„Brutal schön“ – Neue Marta-Ausstellung ab 07.02.2016

Welcome-BobbyHerford. (MP) Vom 7. Februar bis 1. Mai zeigt Marta Herford eine neue Ausstellung unter dem widersprüchlich anmutenden Titel „Brutal schön“. Gezeigt werden Filme, Fotografien sowie zahlreiche Kunst- und Designobjekte. Diese werden in verschiedenen Themenbereichen präsentiert. Immer geht es jedoch um Gewalt und Design und wie sich beides gegenseitig beeinflusst.
Gerade in Zeiten, in denen Krieg, Gewalt und Terror stets präsent sind, stellt sich die Frage, wie Kunst und Design mit diesen Themen umgehen und verbunden sind. Etwa 100 Werke von 40 Designern aus verschiedenen Nationen beschäftigen sich in der Ausstellung mit dieser Frage.

Den Eingangsbereich gestaltete der Szenograf Matthias Megyeri genauso konträr, wie das Thema an sich ist: Ein Sicherheitszaun mit Comicfiguren als Spitzen zur Abwehr grenzt den Eingang ab. Was zunächst wie eine Warnung wirkt, wird zugleich wieder aufgehoben. Denn direkt im Anschluss wird der Besucher von einem Formgebung-GewaltBild, das einen freundlich dreinblickenden englischen Polizisten mit offenen Armen und dem Wort „Welcome“ zeigt, begrüßt.

Im ersten Teil der Ausstellung, der unter dem Titel „Design und sein Schatten“ läuft, wird der Besucher direkt mit den Schattenseiten von Kunst und Design konfrontiert. Waffendesign wird u. a.  mittels eines historischen Films gezeigt. Aber auch die Gewalt, die man einem Objekt durch Formgebung „antut“, wird thematisiert. Zudem geht es um die Instrumentalisierung von Objekten. Deutlich wird, dass Gewalt oftmals unsichtbar ist.

Kopf-TaschenEin Fallbeispiel zeigt „Gewalt als Rohmaterial“. Darunter befinden sich den Holocaust darstellende Objekte, bspw. ein Zaun, der an solche in Auschwitz angelehnt ist, oder auch ein Davidstern. Jerusalem ist ein weiteres Thema. Ein Tisch mit zwei Platten stellt so z. B. die geteilte Stadt dar. Auch ein Regal, das aus einer Munitionskiste gefertigt wurde, findet hier seinen Platz. Keines der Objekte soll Zynismus zeigen, im Gegenteil verstehen sich alle als ernstgemeinte Designobjekte, betont Friederike Fast, verantwortliche Kuratorin der Ausstellung. Es handelt sich sowohl um Prototypen als auch um frei verkäufliche Objekte. Selbstverständlich ist kein Objekt ein Massenprodukt, sondern stets ein Unikat.

Weiter geht es zum zweiten Teil der Ausstellung, in dem „Gewalt sichtbar gemacht“ wird. Es geht also um Visualisierung von Gewalt. So sind u. a. Teppiche aus Afghanistan zu sehen, auf Rote-Schale-Waterloodenen Kriegsszenen abgebildet sind. Traditionelles Design wird somit mit aktuellen Elementen verknüpft. Ein weiteres Objekt aus diesem Bereich ist eine rote Schale aus Kunststofffiguren, die die Schlacht von Waterloo visualisiert.

„Gewalt abbauen“ ist der dritte Teil der Ausstellung. Hier werden einige Filme, Projekte, Ideen und Strategien gezeigt. Nahezu die ganze Welt soll hier vertreten sein. Es handelt sich um symbolische Objekte. Verfeindete Objekte werden quasi zusammengebracht und vereint. Auch die Müllentsorgung wird an dieser Stelle thematisiert, z. B. via recyceltem Müll, der zu Instrumenten umfunktioniert wird. So werden mit wenigen und vor allem vorhandenen Materialien neue Perspektiven Richtergeschaffen.

Ein weiteres Fallbeispiel befasst sich mit „organisierter Gewalt“. Machtverhältnisse werden dargestellt. Eine Richterfigur steht einem Monster gegenüber. Die Prügelstrafe – visualisiert durch einen Stock -, Fixiergurte und Medikamente zeigen, wie Gewalt in organisierter Form selbst im Alltag stattfindet. Dazu werden Zitate von Betroffenen vom Wittekindshof*, die als Kinder Gewalt erfahren haben, gezeigt. Außerdem sind Bilder aus der JVA Herford zu sehen, die den Alltag und das Leben im Gefängnis verdeutlichen sollen.

Das letzte Fallbeispiel steht „im Zeichen des Widerstandes“. U. a. zeigt eine große Foto-Collage die visuelle Welt, die tagtäglich verbreitet wird. Die einzelnen Bilder wurden von Laien erstellt und zeigen aktuelle Szenen in verfremdeter Form. So bekommen IS-Kämpfer Quietscheentchen-Köpfe  und Vermummte Handpuppen aufgesetzt. Hier wird der alltägliche Terror parodiert, indem ihm mit Ironie begegnet wird. Kontrastbilder werden herangezogen, um mit aktuellen Themen umzugehen.

WiderstandDie einzelnen Themenbereiche der Ausstellung werden farblich markiert, sodass der Besucher stets weiß, in welchem Teil er sich befindet. Eine Vielzahl an verwendeten Medien sorgt für Abwechslung und eine immer andere Herangehensweise an das Thema Design und Gewalt, welches zudem aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet wird. Aktualität spielt dabei eine große Rolle, aber auch historische Aspekte werden beleuchtet und eingebunden.
Es wird gezeigt, wie nah Brutalität und Schönheit beieinander liegen (können). Die Ausstellung regt zum Nach- und anders Denken an. Anschaulich wird auf verschiedene Arten und Weisen visualisiert, dass Gewalt und Design miteinander einhergehen. Durch ihre Unsichtbarkeit ist Gewalt geradezu unbemerkt stets im Alltag gegenwärtig. Die stellenweise Verrohung der sozialen Systeme kann zu brutaler Schönheit führen. Lässt der Betrachter sich auf die konträr wirkende Welt von „Brutal schön“ ein, wird ihm eine neue Perspektive und Herangehensweise auf und an das Alltägliche gewährt. Daher hat der vermeintliche Widerspruch des Ausstellungstitels und -inhalts durchaus seine Berechtigung.

* Eine diakonische Einrichtung, die Menschen mit Behinderung unterstützt.

Text: Melissa Petring
Fotos: Melissa Petring