Wagner in der Bildenden Kunst erleben

Zehn Kunstwerke in der Mindener Innenstadt geben Anlass zum Austausch und zur Auseinandersetzung

Minden. Wollfäden als „Scheinwerfer“ über der Bastau, Boden-Graffitis in der Fußgängerzone, eine weiße Sitzgruppe vor dem Theater und sechs große Steine – formiert zu einem Ring – vor dem Rathaus-Eingang. So manche/r Besucher*in der Mindener Innenstadt wird sich in diesen Tagen wundern oder gar irritiert sein. Und das ist gewollt. Denn seit dem vergangenen Samstag, 7. September, gibt es Kunst im öffentlichen Raum zu erleben. Die Ausstellung „Wagnis. Wagner“ begleitet den „Ring des Nibelungen“, der ab dem 12. September gleich zwei Mal komplett im Stadttheater aufgeführt wird.

Lorem_Ipsum_Nandor Foto: Angstenberg

Lorem_Ipsum_Nandor Foto: Angstenberg

„Minden möchte damit eine Plattform für die bildende Kunst bieten und sich als Stadt der Kultur präsentieren“, sagte die Beigeordnete für Bildung, Kultur, Sport und Freizeit, Regina-Dolores Stieler-Hinz bei der Ausstellungseröffnung am 7. September im Foyer des Stadttheaters. Unterstützt wurden das Kulturbüro der Stadt und die Minden Marketing GmbH bei der Realisierung vom „Verein für aktuelle Kunst“ im Kreis Minden-Lübbecke, aber auch vom Handel. Finanzielle Mittel für das Projekt kamen über die Regionale Kulturpolitik vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW.

„Ohne den Mut des Wagner-Verbandes Minden und seiner Vorsitzenden Dr. Jutta Hering-Winckler gäbe es diese Kunstausstellung nicht“, machte Stieler-Hinz in ihrem Grußwort deutlich. Und: Ohne die Kunst gäbe es das „Wagnis. Wagner“ nicht. Sie dankte in diesem Zusammenhang auch Beate Schmalen, Volontärin im Kulturbüro, die für die Koordination der Kunstausstellung verantwortlich war. Die „kleinen Interventionen“ im Stadtgebiet sollen zu einem Austausch und auch zur Auseinandersetzung mit Bildender Kunst anregen, wünscht sich die Beigeordnete für die kommenden vier Wochen, in denen die Projekte zu sehen sein werden. Jeden Freitag gibt es – bis einschließlich 4. Oktober – eine kostenlose Führung zu den zehn Kunstwerken. Treffpunkt ist jeweils vor dem Stadttheater. 49 Vorschläge wurden nach dem Aufruf, das „Wagnis. Wagner zu wagen“ eingereicht. Eine hochkarätig besetzte Jury bewertete diese und wählte sieben Kunstwerke aus. Drei weitere waren von Beginn an mit Beiträgen von drei Künstlern aus dem „Verein für aktuelle Kunst“ besetzt. Den Vorsitz der Jury hatte der Direktor des Museums MARTa in Herford, Roland Nachtigäller, übernommen. Er sprach bei der Ausstellungseröffnung auch die einführenden Worte.

ParallelBühne Projektion in belaubte Bäume, Foto: Peter Hübbe

ParallelBühne Projektion in belaubte Bäume, Foto: Peter Hübbe

Nachtigäller lobte den prägnanten Titel des Projekts sowie die vielfältigen Ideen der Künstlerinnen und Künstler, die sich mit der Person Richard Wagner, seinem Opernkosmos und dem historischen Kontext im Spiegel der heutigen Zeiten auseinandersetzen. „Kunst in der Gegenwart ist nicht abgeschlossen, sondern Gegenstand der Auseinandersetzung“, so der Museumsdirektor. Das trat dann auch unmittelbar ein, als die Künstlerin Tina Tonagel anschließend das Wort ergriff und darauf hinwies, dass Wagner ein Antisemit war. Sie hält aber die Trennung zwischen Werk und Person für möglich, so Tonagel weiter. Irritationen gab es im Folgenden auch bei einigen Passanten der Fußgängerzone, die die acht Bodengraffitis von Künstler Matthias Braun für illegale Schriftzüge hielten. Einige meldeten dieses sogar der Polizei.

