Ein Oktopusbypass gegen die versteckte Gefahr

Gütersloh. Als Rose Mehlberg zur regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung ins Klinikum Gütersloh kam, hatte sie keine Schmerzen, nichts deutete auf eine Erkrankung hin. Dennoch tickte eine kleine Zeitbombe in ihrem Körper: Ihre Bauchschlagader war stark erweitert. Bleibt ein solches so genanntes Bauchaortenaneurysma unerkannt, kann die Aussackung reißen und zu gefährlichen inneren Blutungen führen. Dank der rechtzeitigen Entdeckung und einer speziellen und seltenen Operationsmethode konnte die gefährliche Erkrankung erfolgreich im Klinikum Gütersloh behandelt werden.

Rose Mehlberg und Fahed Kazkaz (leitender Oberarzt der Gefäßchirurgie) nach der innovativen Operation, durch die ein gefährliches Bauchaortenaneurysma erfolgreich behandelt werden konnte.

Rose Mehlberg und Fahed Kazkaz (leitender Oberarzt der Gefäßchirurgie) nach der innovativen Operation, durch die ein gefährliches Bauchaortenaneurysma erfolgreich behandelt werden konnte.

Von einem Bauchaortenaneurysma sind meist Menschen über 60 Jahre betroffen, in Einzelfällen auch Jüngere. Rauchen, hoher Blutdruck oder Stoffwechselstörungen können zur Erweiterung der Arterie führen. Entdeckt wird die Erkrankung in der Regel erst durch eine Ultraschalluntersuchung des Bauches – Symptome oder Warnzeichen gibt es häufig nicht. Im Laufe der Jahre erweitert sich die Arterie immer weiter und wird so zur tödlichen Gefahr: Jährlich sterben vermutlich zehntausende Patienten an den Folgen einer geplatzten Bauchschlagader. Aneurysmen im Bauchraum sind besonders problematisch, da von hier alle lebenswichtigen Organe mit Blut versorgt werden.

Kommt ein Patient mit einem Bauchaortenaneurysma ins Krankenhaus, gibt es drei Möglichkeiten der Behandlung: Eine große offene Operation, bei der das gesamte Gefäß herausgenommen und ersetzt wird, ein minimal-invasiver Eingriff, bei dem das Gefäß durch einen eingesetzten Stent gestützt wird, oder eine Hybrid-Operation. „Aufgrund der Vorerkrankungen und der vielen Blutgerinnsel in den Gefäßen von Rose Mehlberg kam in ihrem Fall eine minimalinvasive Operation nicht in Frage. Eine klassische offene Operation hätte zu einem großen Trauma geführt. Auch die Sterblichkeit ist bei dieser OP-Methode vergleichsweise hoch“, erklärt Fahed Kazkaz, leitender Oberarzt in der Klinik für Gefäßchirurgie. Die Ärzte entschieden sich daher für die dritte Variante, bei der beide Verfahren miteinander kombiniert werden: In einer ersten Operation schlossen die Ärzte alle wichtigen Schlagadern im Bauchraum an Bypässe an. Durch diese Gefäßumleitungen wurden die inneren Organe – die Nieren, die Leber, die Milz und der Darm – an die Blutversorgung angeschlossen, um deren Versorgung während des etwa sechsstündigen Eingriffs zu gewährleisten. „Das Implantat wird aufgrund der vielen ‚Arme‘ auch Oktopusbypass genannt“, so Kazkaz. Nach der Operation und einer anschließenden Reha werden in einem zweiten minimal-invasiven Eingriff rohrförmige, durch Katheter über die Leistenschlagader eingeführte Stentprothesen in der Hauptschlagader freigesetzt, welche den Blutstrom in die gefährliche Aneurysmahöhle ausschalten.

Für eine Operation dieser Art ist eine hohe gefäßchirurgischen Qualifikation notwendig, sie gilt als eine der schwierigsten überhaupt. Nur wenige Kliniken in Deutschland sind in der Lage, diesen Eingriff durchzuführen. „Die Methode ist etabliert, wird aber sehr selten genutzt. Bislang mussten Patienten aus unserer Region bis nach Münster oder Hannover fahren, um mit diesem Verfahren operiert zu werden. Nun ist dies auch im Klinikum Gütersloh möglich“, freut sich Fahed Kazkaz. Die Klinik für Gefäßchirurgie unter Chefarzt Dr. Michael Maringka ist das einzige zertifizierte Gefäßzentrum im Kreis Gütersloh und ist auf die Diagnose und Therapie des Bauchaortenaneurysmas spezialisiert.

Rose Mehlberg ist sehr zufrieden mit dem Eingriff: „Die erste Operation ist gut verlaufen, obwohl sie so aufwendig und belastend ist. Die CT-Nachkontrollen sehen gut aus und ich kann schon bald meine Reha-Maßnahme antreten. Ich bin dem Team der Gefäßchirurgie sehr dankbar.