Oerlinghausen (iw). Auf circa fünfzehn Meter, innerhalb weniger als zehn Sekunden, eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h und dann …. abheben.
Die Segelflugschule in Oerlinghausen ist einer der schönsten Flugschule Europas. Vom ersten Start des Luftsportes bis hin zur Wettbewerbsfliegerei in Theorie und Praxis kann hier alles gelernt werden. Die Segelflugschule wurde 1952 eröffnet und bietet sowohl den Segel- als auch den Motorflug an. Seit 2002 gibt es etliche Neubauten, wozu u. a. der Fitness-, Sauna- und Schlafbereich zählt. „Insgesamt verfügen wir über 26 Betten“, erzählt Helmut Gerbig-Brathge. Er ist an der Oerlinghausener Segelflugschule sowohl der Schulleiter, als auch Fluglehrer und Ausbilder. 1966 erkundete der 63-Jährige zum ersten Mal die Welt von oben. Kennzeichnend für die Oerlinghausener Segelschule ist der durchgängiger Flugbetrieb von März bis Oktober.
Wir vom OWL-Team durften einen Tag lang hautnah dabei sein und mit Fluglehrer Helmut Gerbig-Brathge unseren ersten Segelflug antreten.
Segelflugzeuge sind circa 20m breit. Sei können auch mit einem Motor ausgestattet sein, der meist auf langen Strecken eingesetzt wird, um auch bei grenzwertigen Wetterbedingungen sicher den Heimweg anzutreten. Die handgefertigte Oerlinghausener-Sonderanfertigung mit Motor wiegt ungefähr 470kg und kostet 130 000 Euro.
Immer wieder betont Gerbig-Brathge die Wichtigkeit des Gespürs für das Fliegen: „Der Auszubildende muss lernen mit dem Medium der Luft zu agieren und sein Beschleunigungsvermögen schulen. Er muss ein Gespür dafür entwickeln sicher zu fliegen und Aufwinde zu erkennen. Dann hat er den Kopf frei für die Luftraumbeobachtung.“ Aufwinde bilden sich meist über den Bergen oder unter den Wolken und sorgen für einen Aufstieg.
„Jugendliche dürfen ab 13 Jahren fliegen. Ab 14 Jahren können sie auch alleine fliegen, während die Fluglizenz mit 16 Jahren erworben werden kann“, sagt Gerbig-Brathge.
Sirko Heine fliegt seit 1987. Der aus Hamm stammende Fluglehrer stellt fest: „Fliegen ist ein Gruppensport. Alleine komme ich nicht in die Luft. Dazu brauche ich einen an der Schaltzentrale, einen Windfahrer und einen an der Fläche.“ Die Person an der Fläche gibt mithilfe von Armbewegungen der Schaltzentrale Bescheid, dass der Pilot bereit ist zu starten. Dieser telefoniert mit dem Windfahrer, der auf der anderen Seite der Start- und Landefläche seine Position bezieht und gibt ihm über den angehenden Abflug Bescheid. Dann: Abflug.
Der Anstieg nach dem Start ist deutlich steiler als der eines großen Passagierflugzeuges. Vergleichbar ist er mit dem Aufstieg eines Jets. Die Beschleunigung wiederum ist ähnlich wie die einer Achterbahnfahrt.
Es ist ein unfassbares und zugleich faszinierendes Gefühl lediglich mithilfe der Naturgewalten oben in der Luft zu fliegen. Oerlinghausen, Bielefeld, Schloss Holte, schemenhaft Paderborn, Porta Westfalica und Bielefeld: In einer Höhe von bis zu 700 Meter mit einer Geschwindigkeit von 80-100km/h ist eine atemberaubende Sicht zu genießen.
Überraschend: Höhenangst kann nicht entstehen. Denn: „Der Mensch steht immer senkrecht zur Fläche. Dadurch entsteht Höhenangst. Beim Segelfliegen hat man jedoch keine senkrechte Fläche unter sich, weil man schließlich frei in der Luft schwebt“, erklärt Helmut Gerbig-Brathge.
„Zur Zeit haben wir ein Sonderangebot, in dem Segelfluginteressierte einen zweiwöchigen Segelfluggrundlehrgang für 990 Euro belegen können. Das beinhaltet die Schlafunterkunft, das Essen und das Fliegen mit abschließender Segelfluglizenz“, so Gerbig-Brathge. Der Preis gilt für Teilnehmen bis zum 25. Lebensjahr. Maximal 55 Starts in einer Gesamtflugzeit von acht Stunden sind von Montag bis Samstag möglich.
Auch an einem Schnuppertag können für 145 Euro die Grundtechniken erlernt werden. Der Preis beinhaltet außerdem vier Segelflüge.
„Segelfliegen ist ein Familiensport“, davon ist Eva Sinner überzeugt. Sie macht zusammen mit ihrer Tochter Lisa das dritte Jahr in Folge Urlaub in der Segelschule Oerlinghausen. Wohnhaft sind sie in Wien.
Ihr Vater, Wolf Schmidt, hatte am 26. April 1970 seinen ersten Start im Segelflugzeug. „Das Alleinsein. Das ist das Schönste am Fliegen“, hält der 74-jährige HNO-Arzt fest. Er nennt es: „Mit dem Wind tanzen.“ Weiter: „Das Fliegen gibt mir die Möglichkeit vom beruflichen Dasein und dem Alltag Abstand zu nehmen.“
Wir halten fest: Segelfliegen ist ein unglaubliches und einzigartiges Erlebnis. Wir würden es jederzeit wiederholen! Vielen Dank an die Segelschule Oerlinghausen und insbesondere an Helmut Gerbig-Brathge für seine persönliche Betreuung.
Kontaktdaten: Homepage: http://www.segelflugschule-oerlinghausen.de/index.php?id=1, Telefonnummer 05202-9969-0, Adresse: Robert-Kronfeld-Straße 11.
BU1: OWL-Team erfolgreich gelandet: Jessica Gleicher, Lena Kley, Fuglehrer Helmut Gerbig-Brathge, Ines Wollenteit und Christina Kimbel (v.l.).
BU2: Startvorbereitung: Helmut Gerbig-Brathge, Wolf Schmidt, Jessica Gleicher und Lisa Sinner (v.l.).
BU3: Blick in die Ferne.
BU4: Wolf Schmidt zeigt uns sein Flugbuch.
Text: InesWollenteit
Fotos: Jessica Gleicher/ Lena Kley