„Inklusion wirklich leben“ – Autismusmesse und Fachtag Autismus OWL in der Fachhochschule Bielefeld

Bielefeld. Ein reges Treiben herrscht in der Magistrale der Fachhochschule Bielefeld. Es tummeln sich viele Menschen an zahlreichen Informationsständen, an denen auch interessante Gespräche warten – aber nur für diejenigen, die möchten.

In der Messehalle herrscht reges Treiben. Foto: ©Henrike Buschmann

In der Messehalle herrschte reges Treiben. Foto: ©Henrike Buschmann

Am Samstag, den 3.September 2022 öffnete die FH von 10 bis 17 Uhr ihre Türen für Besucher*innen der Autismusmesse und des Fachtags Autismus OWL und ermöglichte so einen umfangreichen Austausch für direkt oder indirekt Betroffene, Angehörige und Interessierte. An etwa 40 Informationsständen präsentierten sich verschiedenste Austellerinnen und Aussteller mit dem gemeinsamen Ziel, Sichtbarkeit und ganzheitliches Verständnis für Autismus zu schaffen. So stellte zum Beispiel StArk – strukturierte Arbeitskisten GbR, Lern- und Arbeitsmaterialien für Menschen mit intensivem Assistenzbedarf vor. Arminia Bielefeld informierte über die Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigung und die Autistenloge in der Schüco-Arena, die Autist*innen einen angenehmen Stadionbesuch ermöglicht. Außerdem stellten Buchhandlungen und Fachverlage, etwa der Bethel Verlag oder der Kohlhammer Verlag, ihre Fachliteratur vor.

Die Begrüßung der Besucher*innen erfolgte stellvertretend für Schirmherr Ingo Nürnberger durch Prof. Dr. Christian Huppert, Lehrender an der Fachhochschule im Bereich Sozialarbeitswissenschaft mit dem Schwerpunkt Behinderung und Inklusion, Gisela Krutwage, Leitung des Amtes für soziale Leistungen der Stadt Bielefeld und Dr. Eva Maria Schepers, Leitung des Westfälischen Instituts für Entwicklungsförderung. „Diese Messe ist etwas besonderes für Bielefeld und ganz OWL“, so Krutwage. „Autismus berührt alle Lebensbereiche und die Veranstaltungsform der Messe hilft uns dabei, die Menschen zusammen zu bringen und Inklusion wirklich zu leben.“

Eva Maria Schepers lobte in ihrer Ansprache besonders die hervorragende Organisation der Messe, an der unter anderem autismus Ostwestfalen-Lippe e.V., die Diakonische Stiftung Wittekindhof und das Westfälische Institut für Entwicklungsförderung beteiligt waren.

Für Besucher*innen bestand die Möglichkeit, sich einen roten oder grünen Punkt anzukleben. Foto: ©Henrike Buschmann

Für Besucher*innen bestand die Möglichkeit, sich einen roten oder grünen Punkt anzukleben. Foto: ©Henrike Buschmann

Ziel der Messe war es laut Christian Huppert, sowohl Barrierefreiheit und fachliche Impulse zu ermöglichen als auch einen ganzheitlichen Blick auf Autismus zu schaffen. Das zeigt sich auch im gesamten Messeaufbau, an dem die Studierenden der FH maßgeblich beteiligt waren. „Die Raumnummerierung an der FH ist unglaublich kompliziert. Deswegen haben die Studierenden ein Farbkonzept entwickelt, an dem sich Besucherinnen und Besucher einfacher orientieren können“, so Huppert. Auch auf die individuellen Bedürfnisse jedes Einzelnen wurde auf der Messe eingegangen: „Die Studierenden haben sich ein Konzept überlegt, bei dem Sie sich als Besucherinnen und Besucher entweder einen grünen Punkt oder einen roten Punkt ankleben können. Der grüne Punkt bedeutet, dass Sie für Gespräche offen sind, der rote bedeutet wiederum, dass Sie sich gerne in Ruhe umschauen und nicht angesprochen werden wollen.“

Farbige Schilder erleichtern das Zurechtfinden auf der Messe. Foto: ©Henrike Buschmann

Farbige Schilder erleichterten das Zurechtfinden auf der Messe. Foto: ©Henrike Buschmann

„Mit Autismus wird oft falsch umgegangen“

Auf die individuellen Bedürfnisse von Autist*innen, die etwa 1,5% der Bevölkerung ausmachen, machte auch Aleksander Knauerhase, freier Dozent und Referent, aufmerksam. Das Credo lautete, es sei nicht wichtig, über Autistinnen und Autisten zu forschen, sondern gemeinsam mit ihnen, um Inklusion ganzheitlich gelingen zu lassen und Diskriminierungen und Ausgrenzungen zu eliminieren. Viel zu oft kommt es laut Knauerhase, der selbst im Alter von 35 Jahren die Diagnose erhielt, nach wie vor zu einer falschen Behandlung von Autist*innen, nicht nur durch unbeabsichtigte Aussagen und Konfrontationen ihnen gegenüber im Alltag, sondern auch durch den falschen Umgang von Seiten des Hilfesystems mit der unsichtbaren Einschränkung Autismus.

„Wir denken richtig, du denkst falsch“ – Theaterstück „Die Blackbox“ zeigt Verständnisprobleme gegenüber Autist*innen

Das Theaterstück "DIe Blackbox" veranschaulichte den falschen Umgang mit Autismus. Foto: ©Henrike Buschmann

Das Theaterstück „Die Blackbox“ veranschaulichte den falschen Umgang mit Autismus. Foto: ©Henrike Buschmann

Ein weiteres Highlight am Messevormittag war das Theaterstück „Die Blackbox“, geschrieben von Matthias Brien. Es zeigte „plastisch, emotional und provokant“ das Zusammenleben von Autist Felix mit seinen Eltern und parodierte den falschen Umgang mit Autismus von Angehörigen und von Seiten des Hilfesystems. Außerdem veranschaulichte es die oftmals gegenüber Autist*innen herrschende Verständnislosigkeit. Unter dem Leitsatz „Wir denken richtig, du denkst falsch“ wurde gezeigt, dass es der falsche Weg ist, Autist*innen mit strengen Regeln und Vorschriften zu konfrontieren, da sie sich dabei, wie auch Felix, nur immer wieder in ihre eigene Blackbox zurückziehen. Auch hier lag der Fokus auf einem Miteinander von Autist*innen, dem Hilfesystem und Betroffenen, da nur so ein ganzheitlicher Umgang mit der Erkrankung geschaffen werden kann. Motiviert, das Stück auf die Bühne zu bringen, hat die drei Schauspieler, die hauptberuflich als Lehrer und Schulbegleiter arbeiten, Sichtbarkeit für den richtigen und nahhaltig guten Umgang mit Autismus zu schaffen.

Nachhaltiges und ganzheitliches Wissen vermitteln

Abgerundet wurde der Messenachmittag neben verschiedenen Speisemöglichkeiten außerhalb des Gebäudes durch zahlreiche Workshops, die von den Grundlagen des Autismus über die Selbstbestimmtheit und Inklusion von Autist*innen viele Themenbereiche abdeckten und das Austauschangebot am Messetag komplettierten.

Ein Artikel von Henrike Buschmann