Aus der Türkei nach OWL

Das Ev. Johanneswerk geht mit Kooperation neue Wege in der Pflegeausbildung, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken Bielefeld (JW).

Bielefeld. Junge Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern, ist eine wachsende Herausforderung unserer Gesellschaft. Eine geringer werdende Anzahl an Fachkräften und Auszubildenden in der Pflege steht einer zunehmenden Zahl Pflegebedürftiger gegenüber.

Das Ev. Johanneswerk hat sich dazu entschieden, diese Problematik konkret anzugehen und neue Wege in der Ausbildung von dringend benötigten Pflegefachkräften zu gehen: Das Vorhaben soll mit einer Ausbildungskooperation zwischen dem diakonischen Träger und dem türkischen Verein Asya Avrupa Eğitim Araştırma Derneği (ASAVDER) gelingen. Ziel dieser Kooperation ist es, jungen Menschen in der Türkei durch eine Pflegeausbildung in Deutschland eine berufliche Zukunftsperspektive zu geben und damit gleichzeitig dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. „Mit unserem Kooperationspartner ASAVDER, der wie wir gemeinnützig tätig ist, verbindet uns das Ziel, jungen Menschen eine berufliche Perspektive in der Pflege zu geben. Der Fachkräftemangel ist auch für uns im Johanneswerk spürbar und wir sind überzeugt, dass unsere neue Ausbildungskooperation ein wichtiger Schritt in der Gewinnung von Auszubildenden und somit anschließend von Pflegefachkräften ist“, erklärt der Vorsitzende der Johanneswerk-Geschäftsführung, Dr. Ingo Habenicht.

Projektleiterin Ulrike Overkamp (von links), Johanneswerk-Geschäftsführer Dr. Ingo Habenicht, Fida Mehmet Yuca, Ahmet Akbaba (Vorsitzende der Vereins ASAVDER) und Udo Ellermeier

Projektleiterin Ulrike Overkamp (von links), Johanneswerk Geschäftsführer Dr. Ingo Habenicht, Fida Mehmet Yuca, Ahmet Akbaba (Vorsitzende der Vereins ASAVDER) und Udo Ellermeier. Foto: Mike-Dennis Müller.

Pflegeausbildung in OWL

Die ersten türkischen Auszubildenden sollen im August 2022 nach Deutschland kommen. Vorab werden sie einen elfmonatigen Deutschkurs besucht und mit einer Level B2-Prüfung am Goethe-Institut abgeschlossen haben. Die Sprache wird aber dennoch eine große Herausforderung bleiben, weiß Johanneswerk-Projektleiterin Ulrike Overkamp: „Wir müssen schnell einen Ausbau der Sprachkenntnisse schaffen, damit wir die Qualität der Ausbildung garantieren können und die Integration der jungen Menschen gelingen kann.“ Um diese weiter zu fördern, werden die Auszubildenden in gemischten Klassen unterrichtet und bei allen Fragen eng durch die Schulsozialarbeit begleitet und unterstützt. Für eine Integration vor Ort wurden und werden lokale Netzwerke in den betreffenden Kommunen in OWL geknüpft und intensiviert.

Jasmina Mèsic (rechts), die ihre Pflegeausbildung im Karl-Pawlowski-Haus in Bielefeld absolviert, führte Ahmet Akbaba (Mitte) und Fida Mehmet Yuca durch das Haus.

Jasmina Mèsic (rechts), die ihre Pflegeausbildung im Karl-Pawlowski-Haus in Bielefeld absolviert, führte Ahmet Akbaba (Mitte) und Fida Mehmet Yuca durch das Haus. Foto: Mike-Dennis Müller.

Die theoretische Ausbildung soll an den Johanneswerk-Pflegeschulen in Bielefeld und Blomberg erfolgen, die dazu ihre Kapazitäten auf zwei zusätzliche Kurse im Jahr aufstocken werden. An den beiden Schulen können die Auszubildenden aus der Türkei die dreijährige Ausbildung zum Pflegefachmann/ zur Pflegefachfrau
absolvieren.

Pflege in der Türkei

Beide Kooperationspartner rechnen im ersten Jahr mit etwa 25 bis 30 jungen Menschen, die für eine Pflegeausbildung nach Deutschland kommen werden. Bevor es soweit ist, haben Ahmet Akbaba und Fida Mehmet Yuca, Vorsitzende des Kooperationspartners ASAVDER, das Johanneswerk, seine Pflegeschulen und seine Einrichtungen in OWL sowie die verantwortlichen Ansprechpartner bei einem viertägigen Besuch kennengelernt und die weiteren Schritte besprochen. „Der Besuch hat uns nochmal darin bestärkt, dass wir mit dem Johanneswerk den richtigen Kooperationspartner gefunden haben, der jungen Menschen in der Türkei eine angesehene und qualitativ hochwertige Ausbildung bieten kann“, resümiert Ahmet Akbaba den Besuch. Anders als in Deutschland genießt der Begriff „Pflege“ in der Türkei bislang nur ein sehr geringes Ansehen. Alte und pflegebedürftige Menschen werden Zuhause von den Familienangehörigen versorgt. Lediglich die Krankenpflege stellt einen angesehen Beruf dar. „Es ergibt sich daraus ein großes Spannungsfeld, da es sozial nicht angesehen ist, Menschen in einer Einrichtung versorgen zu lassen, und ‚Pflege‘ nur die Betreuung der Menschen in der Häuslichkeit – also eine ungelernte Tätigkeit – meint“, erklärt Ahmet Akbaba. Er ist sich sicher, dass ausgebildete Pflegefachfrauen und -männer auch in der Türkei ein hohes Ansehen genießen werden, damit zu einer besseren Zukunftsperspektive junger Menschen führen und zur Entwicklung und Professionalisierung der Pflege im Land beitragen können.

Über den Verein ASAVDER: Der Verein Asya Avrupa Eğitim Araştırma Derneği (ASAVDER), was übersetzt „Verein für asiatisch-europäische Bildung und Forschung“ heißt, wurde 2018 in Ankara gegründet. Die Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, jungen Menschen in der Türkei durch eine ein- oder dreijährigen Pflegeausbildung in Deutschland Zukunftsperspektiven zu bieten, da sie sowohl vor als auch mit einer Pflegeausbildung im eigenen Land eher schlechte beruflichen Perspektiven haben.