Corona-Virus belastet Bielefelder Wirtschaft

OWL. Nach den Ergebnissen der aktuelle Frühjahrskonjunkturumfrage der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK) für das ostwestfälische Oberzentrum zeigten sich die Bielefelder Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung bis vor kurzem mit ihrer Geschäftsentwicklung noch zufrieden. Der IHK-Konjunkturklimaindex, der die Einschätzung der momentanen Lage und die Zukunftserwartungen gleichermaßen berücksichtigt, ist für die gesamte Wirtschaft in Bielefeld von 90 auf 110 Punkte gestiegen.

Präsentierten die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage Frühjahr 2020 für die Stadt Bielefeld: stv. IHK-Hauptgeschäftsführer Harald Grefe, IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff und IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden (v.l.)

Präsentierten die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage Frühjahr 2020 für die Stadt Bielefeld: stv. IHK-Hauptgeschäftsführer Harald Grefe, IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff und IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden (v.l.)

„Die Ergebnisse unserer Konjunkturerhebung werden allerdings durch die aktuelle Entwicklung rund um das Coronavirus ein Stück weit relativiert, ohne zu wissen, wie stark sich die Corona-Auswirkungen in den Büchern der Unternehmen letztendlich niederschlagen werden“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Niehoff. Die Umfrage fand in den Monaten Januar und Februar statt. Daran beteiligten sich 387 Bielefelder Unternehmen mit 26.448 Beschäftigten aus den Bereichen Industrie, Handel und Dienstleistung. Für die Bielefelder Industrie liegt der aktuelle Indexwert trotz einer Steigerung lediglich bei 92 Punkten. Der Indexwert für Dienstleiter ist von 87 auf 129 Punkte geklettert, der für den Handel hat sich gegenüber der Vorumfrage von 112 auf 124 Punkte verbessert.
An der Umfrage haben sich 59 Industriebetriebe mit 13.426 Beschäftigten beteiligt. Lediglich 28 Prozent schätzen ihre aktuelle Geschäftslage als „gut“ ein, 63 Prozent sprechen von einer „befriedigenden“ Situation. Die aktuelle Lage hat sich gegenüber dem Herbst leicht verbessert. Anders sieht es bei der Auslastung der Produktionskapazitäten aus. Der Anteil der zu über 95 Prozent ausgelasteten Betriebe liegt nur noch bei fünf Prozent, nach 17 Prozent im vergangenen Herbst. Ihre gegenwärtige Ertragslage bezeichnen neun Prozent der Industriebetriebe als „gut“, 23 Prozent als „schlecht“. Auch bei den Inlandsinvestitionen zeigt sich ein negatives Bild: Ein Viertel der Firmen gab an, mehr investiert zu haben als im Herbst, allerdings lagen bei 40 Prozent die Investitionen unter dem Vorjahresniveau. Als größtes Risiko für die weitere Entwicklung bezeichneten die Bielefelder Industriebetriebe die Entwicklung der Inlandsnachfrage (69 Prozent), gefolgt von den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (64 Prozent) und den Arbeitskosten (58 Prozent). Den größten Sprung bei den abgefragten Risiken haben die Energiepreise gemacht (45 Prozent). „In den Risikobetrachtungen spiegelt sich auch ein Stück weit die Struktur der Bielefelder Industrie wider, mit einem hohen Anteil an Metallbe- und verarbeitender Industrie“, so Niehoff.
Im Bielefelder Einzelhandel bewerten aktuell 30 Prozent der befragten Unternehmen ihre Lage als „gut“ (Herbst: 41 Prozent). Im Großhandel sind es 31 Prozent der Betriebe, die die Lage als „gut“ bezeichnen. Die Beschäftigungspläne haben sich im Vergleich zur Herbstumfrage wenig verändert, das Gros erwartet keine Veränderungen. Als Top-Risiko für die weitere wirtschaftliche Entwicklung nennt der Handel die Inlandsnachfrage. In der Dienstleistungsbranche bezeichnen 44 Prozent der Betriebe ihre aktuelle Geschäftslage als „gut“, weitere 42 Prozent als „befriedigend“. In den kommenden zwölf Monaten wollen 23 Prozent Beschäftigung aufbauen, 9 Prozent wollen abbauen.

Bei den Dienstleistern bleibt der Fachkräftemangel das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung, jedes zweite Unternehmen beklagt einen Mangel.
„Die Daten des Landesbetriebs Information und Technik für 2019 bestätigen, dass die Industriekonjunktur auf dem Rückzug ist“, erläuterte IHK-Geschäftsführer Dr. Christoph von der Heiden. Demnach gingen die Gesamtumsätze der Industriebetriebe mit 50 und mehr Beschäftigten um 0,6 Prozent auf gut 4,3 Milliarden Euro zurück. Während im Ausland noch Zuwächse erreicht wurden, sanken die Inlandsumsätze auf knapp 2,6 Milliarden Euro (- 3,8 Prozent). Die Höhe der Exporte erreichte gut 1,7 Milliarden Euro (+ 4,6 Prozent). Die Exportquote für die Stadt Bielefeld beträgt aktuell 40,0 Prozent – damit liegt Bielefeld auf Platz zwei hinter dem Kreis Gütersloh. Die Beschäftigtenzahl ist 2019 in der Industrie auf 20.365 Beschäftigte gestiegen (+ 4,4 Prozent). Insgesamt befindet sich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit 158.107 Personen auf einem historischen Höchststand.

Neben der Konjunkturentwicklung beschäftigen die IHK einige andere, wichtige Bielefelder Themen. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur sei in Bielefeld zum Wahlkampfthema geworden. „Doch wir dürfen uns in der Verkehrspolitik nicht von Emotionen leiten lassen. Wir benötigen eine leistungsfähige Infrastruktur, um den Industrie- und Logistikstandort Ostwestfalen zukunftsfähig aufzustellen“, mahnte Harald Grefe, stv. Hauptgeschäftsführer, verantwortlich für den Bereich Internationales, Handel und Verkehr. Und auch im Kontext der postulierten Verkehrswende sei es wichtig, die Haupterschließungsstraßen leistungsfähig zu halten. Zu den Umbauplänen des Jahnplatzes merkte Grefe an, dass für Bielefeld ein ganzheitliches Verkehrskonzept fehle. Erwartet würden erhebliche negative Auswirkungen auf die direkten gewerblichen Anlieger im Umfeld des Jahnplatzes und aufgrund der zu erwartenden hohen Verkehrsbelastung auf die gesamte Bielefelder Innenstadt. „Der Ostwestfalendamm als geplante Ausweichroute kommt schon heute in Stoßzeiten an seine Kapazitätsgrenze“, so Grefe. Ein weiteres wichtiges Thema sei die Verfügbarkeit von Flächen in Bielefeld. Es sei ziemlich beschämend, dass die Stadt Bielefeld nun eingestehen müsse, dass sie mit gerade einmal 0,6 Hektar an freien Gewerbeflächenangeboten faktisch ausverkauft sei. Eine weitere Reduktion von gewerblichen Bauflächen, wie sie oft gefordert werde, verhindere Wirtschaftsentwicklung in Bielefeld. Nachhaltigkeit sei immer auch ein ausgewogenes Verhältnis von Sozialem, Ökologie und Ökonomie.

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