„Die Pflege ist weiblich“: Ungleichheiten der Geschlechter in der Coronakrise

Von Sina Hälbig

Kundgebung am 8. März zum 110. internationalen Frauentag auf dem Kesselbrink 

Bielefeld. Zum internationalen Frauentag 2021 haben sich zahlreiche Leute um 17 Uhr auf dem Kesselbrink versammelt. Im Vordergrund der Kundgebung standen die Rechte, die geringen Arbeitslöhne und die Gleichberechtigung der Frauen, besonders in Hinblick auf die Coronakrise. Die Kundgebung wurde vom DGB, dem Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. und vielen weiteren Unterstützern ermöglicht.

Frauentag 2021 Bielefeld

Mit Plakaten verdeutlichen Teilnehmer der Kundgebung die Ungleichheit der Geschlechter. Foto: Sina Hälbig

Durch die Coronapandemie hat sich das Leben in Deutschland stark verändert. Viele Menschen haben Angst um ihre Gesundheit, um ihre Einkommen, Arbeitsplätze, Existenz und Versorgung. Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern werden sichtbarer und verstärken sich. Die Kundgebung am Kesselbrink wollte diesen Problemen mehr Aufmerksamkeit schenken und versuchen, ihnen entgegenzuwirken.

Die Veranstaltung begann nach einer kurzen Begrüßung mit einer Tanzeinlage von Christina Lerch zu dem Lied „Break the Chain“. Das Lied, verbunden mit dem dazugehörigen Tanz, steht für die weltweite Kampagne „One Billion Rising“, die sich für das Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen und für deren Gleichstellung einsetzt.

Danach folgten Ansprachen der Organisatoren. Den Anfang machte Beatrice Tappemeier, Vertreterin des feministischen Netzwerks für Mädchen und Frauen Bielefeld. Sie nahm Bezug auf die aktuelle Corona-Situation und die daraus entstandenen, veränderten Bedingungen. Probleme brauchen, ihrer Meinung nach, mehr Kraft und Kreativität. Auch sollten stets alle Geschlechter gleichgestellt werden.

Anschließend meldete sich der DGB zu Wort: „Frauen machen den Großteil der Beschäftigten in den sogenannten systemrelevanten Berufen aus. Aber gerade sie arbeiten unter schlechten Arbeitsbedingungen und haben niedrige Einkommen.“ Erst in der Pandemie schiene den Menschen deutlich geworden zu sein, wie unverzichtbar professionelles Reinigungspersonal und der Lebensmittelhandel sind. „Die überkommene geschlechterspezifische Arbeitsteilung scheint sich nicht fortzusetzen, sondern sich wieder zu verstärken. Das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern nimmt durch die Coronakrise noch weiter zu.“, so der DGB.

Des Weiteren wurde betont, wie wichtig und notwendig es sei, das Gesundheitswesen auszubauen und Pflegekräfte im Krankenhaus und in der Altenpflege besser zu bezahlen.

Gerhild Landwehr, Bielefelder Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus, erzählt aus ihren Erfahrungen in der Pflege: „Seit mittlerweile fast 30 Jahren arbeite ich in der Pflege. Bei aller Aufmerksamkeit, die die Pflege im Moment bekommt, wird in den Schlagzeilen vergessen, dass die Pflege weiblich ist. 80% der Pflegenden sind Frauen, zählt man die Pflege von Verwandten im häuslichen Umfeld dazu sind es 90%.“

Christina Lerch Frauentag

Christina Lerch tanzt zum Lied „Break the Chain“
Foto: Sina Hälbig

„Ich kenne viele Frauen, die sich für diesen Beruf entschieden haben, weil er schön und anspruchsvoll ist. Aber sehr viele bleiben nicht lange. Der Durchschnitt ist etwa 7 bis 8 Jahre im Beruf. Die Arbeit ist körperlich anstrengend. Oft sind viele Laufwege und schwere Patienten zu bewältigen. Keine Pausen, schlechte Dienstzeiten. Pflegekräfte können ihre freie Zeit nicht verplanen, weil sie an jedem 2. Sonn- und Feiertag zum Dienst müssen. Leider werden zusätzliche Nebenjobs und Zuschläge für die Wechseldienste nicht in die Rente mitgerechnet.“

Anschließend bezieht sich die Vertreterin des Bielefelder Bündnis auf die aktuelle Situation: „In der Pandemie verstärkt sich der Zugriff auf die Zeit der übrig gebliebenen Frauen. Sie campieren in den Heimen, um möglichst wenig Kontakt nach außen zu haben. Sie isolieren sich von ihren Liebsten und Verwandten noch mehr als wir alle das getan haben. Sie schieben Überstunden und springen ein, wenn eine Kollegin in Quarantäne muss. Der Körper von einer Krankenschwester ist eine Projektionsfläche. Das geht vom Altherrenwitz über sexualisierte Darstellung bis hin zu Übergriffen während der Pflege verbal und handgreiflich. Es gibt Anweisungen für Dienstkleidung, äußeres Erscheinungsbild, Tattoos, Piercings, Frisuren und Nagelpflege. Über die Gesundheit pflegender Frauen wird nicht nachgedacht, wenn in der Pandemie 12 Stunden-Schichten eingeführt werden. Fachkräfte wollen und können unter diesen Bedingungen nicht mehr arbeiten. Wir müssen pflegende Frauen sichtbar machen. Wir müssen sexuelle Gewalt in Wort und Tat anprangern. Wir müssen Beruf, Familie und Pflege vereinbar machen und Existenz und Rente für Frauen sichern.“

Ein großer Dank ging am Ende vor allem an die Stadt Bielefeld und die Gleichstellungsstelle, als auch die Frauen und Queer Streik Bündnis, das einzelne

Tweets zur Gleichberechtigung zusammengestellt haben, die zwischen den Reden abgespielt wurden. Zum Abschluss wurde erneut das Lied „Break the Chain“ gespielt.

Veranstaltet wurde die Kundgebung durch den DGB Region Ostwestfalen-Lippe, den DGB-Kreis Frauenausschuss BI-GT, den DGB-Stadtjugendausschuss Bielefeld, den DGB-Stadtverband Bielefeld und den Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e.V.

Unterstützer und Unterstützerinnen waren die ASF Bielefeld, der Bund der Frauenvereine Bielefeld e.V., das Bündnis90/Die Grünen Bielefeld, Die Grüne Jugend Bielefeld, die DIDF-Bielefeld, der Frauenarbeitskreis IG Metall Bielefeld, das Frauenplenum DIE LINKE Bielefeld, die Gleichstellungsstelle der Stadt Bielefeld, die IG Metall Bielefeld, die Jusos Ostwestfalen-Lippe, die Jusos Bielefeld, das Künstlerinnenforum Bielefeld-OWL e.V., der SPD Unterbezirk Bielefeld und die Ver.di Ortsfrauen BI-GT.