Neue Funde bei Ausgrabungen in Kalkriese

Forscher entdecken eine römische Befestigungsanlage aus der Varusschlacht

Kalkriese. Seit drei Wochen wird im Museumspark Kalkriese erneut gegraben. In drei großräumigen Suchschnitten haben sich die Archäologen aus Kalkriese und der Universitäten Osnabrück und München auf Spurensuche begeben. Dabei sind die Wissenschaftler auf interessante Funde, aber auch Befunde gestoßen, die zu neuen Erkenntnissen im Hinblick auf den Verlauf der Varusschlacht führen. In den Grabungsschnitten haben die Forscher eine provisorische römische Befestigungsanlage bestehend aus einer Wallanlage und vorgelagertem Graben lokalisiert.

Ausgrabungen-Kalkriese_2017„Aufgrund der neuen Ergebnisse aus den laufenden Grabungen zeigt sich, dass der schon vor Jahren gefundene Wallabschnitt im Süden, der Wall der bei der Grabung im letzten Jahr entdeckt wurde und die jetzt gefundenen Anschüttungen Teil einer römischen Befestigungsanlage sind“, so Prof. Dr. Salvatore Ortisi, wissenschaftlicher Leiter des Projekts von der LMU München. „Wahrscheinlich haben sich die Römer im Verlauf der Schlacht hier verschanzt – der unregelmäßige Verlauf spricht dafür, dass die römischen Soldaten das in großer Eile und Bedrängnis gemacht haben dürften.“, erklärt Ortisi weiter. Für den wissenschaftlichen Leiter zeigen die Forschungsergebnisse der vergangenen drei Jahre und auch die Ergebnisse aus den letzten Jahrzehnten, dass es sich hier um den Ort der Varusschlacht handelt. „An der Datierung ändern die neuen Erkenntnisse nichts. Vielmehr ermöglichen sie uns, den Verlauf der Varusschlacht besser zu verstehen. Es ist wirklich spannend, diesen Ort im Kontext Varusschlacht, die ja immerhin mehrere Tage gedauert haben soll, einzuordnen“, so Prof. Dr. Salvatore Ortisi. „Wir haben hier einen antiken Trittstein gefunden, den wir als Ausgangpunkt für neue Fragestellungen nehmen können. Ich bin gespannt auf die nächsten Wochen und Monate“, freut sich Dr. Joseph Rottmann, Geschäftsführer Varusschlacht im Osnabrücker Land. „Das Projekt Kalkriese strahlt als Kooperation zwischen der Universität Osnabrück, dem Land Niedersachsen, dem Landkreis Osnabrück und dem Museum weit über unsere Region hinaus. Kalkriese ist aus wissenschaftlicher Sicht ein hochattraktiver Standort, an dem es lohnt weiter zu graben, wie die aktuellen Funde und Befunde zeigen“, so Prof. Dr. Wolfang Lücke, Präsident der Universität Osnabrück.

Die neuen Erkenntnisse führen zu immer neueren Fragen. Trotz der Bemühungen der Forscher die alten Befunde zu rekonstruieren und zu interpretieren, so ist es doch schier unmöglich alles zu erforschen. Die Ausgrabungen in Kalkriese befassen sich nur mit einem kleinen Teil des Schlachtfeldes der Römer gegen die Germanen. Aus welcher Richtung kamen die Römer? Und wo lassen sich weitere Lager- oder Gefechtsorte ausmachen? Von wo aus haben die Germanen angegriffen und die Römer womöglich in einen Hinterhalt gelockt? Wo können neue Fundstellen ausgemacht werden und wie weit nach Osten zieht sich der Fundschleier tatsächlich? Die Suche nach Antworten auf diese und weitere Fragen kommen auf die rund 20 Festangestellten Archäologen zu. Finanziert wird das Projekt übrigens u.a. durch staatliche Zuschüsse und der Universität Osnabrück, aber auch die Volkswagen-Stiftung spendet regelmäßig in die Ausgrabungen. Durch den Eintrittspreis der Besucher wird das Vorhaben ebenfalls unterstützt.

