FHDW-Online-Seminar „Der Kunde entscheidet, was Nachhaltigkeit ist“

Paderborn. Unternehmen arbeiten immer nachhaltiger. Oder tun sie nur so? Welche Rolle spielt die Digitalisierung und welche das Marketing bei der Entwicklung der Circular Economy? Mit einem Panel von vier Fachfraue und -männern ging die Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) diesen für die globale Wirtschaft zukunftsweisenden Fragen in einer Online- Veranstaltung nach – moderiert von der FHDW-Prodekanin für Betriebswirtschaft, Prof. Dr. Angelika Röchter. Amazon will in fünf Jahren zu 100 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Bis 2040 sollen alle Lieferungen CO2-neutral sein. Google will schon bis 2020 die Klimaneutralität erreichen. Beide Unternehmen wollen zukünftig auf Elektromobilität und recycelte Produktbestandteile setzen. „Man sieht, die großen Player geben große Versprechen ab“, sagt Prof. Dr. Peter Ruckmann zu diesen publizierten Nachhaltigkeitszielen. Ruckmann ist an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) Dozent für IT-Management und leitet den MBA- Studiengang General Management. Er war bei der Online-Veranstaltung „Digitalisierung und Marketing zur Erreichung nachhaltiger Unternehmensziele“ seiner Hochschule für den Expertenblick auf die IKT-Branche zuständig. Und der fiel teilweise skeptisch aus. Wenn man von einem für die Umwelt ausgewogenen CO2-Fußabdruck von jährlich zwei Tonnen pro Person ausgeht, ist der Durchschnitt des Fußabdruckes weltweit zurzeit sechs Mal größer. Die Nutzung der digitalen Devices und Netze macht davon 0,85 Tonnen aus.  „Das entspricht ungefähr dem CO2-Verbrauch des Flugverkehrs in Deutschland.“ Ruckmann nennt auch die Ursachen: Streamingdienste belegen heute 75 Prozent der weltweiten Netzkapazitäten, mobile Endgeräte haben häufig einen Lebenszyklus von gerade einmal zwei Jahren und eine Reduzierung der Nutzung von IT-Infrastrukturen und – Geräten hält Ruckmann angesichts der Marktsituation für einen „frommen Wunsch“. Wie die verschiedenen Wirtschaftsbranchen zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) gebracht werden sollen und wie sie sich schon auf den Weg dorthin gemacht haben – das zeigte Ulrike Künnemann vom InnoZent OWL e.V. in der Veranstaltung.
Nur zehn Tage war Ursula von der Leyen Präsidentin der Europäischen Kommission, als sie am 11. Dezember vor einem Jahr den European Green Deal vorstellte. Bis 2050 soll die Union klimaneutral sein. Im September gab China bekannt, dass das Land dieses Level 2060 erreichen will. „Die Circular Economy spielt dabei eine große Rolle“, sagt Künnemann, die mit dem InnoZent OWL e.V. die Innovationsbereitschaft von Unternehmen in der Region erhöhen will und sie bezüglich finanzieller Fördermöglichkeiten berät. Künnemann stellte eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien vor, die Rohstoffnutzung, Abfallmengen und Recyclingquoten regulieren. Und sie nannte Beispiele, wie Unternehmen in der Region und weltweit diese staatlich regulierten Vorgaben umsetzen wollen. Der Druck auf die Unternehmen kommt aber auch von unten. „Der Kunde verlangt heute nach Wiederaufbereitungsversprechen“, sagt Prof. Dr. Ralf Ueding. Dabei müssen Unternehmen aufpassen, wie sie sich positionieren; ein „Blender“ kann schnell enttarnt sein und seine Reputation verlieren. „Außerdem spürt man den Einfluss der NGOs und der Medien“, so der FHDW-Dozent und Studiengangsleiter für Marketing und Vertrieb. Selbst ein ARD-Tatort mit einem umweltpolitischen Thema kann enorme Wirkung haben. „Das beeinflusst das Empfinden von Nachhaltigkeit oft mehr als die Gesetzgebung.“ Denn was Nachhaltigkeit wirklich ist, entscheiden nicht wirklich die Unternehmen. „Down to Earth: Nachhaltigkeit ist das, was die Menschen, also die Kunden, für nachhaltig halten.“ Und da Ueding Marketing als marktorientierte Unternehmensführung sieht (und nicht nur als vertriebsunterstützendes Instrument) sagt er: „Man muss überzeugende Angebote auf Basis nachhaltiger Ansätze entwickeln.“ Nachvollziehbar müsse das für die Kunden sein, sagt Ueding. Ein Negativ-Beispiel, das wohl jeder kennt, brachte er zum Schluss: das Flaschenpfandsystem in Deutschland. Da bestimmen zahlreiche Regeln und Normen der Verpackung die Einordnung und Rücknahme in das Kreislaufsystem. Ueding: „Für viele ist das System bis heute nicht vollkommen nachvollziehbar – zu diesen Menschen zähle ich mich auch.“