Wie funktioniert ein Modestudium in Coronazeiten?

Modedesign ist Arbeit mit Material am Körper – mit Farbe, Textilien und Formen. Wie kann ein haptisches Studium in einer Zeit der Online-Lehre trotzdem funktionieren?

Modestudentin-Marie-Prochatzki

Die 22-jährige Modestudentin Marie Prochatzki hat im Wintersemester 2020/2021 ihren Bachelor in Gestaltung abgeschlossen. Foto: Patrick Pollmeier/FH Bielefeld

Bielefeld. Recherchieren, lesen, schreiben: All das geht problemlos von zu Hause aus. Auch in einem Modestudium sind diese Arbeitsschritte wenig von der Pandemie beeinflusst. Doch zu einem Modestudium gehört auch die Arbeit mit Stoffen und verschiedenen Materialien, das Schneidern, Drapieren und Arrangieren.

Übergroße Kartons, die vor Stoffresten überquellen, ein riesiger Tisch zum Zuschneiden der Stoffe, Schnittmuster, die an einer Kleiderstange hängen – Marie Prochatzki benötigt für ihre Abschlussarbeit viel Platz und die richtige Ausstattung. Prochatzki ist Studentin im Bachelor Gestaltung mit der Studienrichtung Mode an der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Sie steckt Anfang Februar mitten in der letzten Phase ihres Studiums und ist nahezu jeden Tag am Fachbereich, um ihre Kollektion fertig zu stellen.

Souverän führt die Studentin den Stoff durch die Maschine, es rattert und klackt, der Fuß wippt auf dem Pedal auf und ab. Ein paar Stellen muss sie noch von Hand vernähen und anschließend mit dem Bügeleisen glätten. Lautes Zischen, den Stoff auf dem Bügelbrett noch einmal wenden, wieder ein „Zisch“, verbunden mit einer kleinen Dampfwolke. „Ich arbeite seit August 2020 wieder in der FH und bin sehr froh darüber, dass uns das ermöglicht wird“, berichtet die Modestudentin. Denn dass Prochatzki die Möglichkeit hat, vor Ort an ihrer Abschlussarbeit zu arbeiten, ist nicht selbstverständlich.

Abgebaute Nähmaschinen in den Werkstätten

Wie viele Personen dürfen maximal in die jeweiligen Räume? Welche Hygieneregeln müssen eingehalten werden? All das stimmten die Lehrenden des Fachbereichs Gestaltung mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz der Fachhochschule ab. Und so wurden unter anderem die vielen Nähmaschinen aus der Werkstatt abgebaut und in mehreren einzelnen Räumen wieder aufgebaut.

Gemeinsam mit einer Kommilitonin kann Prochatzki nun einen Raum nutzen, der unter Coronabedingungen für sieben Personen zugelassen ist und gut 70 Quadratmeter fasst. Normalerweise finden in dem Raum Seminare statt. Jetzt dient er den beiden Studentinnen als Nähwerkstatt und Lager für ihre Stoffe, Schnittmuster und die fertigen Kleidungsstücke.

Overlock und Büsten zum Ausleihen

Für zu Hause hat sich Prochatzki die Haushaltsnähmaschine ihrer Mutter ausgeliehen. Doch für die Studierenden ist es wichtig, dass sie auch die Nähmaschinen am Fachbereich nutzen können. „Für Probeteile und das einfache Nähen ist die Nähmaschine zu Hause super. Allerdings brauchen wir für die Verarbeitung unserer Arbeiten professionelle Geräte. Zum Beispiel Overlockmaschinen oder Maschinen für schwierig zu verarbeitenden Materialien wie Leder“, sagt die Studentin.

Doch nicht alle Studierenden können wegen der Kontaktbeschränkungen die Nähmaschinen vor Ort nutzen. Daher haben die Lehrenden der Studienrichtung Mode weitere Geräte anschaffen lassen. Die Maschinen können die Studierenden nun ausleihen. Auch Büsten, die bei der Gestaltung von Kollektionen unterstützten, sind nun im Ausleih-Sortiment. „Dennoch hilft das leider nur bedingt. Die Abläufe in der Herstellung von Bekleidung benötigen viel Platz, den die Studierenden zuhause nicht vorfinden“, bedauert Professor Philipp Rupp, der am Fachbereich Gestaltung Kollektionsgestaltung und Modedesign lehrt.

Stoffkarten per Post verschickt

Umdenken mussten Rupp und seine Kolleginnen auch bei der Betreuung der Studierenden. Während der Sprechstunden vor Ort konnten vor der Coronakrise die Materialien gefühlt und Kollektionen an echten Models begutachtet werden. Nun findet auch das in Distanz statt. „Ich schicke Philipp meist ein PDF mit Bildern per E-Mail. Dann telefonieren wir und besprechen den aktuellen Zwischenstand“, beschreibt die 22-jährige Modestudentin Prochatzki. Die Kommunikation über Stoffe und Haptik ist auf diese Weise jedoch nur schwer möglich. Manche Studierende verschicken daher auch mal Stoffkarten mit Materialproben per Post an die Lehrenden.

Zu dem Engagement des Fachbereichs zählt auch, dass die Lehrenden weitere Hilfskraftstellen geschaffen haben. So konnten die studentischen Hilfskräfte den Studierenden vor Ort praktische Hilfe anbieten, natürlich unter den entsprechenden Hygienebedingungen. Ein doppelter Gewinn: Bei vielen Studierenden sind Nebenjobs weggebrochen, mit den Hilfskraftstellen erhalten sie nun finanzielle Unterstützung.

Für den Professor ist allerdings klar, dass die Lehre am Fachbereich Gestaltung am Ende nur bedingt digital funktioniert: „Die Studierenden können ganz gut ihre Recherche online durchführen. Auch den Entwurfsprozess kann man digital begleiten. Aber das Endprodukt in der Mode ist immer noch ein dreidimensionales Objekt, das am Körper und im Raum funktionieren muss.“ Und dennoch: Die Lehrenden des Fachbereichs sind enorm engagiert, den Studierenden weiterhin gute Studienbedingungen zu bieten.

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