Besatzung von der Bodenstation überraschend den Befehl alle Zuchtergebnisse zu vernichten, da der Raumfrachter zu profitableren Zwecken eingesetzt werden soll. Soll die jahrelange Anstregung umsonst gewesen sein und verliert die Erde ihre wahrscheinlich letzte Chance auf eine Wiederherstellung?

Douglas Trumbull hat jahrelang mit Kubrick gearbeitet. Seine „special effects“ zu „2001: A Space Odyssey“ brachten ihm den Oscar ein. Weitere Arbeiten mit großen Erfolgen folgten. „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Star Trek: Der Film“ oder „Blade Runner“. Bruce Dern aka Freeman Lowell, unser Held im Film, ist niemand Geringeres als der Vater unserer vielseits geschätzen Laura Dern („Blue Velvet“). Joan Baez, US-amerikanische Volkssängerin und Bürgerrechtlerin, war so begeistert vom Script, dass sie einen Teil des Soundtracks schuf.

Douglas Trumbulls Regiedebüt lässt sich «als Illustration des Lebensgefühls der Jugend zu Beginn der siebziger Jahre verstehen. Die Projektion ins 21. Jahrhundert kann (…) nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein brennend aktuelles Problem artikuliert wird, nämlich die Sehnsucht nach dem natürlichen Lebensraum und der Kampf um die Erhaltung der Natur.“ Lexikon des Science-Fiction-Films, 1987

Letztes Jahr feierte der Film seinen 50ten Geburtstag. Und letztes Jahr verstarb Douglas Trumbull im Alter von 80 Jahren. Rest in Peace.

(Textverantwortlicher: JU)

 

Freitag, 20.10., 20:30 Uhr

The Garden

UK 1990 // 95 Min. / DCP / OmU // Regie: Derek Jarman // Mit Tilda Swinton, Johnny Mills, Kevin Collins, Pete Lee-Wilson u.a. // Erzähler: Michael Gough, Filmmusik: Simon Fisher-Turner

„I walk in this garden / Holding the hands of dead friends.

Old age came quickly for my frosted generation, /

Cold, cold, cold, they died so silently.“ 

Derek Jarman, „The Garden“

The Garden“ (1990) ist ein subjektiver, höchst sinnlicher Strom von Bildern, der kühn die Möglichkeiten des Kinos austestet. Der Experimentalfilm kommt ohne Dialoge aus, lyrische Erzählstimmen und ein betörender Soundtrack von Simon Fisher-Turner bestimmen die Tonspur. Derek Jarman (1942-1994) verhandelt darin nicht nur die eigene Sterblichkeit, er klagt auch wütend das repressive Klima gegen Schwule und Lesben unter der Regierung Margaret Thatchers in der Hoch-Zeit der Aids-Krise an – und hinterfragt kritisch die Rolle der katholischen Kirche in der Jahrhundert-langen Homosexuellen-Verfolgung.“ SalzgeberDerek Jarmans experimentelles Filmpoem „The Garden“ (1990) entstand ziemlich genau in der Mitte der wenig mehr als sieben Jahre, die ihm nach seiner AIDS-Diagnose im Dezember 1986 noch bleiben sollten – einer geradezu obsessiv schöpferischen Periode, wie unter anderem zahlreiche Langfilme – „The Last of England“ (1987), „War Requiem“ (1989), „Edward II“ (1991), „Wittgenstein“ (1993) und „Blue“ (1994) – sowie unzählige Musikvideos, u.a. für die Pet Shop Boys, The Mighty Lemon Drops, Patti Smith und The Smiths bezeugen. Gedreht wurde dieser Film vorwiegend an Jarmans letztem Wohnsitz, Prospect Cottage, der indigoschwarzen Fischerhütte mit markant gelben Fensterrahmen; vorne Seeblick, den Atommeiler Dungeness B im Rücken.

Der von Jarman angelegte Garten, räumlich-konkrete Kulisse und symbolisch aufgeladener Dreh- und Angelpunkt des Films, war im echten Leben Therapie, Apotheke, Kunst- und Rückzugsort. Jarman hatte ihn unwirtlichem Kiesstrand und Salzwasser abgerungen. Hier wächst bis heute Seekohl neben kalifornischem Mohn, Santolina, Fenchel und Echtem Baldrian; er ist von Bienen und Eidechsen bevölkert und von rostigen Metallskulpturen durchzogen. Kunstvoll arrangierte Findlinge zeugen außerdem von Jarmans lebenslanger Faszination für das vorchristliche Britannien und dessen Kultstätten; einer davon hatte er einen seiner frühen Kurzfilme gewidmet („Journey to Avebury“, 1971), wie bei der Mehrzahl seiner Filme und ebenso bei „The Garden“ mit Hilfe einer Super 8-Kamera.