Braun hat Zitate von Wagner ausgewählt und diese an verschiedenen Orten – mit einem Portrait von Wagner versehen – aufgesprüht. Ungewollt ist das gepflanzte Kunstwerk des Mindener Künstlers Gunnar Heilmann bereits im Vorfeld in den Mittelpunkt gerückt. Ein Mitarbeiter der Städtischen Betriebe Minden hatte die gesäten Pflanzen (Phacelia = Bienenweide) versehentlich gemäht. Die „Intervention im Königsglacis | „Magischer Ring | Zwischenfrucht“ erhielt nach dem Vorfall kurzerhand eine Titel-Ergänzung vom Künstler: „Zerstörung und Reanimation“. Insgesamt zehn Objekte, Installationen und Interventionen werden noch bis zum 6. Oktober in der Mindener Innenstadt und im Glacis zu sehen sein. Die Übersicht gibt ein Flyer, der unter anderem bei der Tourist-Info (Domstraße 2), im Rathaus (Kleiner Domhof 17) und im Wagner-Treff (Bäckerstraße 61-67) ausliegt.

Informationen zu den zehn Projekten

1. „Leitmotive im Stadtraum“, Simon Rummel und Tina Tonagel (Köln). Die Künstler haben musikalischen Leitmotive aus dem „Ring des Nibelungen“ ausgewählt, auf 27 Aluminiumschilder gedruckt und in den räumlichen Kontext der Innenstadt gebracht. Die Schilder haben einen QR-Code, womit sich der interessierte Betrachter das Leitmotiv auch anhören kann.

2. „Lorem Ipsum“, Nándor Angstenberger (Berlin). Der Künstler hat vier „Scheinwerfer“ aus bunter Kunstfaser-Wolle, Zeltheringen und Metallringen an Bäumen im Glacis installiert. Die mit Fäden gezogenen Lichtkegel machen die Landschaft somit zur Theaterbühne.

3. „Die Kunst ist frei“, Matthias Braun (Würzburg). Der Künstler hat in der Mindener Fußgängerzone acht Zitate von Richard Wagner plus Portrait als Bodengraffiti auf das Pflaster gesprüht . Er hat dafür abwaschbares Kreidespray und so genannte Stencils (Schablonen) verwendet.

4. „Momentaufnahmen – Meinungsaufnahmen“, Nike Gerochristodoulou (Preußisch-Oldendorf). Die Künstlerin hat im Vorfeld der Ausstellung 17 Personen portraitiert, die dabei Musik von Richard Wagner hörten und ein Schild mit ihren Emotionen hochhielten. Zehn Portraits sind nun im Wagner-Treff in der Bäckerstraße/Wesertor ausgestellt.

5. „Intervention Königsglacis | Magischer Ring | Zwischenfrucht | Zerstörung | Reanimation“, Gunnar Heilmann (Minden). Der Künstler hat Anfang Juli im Glacis Phacelia (auch Bienenweide, Bienenfreund, Büschelschön oder Büschelblume genannt) in Form eines Ringes eingesät. Der im August versehentlich gemähte Ring soll nun im Laufe der Ausstellungsdauer im Glacis blühen und wird einen Außendurchmesser von 30 Metern haben.

6. „Weserhort“, Ulrich Kügler (Minden). Der Künstler hat aus sechs Wesersteinen einen ca. fünf Meter großen Ring in einem weißen Kreidering hergestellt, der temporär mit Steintürmchen, Blumen, Eichenlaubkränzen und final mit Eiswürfeln geschmückt wird.

7. „Wagners Wäsche“, Alexandra Kürtz (Bonn). Die Künstlerin hat in der Oberen Altstadt zwei Leinen gespannt und diese mit Original-Wäsche aus dem 19. Jahrhundert bestückt, die den Hang von Richard Wagner zu Luxus und seine Angewohnheit, Kleider zu tragen, dokumentieren sollen.

8. „Sag dem Schwan dein Leid“, Hartwig Reinboth (Minden). Der Künstler hat einen am Kopf ca. zwei Meter hohen Schwan aus Kunststoff (Styrodur) hergestellt, der auf dem Schwanenteich verankert ist und dort vier Wochen schwimmt.

9. „Bitte nehmen Sie Platz“, Yoana Tuzharova (Köln). Die Künstlerin hat drei Stühle aus dem Stadttheater original aus Massivholz nachgebildet. Die weiße Sitzgruppe ist vor dem Theater platziert und soll zum Verweilen einladen. Gleichzeitig tragen die Stühle das Theater auf die Straße.

10. „Parallel-Bühne – Projektion in einem belaubten Baum“, Katarina Veldhues und Gottfried Schumacher (Nusbaum). Die Künstler projizieren ein Fragment einer antiken Architektur in einen belaubten Baum vor dem Kommunalarchiv. Das Kunstwerk kann am besten vom Parkplatz des Kommunalarchivs betrachtet werden und wird erst bei Dunkelheit (von 20:45 Uhr bis 22.30 Uhr) zur Geltung kommen.

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