Bielefeld. Das Offkino startet wieder im September! Natürlich vorausgesetzt, dass es zu der Zeit keine neuen Beschränkungen gibt, die gegen den Kinobetrieb sprechen. In unserem Filmprogramm unter dem Motto „Das hat ein Nachspiel“ spielen wir die Filme nach, die wir vor Corona für März, April und z.T. Mai fest eingeplant hatten. Ein Nachholtermin von „Blut an den Lippen“ in Anwesenheit des Regisseurs Harry Kümel ist in Arbeit. An den Spielabenden gelten die offiziellen Coronaverordnungen!
Ab September wieder immer freitags, Filmbeginn um 20:30 Uhr, Einlass ab 20:00 Uhr:
04.09. „Verdammt in alle Ewigkeit“
11.09. „Das Kind“
18.09. „Wiegenlied für eine Leiche“
25.09. „Paris Calligrammes“ (inkl. Videokonferenz mit Regisseurin
Ulrike Ottinger)
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FREITAG, 04.09., 20:30 UHR Verdammt in alle Ewigkeit
OT: From Here to Eternity // USA 1953 // 118 Min. / 35mm / DF / s/w // Regie: Fred Zinnemann // Mit Burt Lancaster, Montgomery Clift, Deborah Kerr, Frank Sinatra u.a.
Ein Leinwandkuss, der dem Filmtitel alle Ehre macht. Zum einen haben Deborah Kerr und Burt Lancaster mit ihrem „Strandgeflüster“ Filmgeschichte geschrieben. Zum anderen war „der Kuss“ für das prüde Amerika der 1950er Jahre „too much“. Deborah Kerr hat lange gebraucht, sich von dieser Filmszene zu emanzipieren.
Wir schreiben das Jahr 1941. Amerika steht vor dem Kriegseintritt. Kurz vor dem japanischen Angriff auf Pearl Habor läßt sich Korporal Prewitt (Montgomery Clift) nach Hawaii versetzen. Denn er wollte nicht mehr für seine Truppe boxen, seit ein Freund infolge seiner Hiebe erblindet ist. Dort aber herrschen rauhe Sitten und auch hier soll er in der Boxstaffel tätig werden. Prewitt verweigert seinen Einsatz und wird daraufhin grausam schikaniert. Nur drei Freund_innen halten zu ihm: Sergeant Warden (Burt Lancaster), die Bardame Lorene (Donna Reed) und der Soldat Maggio (Frank Sinatra). Als Letzterer durch eine Intrige stirbt, sieht Prewitt rot und desertiert. Bis die Japaner kommen…
„Kein Film seit „Gone With the Wind“ (1939) hatte die Academy Awards derart dominiert wie „From Here to Eternity“. Für 13 „Oscars“ war er nominiert und er gewann acht in einer Reihe der wichtigsten Kategorien, darunter Bester Film, Bester Nebendarsteller (Sinatra), Beste Nebendarstellerin (Reed), Bester Regisseur, Bestes Drehbuch. Die Feuilleton-Federn auflagenstarker Zeitungen überhäuften das Werk mit positiven Kritiken, außerdem spielte es ein Vielfaches seiner Produktionskosten ein. „From Here to Eternity“ gehörte zu den Höhepunkten einer Ära des Filmemachens, die schon bald vorüber sein sollte.“ Filmkuratorium
Das Lexikon des Internationalen Films schreibt: „[…] einer der besten Männerfilme Hollywoods“. Auf der anderen Seite ist das Drehbuch aber so angelegt, dass den beiden wichtigen Frauenrollen deutlich mehr Raum und Persönlichkeit beigemessen wird, als es die meisten Hollywood-Filme dieser Zeit taten.
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FREITAG, 11.09., 20:30 UHR Das Kind
OT: L’enfant // BE, F 2005 // 100 Min. / Blu-Ray / OmU // Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne // Mit Jérémie Rénier, Déborah François, Fabrizio Rongione, Olivier Gourmet u.a.
