Mehr Flexibilität in der Energiewende und der beruflichen Bildung

Am 24. September diskutierten Prof. Dr. Johannes Üpping und Prof. Dr. Boris Stemmer von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL), Landtagsabgeordneter und Bäckermeister Matthias Goeken, der Landrat des Kreises Höxter, Michael Stickeln und Petra Görtz vom Berufskolleg des Kreises Höxter unter dem Motto „Höxter 2030+ Klima, Energie und Beruf II“ über Klima- und Zukunftsthemen. Die Veranstaltung fand im Rahmen der Landesgartenschau 2023 in Höxter statt.

Höxter. Zu Beginn stellten drei Studierende aus dem Fachbereich Landschaftsarchitektur und Umweltplanung der TH OWL eine Studie vor, die sie gemeinsam mit Prof. Dr. Boris Stemmer durchgeführt hatten. Darin beschrieben sie vier verschiedene Szenarien (Trend-, Wirtschafts-, Natur- und Landschaftsszenario) vor, die mehrere mögliche Arten des Ausbaus erneuerbarer Energien und ihre Auswirkungen auf den Kreis Höxter zeigen. Darüber hinaus wiesen sie darauf hin, dass auch das Recycling und die Entsorgung der genutzten Materialien (z.B. von Rotorblättern) zu berücksichtigen sei, wie auch mit Möglichkeiten der Speicherung des erzeugten Stroms. Zudem sei die Gewinnung von Fachkräften zur baulichen Umsetzung von erneuerbaren Energieanlagen notwendig.

Dem folgte ein Kurzvortrag von Prof. Johannes Üpping vom Fachbereich Elektrotechnik der TH OWL, in dem er den Gewinn und Verbrauch von erneuerbaren Energien bis ins Jahr 2050 hinein berechnet.

Anschließend ging es in der von Moderator Michael Krakow geleiteten Diskussion um den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Rolle der beruflichen Bildung dabei. Allgemein wurden die Möglichkeiten und auch Grenzen der beruflichen Ausbildung im ländlichen Bereich aufgezeigt. Zudem wurden Herausforderungen und Chancen des bevorstehenden Transformationsprozesses im Kreis Höxter beleuchtet.

Petra Görtz verdeutlichte zusammen mit Michael Stickeln anhand verschiedener Beispielen, wie die Attraktivität der beruflichen Bildung am Berufskolleg Kreis Höxter gesteigert wird. Dazu zählen etwa besonderen Räumlichkeiten (z.B. Digi Lab Being Social, tec4you-Lab), mehr Digitalisierung am Berufskolleg, Kooperationen und Projekte (z.B. Regionales Bildungszentrum). Zugleich sei die berufliche Ausbildung im ländlichen Bereich zunehmend gefährdet, da die unflexible Mindestanzahl von 16 Auszubildende für bestehende Ausbildungsgänge und 22 Auszubildende für neue Ausbildungsgänge dafür sorgen, dass Ausbildungsgänge in den nächsten Jahren wahrscheinlich beendet werden müssen bzw. keine neuen Ausbildungsgänge entstehen können. Verschiedene Lösungsansätze seien vorhanden, nur leider sei die Anwendung durch Vorgaben und Regularien kaum möglich. Angesichts der Transformationen im Kreis Höxter sei es daher notwendig, dass sich die berufliche Ausbildung dem verändernden Bedarf an Fachkräften entsprechend anpassen kann. Um die berufliche Ausbildung im ländlichen Bereich zu sichern, brauche es in der Beschulung der Auszubildenden mehr Flexibilität, Kooperation und Digitalisierung.

Der Landtagsabgeordnete Matthias Goeken wies daraufhin, dass er sich mit Anträgen an das jeweilige Ministerium für eine bessere Situation der beruflichen Bildung einsetze, da ihm als Bäckermeister die berufliche Bildung am Herzen liege. Aus seiner Sicht sollte es keine Gegensätze zwischen der beruflichen und akademischen Bildung geben. Er wünscht sich mehr Durchlässigkeit zwischen den beiden Systemen und weist daraufhin, dass Module für Auszubildende z.B. von Fachschulen oder Hochschule angeboten werden sollten, damit eine Weiterbildung ermöglicht wird. Zudem gebe es allein in NRW 60.000 junge Menschen, die nach der Schule noch keine weitere (Aus-)Bildung machen. Würde man sie für die berufliche Bildung gewinnen, könnte es den Fachkräftemangel deutlich mildern. Hinsichtlich der Forderung nach mehr Flexibilität schließt er sich Petra Görtz und Michael Stickeln an, wobei er sich zudem eine andere Fehlerkultur wünsche.

Auch Prof. Johannes Üpping plädierte für eine stärkere Durchlässigkeit zwischen akademischer und beruflicher Bildung sowie der regionalen Wirtschaft. Nur so könne Wissenstransfer stattfinden. Für die berufliche Bildung brauche es mehr Flexibilität – beispielsweise, indem auch Fachkräfte aus Unternehmen Lehrveranstaltungen an der Hochschule besuchen können. Oftmals scheitere das aber ähnlich wie bei der Energiewende an zu viel Bürokratie. Es brauche stattdessen mehr „pragmatische Illegalität“. Ebenfalls betonte Üpping, dass die technologischen Mittel für die Energiewende vorhanden seien, es aber klare Willensbekundungen von Politik und Gesellschaft bräuchte. Außerdem müsse man viel stärker die Vorteile der Energiewende für die Gesellschaft und die Vorzüge der beruflichen Bildung herausstellen.

Prof. Dr. Stemmer resümierte, dass es große Potenziale bezüglich der Erzeugung erneuerbarer Energien gebe, woraus sich große Chancen für die Menschen im Kreis Höxter ergäben. Das müsse man den Menschen erklären und sie dadurch mitnehmen. Auch die Hochschule könne durch die Ausbildung der Studierenden eine große Rolle spielen, die vor Ort für die Energiewende tätig werden könnten. Zudem könnte die akademische Bildung inhaltlich durch das Aufzeigen verschiedener Optionen bzw. Entscheidungsspielräume im Prozess unterstützen.

Wer mehr zu weiteren spannenden Ideen und Lösungen für die Herausforderungen der Energiewende und der beruflichen Bildung wissen möchte, findet den Stream der Podiumsdiskussion bei YouTube unter dem Titel „Höxter 2030+ Klima, Energie und Beruf (II)“.

Die Podiumsdiskussion wurde organisiert von Bildungsbrücken OWL, einem Verbundprojekt der Kreishandwerkerschaft Paderborn-Lippe, des Kreises Lippe, der Lippe Bildung eG und der Technischen Hochschule OWL. Das Projekt wird im Rahmen des Innovationswettbewerbes InnoVET durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.