Roemische-Goldmuenze_KalkrieseÜberraschend ist auch, dass trotz der langen Ausgrabungen und tatkräftigen Bemühungen der Archäologen relativ wenig Artefakte entdeckt wurden. Alle gefundenen Relikte seit Anbeginn der Ausgrabungen im Jahre 1987 würden bloß eine Schubkarre füllen. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Römer in Kalkriese nur auf Durchreise waren und deshalb nicht viel Hab und Gut bei sich trugen. Dennoch konnten die Forscher auch einige verblüffende Funde an den Tag legen. Neben Goldmünzen oder aufwendig bemalten Schatullen, wurde im Jahre 1990 auch eine Silbermaske gefunden. Diese diente einst als Gesichtsmaske eines Reiterhelms. Im Jahre 1994 wurde ebenfalls ein sensationeller Fund entdeckt; nämlich eine große Grube mit menschlichen und tierischen Überresten. Im Zuge von Baumaßnahmen des Museums im Jahre 2000 wurden ebenfalls Skelette und Knochen gefunden. Diesmal entdeckten die Archäologen ein fast vollständig erhaltenes Maultierskelett. In den Jahren 2003 und 2004 wurden zwei weitere Knochenguben untersucht. Neben Überresten aus längst vergangener Zeit wurden erstaunlicher Weise auch Silber- und Goldmünzen gefunden. Forscher gehen daher davon aus, dass die Grube einst als Falle für die Römer von den Germanen errichtet wurde.

Weitere archäologische Ausgrabungen sind geplant im 30 Quadratkilometer großen Schlachtareal, aber sicherlich auch im Museumspark, einem der Hauptkampfplätze. „Das Forscherteam wird versuchen, den großen Kontext, aber auch die kleinräumigen Szenarien besser zu erfassen. Dabei werden sicherlich viele kleine und große Erkenntnisse ans Tageslicht kommen, über die wir heute noch nichts wissen“, so Dr. Joseph Rottmann.

Stippvisite auf der Ausgrabung

Für alle Interessierten, die einem echten Archäologen über die Schulter schauen möchten, bietet das Varusschlacht-Museum vom 1. bis 3. Oktober 2017 während des Forum Kalkriese die Möglichkeit zur „Stippvisite auf der Ausgrabung“. An den Thementagen am Feiertagswochenende steht die Archäologie im Fokus. Hier haben die Besucher die einmalige Gelegenheit, mit dem Kalkrieser Archäologie-Team ins Gespräch zu kommen und die vielfältige Arbeit bei der Erforschung des antiken Schlachtfelds hautnah kennenzulernen. Zusätzlich zur Stippvisite stehen Werkstattführungen, archäologische Parkführungen, Aktionen mit den Sondengängern und viele weitere Programmpunkte auf dem Plan. Weitere Informationen sind unter www.kalkriese-varusschlacht.de erhältlich.

Wer leider nicht zur Stippvisite kann, muss nicht traurig sein. Seit dem Frühjahr 2017 bietet das Museum für Kinder und Schüler das sogenannte „GrabungsCamp“ an. Die Kleinen können hier arbeiten, wie echte Profis. Dabei lernen sie die Methoden der Archäologie näher kennen und wenden sie sogar selbst an: In vier verschiedenen, extra konzipierten Ausgrabungsstellen kann das eigene Können unter Beweis gestellt werden. Aber auch die Bedeutung des Ortes Kalkriese wird den Kindern und Jugendlichen auf spielerische und spannende Art vermittelt. Weitere Informationen zum Camp gibt es auf: http://www.kalkriese -varusschlacht.de/schulen/grabungscamp-kalkriese/

Fotos: © Jürgen Riedel / OWL-Journal