Ein Markenzeichen der belgischen Filmemacher und Brüder Jean-Pierre und Luc Dardenne ist ihr nahezu dokumentarischer und ungeschönter Blick auf randständige Charaktere und Geschichten, ihre ganz spezielle „Mischung aus sozialem Realismus und Humanismus“ (M. Kienzl, critic.de). Wie „Rosetta“ (1999), den wir im September 2017 im Offkino zeigten, spielt „Das Kind“ vor der Kulisse der vom Strukturwandel gezeichneten, ehemaligen Bergbaustadt Seraing (Liège), der die Regisseure auch selbst entstammen; und ebenso wie „Rosetta“ wurde „Das Kind“ auf den Filmfestspielen in Cannes mit deren höchster Ehrung ausgezeichnet, der Goldenen Palme.
„Das Kind“ bildet den Auftakt zu unserer ursprünglich für Mai 2020 geplanten, nun nachgespielten Reihe zum Thema Reue. Der Film erzählt von Bruno und Sonia, sehr jung und am Rande der Gesellschaft lebend. Sie sind ein Paar, auch wenn sie sich für kurze Zeit aus den Augen verloren haben. Bei ihrem Wiedersehen stellt Sonia Bruno „das Kind“ vor – den kleinen Jimmy, den sie kürzlich zur Welt gebracht hat. Gewohnt, sich auch mit Gaunereien über Wasser zu halten und alles zu Geld zu machen, was ihm zur Verfügung steht, entschließt sich der junge Vater spontan dazu, das Kind zu verkaufen. Wenn auch Sonias ungläubiges Entsetzen, ihr Zusammenbruch und ihre Abscheu gegenüber Bruno ihn umgehend dazu bewegen, den Deal rückgängig machen zu wollen, so wird ihm die ganze Tragweite seines Handelns erst klar im Lauf eines immer verzweifelteren Kampfes darum, sein Kind wiederzubekommen.
„Das große Kunststück des Films ist es, gewissermaßen von der Läuterung Brunos zu erzählen, dabei aber sämtlichen Versuchungen zu widerstehen, moralisch zu urteilen. Überhaupt ist die große Stärke des Films sein Wechselspiel aus Emotion und Distanz. Hier dient die Identifikation mit den Figuren nicht reinem Mitgefühl, sondern macht deren Handlungen und Beweggründe begreifbar. Dabei rutscht L’enfant eben nicht ins Sentimentale ab, weil die Emotionen zwar gezeigt werden, den Film aber nicht überwältigen.“ M. Kienzl, critic.de
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FREITAG, 18.09., 20:30 UHR Wiegenlied für eine Leiche
OT: Hush… Hush, Sweet Charlotte // USA 1964 // 135 Min. / 35mm / OV / s/w // Regie: Robert Aldrich // Mit Bette Davis, Olivia de Havilland, Agnes Moorehead, Victor Buono, Joseph Cotten, Mary Astor, Bruce Dern u.a.
Im ländlichen Louisiana der frühen sechziger Jahre fristet die alternde, unverheiratete Charlotte Hollis (Bette Davis) trotz aller Privilegien ihrer Hautfarbe, Herkunft und ihres Vermögens ein tristes Dasein: Verhöhnt und gefürchtet in ihrem Heimatort, lebt sie im stattlichen Familiensitz als Gefangene ihrer düsteren Vergangenheit – trotz fürsorglicher Dienste der treuen Haushälterin Velma (Agnes Moorehead). Denn ungeachtet ihres wehrhaften und stolzen Auftretens quälten Charlotte zeitlebens diffuse Schuldgefühle. Als junge Frau wurde ihr Plan, mit dem verheirateten John Mayhew am Abend ihres Debütantinnenballs durchzubrennen, durch dessen grausige Ermordung zunichte gemacht. Charlotte, die die Leiche fand, stand damals unter Schock und konnte sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern; ihr standesbewusster Vater hatte wenig später Selbstmord begangen. Als zu allem Unglück auch noch ihr geliebtes Haus wegen Straßenbauarbeiten abgerissen werden soll, ruft Charlotte ihre weltgewandte Cousine Miriam (die kürzlich verstorbene Hollywood-Veteranin Olivia de Havilland) zur Hilfe. Wird es Charlotte zusammen mit ihrer Gefährtin aus Jugendtagen gelingen, das Geheimnis um Mayhews Tod zu lüften und sich aus den Fesseln der Vergangenheit zu befreien?