„Why have I escaped from the garden? Because it has no fence or boundaries, so who can guess where it ends?”  „Derek Jarman’s Garden“

Im Film erscheint dieser Garten am südöstlichen Rand der britischen Insel zuallererst als Ort der Ausgrenzung, der Ohnmacht und des Martyriums. Hier wird mit Zorn und Trauer ein Abgesang auf die die hedonistische Unschuld vor AIDS angestimmt – und damit auch auf eine Zeit des Aufbruchs, als queere* Communities weltweit und mit unterschiedlichem Erfolg begonnen hatten, Respekt und Legitimität für sich zu erstreiten. Und dennoch finden sich hier stets auch utopische, ermächtigende Momente, allem voran in der Feier des Jarmanschen Gartens als kreativem, widerständigem und auch durch seine Meereslage überbordendem und entgrenztem Biotop.

(Textverantwortliche: AR)

 

Freitag, 25.10., 20:30 Uhr

Saint Omer

F 2022 // 123 Min. / DCP / OmU // Regie: Alice Diop // Mit Kayije Kagame, Guslagie Malanda, Valérie Dréville u.a.

Wir zeigen den Film in Kooperation mit dem ASTA der Universität Bielefeld, im Rahmen des „festival contre le racisme 2023“.

Weitere Infos zum Festivalprogramm

Basierend auf einem konkreten Fall, entwickelte die vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilmemacherin Alice Diop ihren ersten Langspielfilm.

Am Strand einer nordfranzösischen Kleinstadt wird die Leiche eines 15 Monate alten Babys gefunden. Die Ermittlungen ergeben, dass das Kind dort von seiner Mutter, Laurence Coly (Guslagie Malanda), ausgesetzt wurde. Dem Prozess in Saint Omer wohnt die aus Paris angereiste Professorin und Schriftstellerin Rama (Kayije Kagame) bei.

Sie möchte eine Reportage über den Prozess schreiben und identifiziert sich immer mehr mit der Angeklagten, die genau wie sie selbst, die Tochter einer in den 1960er Jahren aus dem Senegal eingewanderten Mutter ist.

Schnell verwischen die zu Beginn klaren Grenzen und Eindeutigkeiten. Wer sitzt hier wirklich auf der Anklagebank? Und wie schnell wird ein Urteil gefällt im Angesicht unvorstellbarer Taten?

Mit SAINT OMER wirft Alice Diop Fragen auf, statt Antworten zu geben, lässt uns unruhig werden, statt uns zu beschwichtigen oder lediglich zu schockieren.“ Kino-Zeit

Diops Film wurde bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet und in Frankreich als erster Film einer schwarzen Frau überhaupt für einen Oscar nominiert

(Textverantwortlicher: VV)

 

Freitag, 27.10., 20:30 Uhr

Wallers letzter Gang (Regisseur anwesend!)

D 1988 // / DCP / // Regie: Christian Wagner // Mit Rolf Illig, Herbert Kaup, Sibylle Canonica, Crescentia Dünßer u.a.

Es ist der letzte Arbeitstag für den alten, wortkargen Streckengeher Waller (Rolf Illig, als junger Waller: Herbert Knaup): die Bahnstrecke im Allgäu, an der er zeitlebens seinen Dienst getan hat, soll stillgelegt werden. Mit jedem Schritt, den er macht, verschwimmen immer mehr Gegenwart und Erinnerung: Das Aufwachsen in den 1920er Jahren, das Kennenlernen seiner großen Liebe Angelika, die Geburt seiner Tochter Rosina, Familienstreitigkeiten. Mit dem Ende seiner Arbeit scheint auch Waller seine Lebensaufgabe zu verlieren und die Natur holt sich die Bahnstrecke zurück.

Für seinen ersten Spielfilm hat Christian Wagner es geschafft, Thomas Mauch für die Kameraführung zu gewinnen. Mauch ist einer der wohl bekanntesten Kameraleute des deutschen Films und bekannt für seine Zusammenarbeit mit Werner Herzog und Edgar Reitz.

Mauch liefert traumhafte Bilder in zwei unterschiedlichen Stilen: einmal in Farbe (Gegenwart) und in schwarz-weiß (Vergangenheit). Wagner, der auch im Allgäu geboren ist, drehte den Film an mehreren Bahnstrecken, die wenige Jahre vor dem Dreh des Films stillgelegt wurden und deren Gleise kurz nach den Dreharbeiten zurückgebaut wurden.

Das Spielfilmdebüt von Christian Wagner erhielt mehrere Auszeichnungen: Eine lobende Erwähnung als bestes Regiedebüt bei den Filmfestspielen von Cannes, eine Nominierung für den Nachwuchspreis beim Europäischen Filmpreis und beim Deutschen Filmpreis die Auszeichnungen für die beste Kamera und als zweitbester Film. Darüber hinaus war Rolf Illig als bester Hauptdarsteller nominiert.

Der Regisseur wird als Gast bei der Vorstellung sein und im Anschluss noch über den Film erzählen können und für Fragen zur Verfügung stehen.

(Textverantwortlicher: JU)