Roger Federer sensationell von Youngster Felix Auger-Aliassime bezwungen

HalleWestfalen. Rekordchampion Roger Federer (ATP 8) ist im Achtelfinale der 28. NOVENTI OPEN an Kanadas Supertalent Felix Auger-Aliassime (ATP 21) gescheitert: Mit seinem 13. Ass zum 4:6, 6:3, 6:2-Sieg machte der 20-jährige NextGen-Spieler am Mittwochnachmittag den Überraschungscoup auf dem Centre Court perfekt. „Ich bin natürlich überglücklich. Ein Sieg gegen Roger – das ist ein Traummoment. Er war mein Idol. Es ist unglaublich, dass ich überhaupt gegen ihn spiele und noch gewinne“, sagte Auger-Aliassime, der Mitte des zweiten Satzes die Initiative und das Kommando in der Partie an sich riss und nach 104 Minuten über die Ziellinie ging.

Mit unwiderstehlicher Stärke beim Service und präzisen Grundschlägen war der Youngster nicht mehr zu stoppen, allein im dritten Satz feuerte er acht Asse vom Racket. Im Spiel zur 2:0-Führung im letzten Durchgang gelangen ihm vier Volltreffer in Serie. „Es ist nicht einfach, Roger Auge in Auge in einem Match gegenüber zu stehen. Aber ich habe es dann doch geschafft, den Respekt abzulegen und mich auf mein Spiel zu fokussieren“, sagte der Kanadier, der nun im Viertelfinale auf den amerikanischen Qualifikanten Marcos Giron (ATP 75) trifft. Giron bezwang im letzten Centre Court-Match des Tages ebenso verblüffend Lokalmatador Jan-Lennard Struff (ATP 45) mit 6:7 (1:7), 6:3 und 6:4.

Federer, auf den Tag genau 19 Jahre älter als sein Herausforderer, konnte dem Ansturm von Auger-Aliassime lange erfolgreich widerstehen, bis zum verlorenen Aufschlagspiel zum 2:4 im zweiten Satz wehrte der 39-jährige Schweizer acht Breakbälle des Kanadiers nervenstark ab. Auch beim Servicespiel zum Gewinn des Auftaktsatzes, beim 5:4-Vorsprung, musste Federer ein 15:40-Defizit aufholen, ehe er mit 1:0 nach Sätzen in Führung ging. Federer hatte 2019 seinen zehnten Titel in HalleWestfalen gewonnen, bei der 28. Auflage von Deutschlands bedeutendstem ATP-Event ging er bereits zum 18. Mal ins Pokalrennen.

Allerdings mit so wenig Spielpraxis im Saisonverlauf wie nie zuvor: Der vierfache Familienvater war bislang 2021 nur bei den Turnieren in Doha, Genf und Paris (French Open) an den Start gegangen. Sechs Spiele und eine 4:2-Bilanz standen vor dem ersten Ballwechsel bei den NOVENTI OPEN nur zu Buche. Das Ausscheiden im Achtelfinale war Federers frühestes Aus seit dem Debüt im Jahr 2000. „Es war ein Auf und Ab. Der erste Satz war gut, der zweite Satz war okay. Aber der dritte Satz war schlecht, das kann ich so nicht akzeptieren von mir“, sagte Federer. Er sei mental nicht mehr auf der Höhe gewesen am Ende, so Federer: „Da ist auch ein bisschen ins Bewusstsein eingesunken, wie schwer das ganze Comeback ist, wie sehr man um jeden Punkt kämpfen muss.“ Nun werde er mit seinem Team beraten, „wie es bis zum Start von Wimbledon weitergeht.“

Philipp Kohlschreiber buchte mit seinem Sieg über den Franzosen Corentin Moutet am Mittwoch das Viertelfinalticket bei den 28. NOVENTI OPEN. © NOVENTI OPEN/Mathias Schulz

Philipp Kohlschreiber buchte mit seinem Sieg über den Franzosen Corentin Moutet am Mittwoch das Viertelfinalticket bei den 28. NOVENTI OPEN. © NOVENTI OPEN/Mathias Schulz

Ein kräftiges Ausrufezeichen setzte unterdessen „Oldie“ Philipp Kohlschreiber (ATP 128), der im Eröffnungsspiel auf dem Centre Court zum zehnten Mal das Viertelfinale der NOVENTI OPEN erreicht hatte: „Ich bin megahappy über meine Spiele bisher“, sagte Kohlschreiber nach dem 6:3, 7:6 (7:5)-Erfolg über Corentin Moutet (Frankreich/ATP 94). „Halle ist wirklich eine absolute Wohlfühloase für mich. Ich habe hier oft mein bestes, erfolgreichstes Tennis gespielt.“ Für Kohlschreiber war es der erste Viertelfinaleinzug bei einem Tourlevel-Match seit dem Münchner ATP-Wettbewerb im Mai 2019. Kohlschreiber hatte sich in der schwierigen Corona-Saison 2020 eine längere Auszeit genommen, war zuletzt aber wieder auf Touren gekommen. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Fortschritt, den ich zuletzt gemacht habe“, sagte der 37-jährige Bayer, der seit einigen Jahren im österreichischen Kitzbühel residiert.

Schon bei den French Open hatte Kohlschreiber jüngst mit einem Vorstoß in die dritte Runde auf sich aufmerksam gemacht. Im Viertelfinale trifft Kohlschreiber nun auf den Weltranglisten-Siebten Andrey Rublev, der Jordan Thompson (Australien/ATP 81) mit 6:4 und 6:4 schlug. Kohlschreiber spielte vor vier Jahren bereits einmal gegen Rublev beim ATP-Turnier in Hamburg und gewann damals 6:3 und 6:1 auf Sand.

Der deutsche Routinier erreichte erstmals 2005, bei seinem Debüt als 21-jähriger Nachwuchsmann, das Viertelfinale am Schauplatz des heutigen ATP 500-Events in Ostwestfalen. Über viele Jahre war der DTB-Nationalspieler dann eine mitbestimmende Kraft im Turnier, 2007 und 2009 erreichte er das Halbfinale, 2008 stürmte er ins Endspiel, verlor gegen Rekordchampion Roger Federer. 2011 erlebte er seinen besten Halle-Moment, als er sich im Finale gegen Landsmann Philipp Petzschner durchsetzte. Auch das Gastspiel 2012 verlief erinnerungswürdig: Da gewann Kohlschreiber in der Runde der letzten Acht gegen Matador Rafael Nadal, bevor er im Halbfinale am späteren Sieger Tommy Haas scheiterte. „Halle ist wie ein Stück Heimat auf der Tour für mich“, sagte Kohlschreiber, der nun über eine 33:13-Gesamtbilanz bei den NOVENTI OPEN verfügt.

 

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