Vom Flüchtling zur Festanstellung

Bushra Al Dakhi ist Gesundheits- und Krankenpflegerin im Klinikum Gütersloh

Gütersloh. Sie entkam dem Islamischen Staat, kämpft gegen sexuelle Gewalt und Versklavung und wird für ihr Engagement nun ausgezeichnet: Nadia Murad erhielt am Montag, den 10. Dezember, den Friedensnobelpreis. Wie viele Jesiden ist die Menschenrechtsaktivistin vor Verfolgung und Ausbeutung aus ihrem Heimatland geflohen. Auch Bushra Al Dakhi teilt dieses Schicksal: Die 22-jährige ist aus Angst vor dem IS aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet. Inzwischen hat sie sich in Gütersloh ihren Platz in der Gesellschaft erkämpft und arbeitet seit einigen Wochen als erste Geflüchtete als Gesundheits- und Krankenpflegerin im Klinikum Gütersloh.

Auf der gefäßchirurgischen Station des Klinikum Gütersloh (v.l.): Elisabeth Meier, Bushra Al Dakhi und Pflegedirektor Jens Alberti. © Klinikum Gütersloh

Auf der gefäßchirurgischen Station des Klinikum Gütersloh (v.l.): Elisabeth Meier, Bushra Al Dakhi und Pflegedirektor Jens Alberti. © Klinikum Gütersloh

Rückblick: Im August 2014 kommen IS-Kämpfer in den nordirakischen Heimatort von Bushra Al Dakhi, viele der jesidischen Einwohner werden getötet oder verschleppt. Bushra Al Dakhi kann sich gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in ein nahegelegenes Gebirge retten und harrt dort mehrere Tage bei großer Hitze und ohne Wasser, Essen oder medizinische Versorgung aus. Da ihr Dorf zerstört und alle Habseligkeiten verloren sind, lebt die Familie ein halbes Jahr auf der Straße, bevor sie in einem Flüchtlingscamp der Vereinten Nationen im Irak aufgenommen werden. Bushra Al Dakhi hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre ihrer Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen und entschließt sich, das letzte Jahr fernab der Familie im nordirakischen Dohuk zu absolvieren. Nach ihrem Abschluss kehrt sie zurück in das Camp und setzt sich mit den dortigen Hilfsorganisationen für die Gesundheit der Bewohner ein. 2015 entscheidet die Familie, dass Bushra Al Dakhi gemeinsam mit drei jüngeren Geschwistern aus dem Irak flieht. „Wir hatten Angst und wussten nicht, was uns in Zukunft passieren wird. Einige Freundinnen und Klassenkameraden aus der Ausbildung wurden vom IS verschleppt. Wir hatten durch die plötzliche Flucht aus unserer Stadt keine Unterlagen und nicht genug Geld, um die ganze Familie aus dem Irak in Sicherheit zu bringen.“

Über Griechenland und die Balkanroute kommt Bushra Al Dakhi nach Deutschland, zunächst nach München, dann nach Herford und schließlich nach Gütersloh. Hier fängt sie an, über das Internet Deutsch zu lernen und nimmt bald am ehrenamtlichen Sprachunterricht des Arbeitskreises Asyl der Evangelischen Kirche Gütersloh teil. Dort lernt sie Elisabeth Meier kennen, die die junge Frau fortan auf ihrem Weg unterstützt. Nachdem Bushra Al Dakhi Asyl erhält, suchen sie gemeinsam einen Weg ins Arbeitsleben. Da der Berufsabschluss aus dem Irak in Deutschland nicht anerkannt wird, nimmt die 22-jährige an einem Qualifizierungsprogramm teil, das sie für ein halbes Jahr an die Uniklinik nach Düsseldorf führt. Über private Kontakte kann sie für diese Zeit bei einer Gastfamilie in Düsseldorf unterkommen. „Alles in allem war es sehr viel Bürokratie, die uns auf diesem Weg begegnet ist und die viel Engagement gefordert hat. Aber es hat sich gelohnt, das durchzuziehen und am Ball zu bleiben“, so Elisabeth Meier. Während Bushra Al Dakhi in Düsseldorf arbeitet, kommt die erlösende Nachricht: Ihre Familie darf aus dem Irak nach Gütersloh kommen. Um sie vor Ort zu unterstützen, schlägt Bushra Al Dakhi ein Jobangebot der Uniklinik Düsseldorf aus und bewirbt sich mit Erfolg im Klinikum Gütersloh.

„Bushra Al Dakhi ist schon nach ganz kurzer Zeit zu einer festen Stütze im Pflegeteam auf unserer Gefäßchirurgischen Station geworden. Wir als Arbeitgeber, aber auch die Patienten sind froh, eine so motivierte, zugewandte und fachlich kompetente Mitarbeiterin zu haben“, so Jens Alberti, Pflegedirektor im Klinikum Gütersloh. Die Arbeit in Deutschland unterscheide sich nicht wesentlich von der im Irak, so Bushra Al Dakhi. „Ich musste mich nicht umgewöhnen, vieles ist so, wie ich es in meiner Ausbildung gelernt habe. Nur das Material und die Ausstattung sind anders. Außerdem durften wir Krankenpfleger im Irak Aufgaben übernehmen, die hier nur Ärzte machen, wie zum Beispiel kleine Wunden nähen.“ Auch die Körperpflege der Patienten wurde im Irak anders geregelt: „Wir haben zwar während der Ausbildung in der Theorie gelernt, wie ein Patient gewaschen werden muss, praktisch haben dies aber immer die Angehörigen übernommen.“

Bushra Al Dakhi ist froh, nun eine feste Arbeitsstelle und gleichzeitig ihre Familie in der Nähe zu haben: „Ich habe hier Sicherheit und darf das machen, was ich kann. Ich bin sehr stolz auf Deutschland und all die Menschen, die sich für uns Geflüchtete einsetzen. Diese Menschlichkeit möchte ich nun zurückgeben und den Patienten hier im Klinikum Gütersloh helfen.“

Theater-Bielefeld_Anzeige1