Zwei Jahre nach ihrem Comeback in „What Ever Happened to Baby Jane?“ (Offkino-Spieltermin vom September 2019) und wieder unter der Regie Robert Aldrichs, glänzt Bette Davis hier in einer weiteren berühmt-berüchtigten Altersrolle und als Teil eines umwerfenden Ensembles. „Hush, Hush, Sweet Charlotte“ wurde für sieben Academy Awards nominiert; außerdem erhielt Agnes Moorehead einen Golden Globe (Beste Nebendarstellerin) und das Drehbuch (Henry Farrell, Lukas Heller) den Edgar Allan Poe-Award. Dabei war der Film ob seiner für die Zeit ungewöhnlich drastischen Schockeffekte nicht unumstritten. Der „Evangelische Filmbeobachter“ fällte gar das vernichtende Urteil: „Von Komplexen, Wahnvorstellungen und Rachegelüsten getriebene Kranke entfesseln ein an Anormalitäten [sic] reiches Spiel, das nur noch Abscheu hervorruft. Auch Erwachsenen abzuraten.“ Wir hingegen raten dem geneigten Publikum, alle Warnungen in den Wind zu schlagen und empfehlen dieses höchst vergnügliche Southern Gothic-Gruseldrama in der englischspracgen Originalfassung!
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FREITAG, 25.09., 20:30 UHR Paris Calligrammes
(Die Regisseurin Ulrike Ottinger wird per Videokonferenz am Filmabend
anwesend sein!)
D, F 2019 // 129 Min. / DCP / // Regie: Ulrike Ottinger
– Wir freuen uns sehr, dass Ulrike Ottinger zu dem Screening ihres aktuellen Films am Abend per Videokonferenz anwesend sein wird! –
Wir schreiben das Jahr 1962, als sich Ulrike Ottinger von ihrer Heimatstadt Konstanz aus nach Paris aufmacht, weil ihr die politische Situation in Deutschland unerträglich geworden ist. Unterwegs sieht sie sich gezwungen ihre mit Eulen bemalte himmelblaue Isetta mit einem Motorschaden am Straßenrand zurückzulassen. Weiter geht die Reise als Anhalterin in einem großen schwarzen Citroën mit fünf Herren in Hut und Mantel, die Ottinger vorkommen „wie Bankräuber oder Darsteller eines Film Noir„. Kann eine Geschichte, die so beginnt, auf etwas anderes hinauslaufen als auf ein großes Abenteuer?
„Ich war 20 Jahre jung und mit dem festen Ziel nach Paris gekommen, eine große Künstlerin zu werden„, so setzt die Erinnerung Ottingers ein. In „Paris Calligrammes“ stellt sie sich der Herausforderung, einen Film zu machen „aus der Perspektive einer sehr jungen Künstlerin, an die ich mich erinnere, mit der Erfahrung einer älteren Künstlerin, die ich heute bin“.
In einem dichten Strom aus akustischem und visuellem Archivmaterial, verknüpft mit eigenen künstlerischen und filmischen Arbeiten, lässt Ottinger Saint-Germain-des-Prés und Quartier Latin mit ihren Literatencafés und Jazzkellern, die Begegnung mit Vertreter_innen des jüdischen Exils, das Zusammenleben mit ihren Künstler_innenfreunden, die Gedankenwelt der Pariser Ethnolog_innen und Philosoph_innen, die politischen Umwälzungen des Algerienkrieges und des Mai 68 und das Erbe der kolonialen Zeit wieder aufleben. „Ich folgte den Spuren meiner Heldinnen und Helden“, erzählt Ottinger, „und wo immer ich sie fand, werden sie in diesem Film erscheinen.“
„Unter Schnee“, „Johanna d’Arc of Mongolia“ und „Bildnis einer Trinkerin“ waren besondere Filmperlen in unserem Programm. Ulrike Ottinger ist eine Künstlerin, die sich dadurch auszeichnet, seit vielen Jahren experimentierfreudig und unerschrocken Genregrenzen zu sprengen und dabei ein eindrucksvolles, vielschichtiges Werk geschaffen hat.
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EINTRITT: 6€, ERMÄSSIGT 5€
*UNSERE VORFÜHRUNGEN BEGINNEN PÜNKTLICH UM 20:30 UHR. DER EINLASS NACH FILMBEGINN IST NICHT MÖGLICH.
Links: http://www.offkino.de