Von den Gärten hinauf zu den Sternen

Abschluss Via Nova 2023 und Ausblick 2024

Höxter. Zehn Tage lang haben wir literarisch und musikalisch gefragt, wie der Paradiesgarten beschaffen sein könnte, sagte Brigitte Labs-Ehlert in ihrer Abschlussrede zum diesjährigen Via Nova Kunstfest Corvey. In den von renommierten Schauspielern wie Jens Harzer, Lars Eidinger, Martina Gedeck, Andrea Sawatzki, Christian Berkel, Albrecht Schuch oder Corinna Harfouch vorgetragenen Texten und den von internationalen Musikern wie Jordi Savall, Fazil Say, Christian Tetzlaff, Dorothee Oberlinger, Dorothe Mields, Sharon Kam oder Ragna Schirmer oder gespielten Kompositionen konnte das Publikum erleben, wie unterschiedlich zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Kulturen die Vorstellungen von einem Paradies waren. Gemeinsam einte jedoch alle Kulturen, dass sich im Paradies stets menschliche Vorstellungen von Glück und Dauer spiegelten. 
Die Zuhörer erfuhren auf vormittäglichen Exkursionen in bezaubernde Gartenanlagen Nordrhein-Westfalens und Niedersachsens, warum unsere irdischen Gärten ein Abbild dieser Paradiesvorstellungen sind. Die Besucher konnten inmitten alter Bäume und blühender Pflanzen erleben, was Parks und Gärten über die innere Verfassung einer Gesellschaft, über ihre Idee von Glück, Intimität und Geheimnis aussagen. Lesungen, Vorträge und Führungen mit hervorragenden Dichtern wie Marion Poschmann, Daniela Danz, Durs Grünbein, Nico Bleutge, Jan Wagner sowie Gartenhistorikern und Architekten gaben darüber Auskunft. Die Gärten führen ihren Besitzern und Besuchern vor Augen, dass Leben ein natürlicher und ständig variierender Kreislauf von Entstehen, Wachsen und Vergehen ist.
Doch nicht nur in den vormittags besuchten Gärten, sondern vor allem Abend für Abend im Corveyer Schloss trafen sich die Jahrhunderte. Unerhörte Avantgardelyrik begegnete Barockmusik und No-Tanz, frühe nahöstliche Liebeslyrik verschmolz mit Bach, Telemann und Händel, mittelalterlich-klösterliche Gartenbauüberlegungen trafen auf zeitgenossische französische Dichtkunst plus Gambenmusik von der Antike bis heute, persische Prinzessinen tanzten zu Mozart, Musik der Shakespeare-Zeit untermalte Wiener Vorstadtjargon plus frühe Aufklärung und um die Texte zu jüdischen Gärten rankte sich Musik von Debussy und Brahms. Die Texte und Kompositionen waren durchzogen von den unterschiedlichsten Vorstellungen vom Paradies als Ort der Sehnsucht wie gleichzeitig höchster Gefährdung. In der jüdischen Diaspora musste oft ein kleines Fleckchen Erde der Selbstversorgung genügen, auf dem neben Gemüse, Blumen und Zierpflanzen auch Pflanzen für den zeremoniellen Gebrauch gezogen wurden. Durch den Klimawandel geben heute immer mehr jahrhundertealte Bäume auf und müssen ersetzt werden.
Der Gartenhistoriker Klaus von Krosigk erinnerte daran, dass jeder Garten eine Inszenierung ist, die nahezu täglich gepflegt werden muss. Ebenso wie unsere Vorstellungen vom Paradies trotz aller Kriege, Notzeiten und Hindernisse immer wieder neu erstehen und sich dabei den unterschiedlichen Zeiten anverwandeln. Die Gartenarchitektin Adelheid von Schönborn beschrieb, wie sie einen Garten erlebte, der ein halbes Jahr nach furchtbaren Sturmschäden sich selbst half, indem er Pflanzlücken schloss und üppiger als zuvor nachwuchs. Sie meinte deshalb: Der Garten ist unser bester Lehrmeister. Faszinierend war auch der Besuch eines wieder freigelegten Freimaurer-Gartens, der mit seinen Sichtachsen, Baumgruppen, Interieurs und exakten Wegen die noch immer lebendigen Gedanken der Freimaurer von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität wie in einem zu entschlüsselnden Rätsel verbirgt.
 
Das Festivalmotto Ich bin eine Lilie unter Disteln war dem Hohelied Salomos, einer mehrere tausend Jahre alten Sammlung wunderschöner Liebesgedichte, entnommen. Das hebräische Wort für Lilie, shushan, war übrigens die Vorlage für den Mädchennamen Susanne. 
 
Den Abschluss des diesjährigen Kunstfestes bildete ein ungewöhnliches Konzertpicknick im privaten Garten des Corveyer Hausherren Herzog von Ratibor mit dem fulminanten Musikensemble O/Modernt, jungen Musikern aus ganz Europa.
 
Die Besucher waren begeistert und die Auslastung der Sitzplätze hat mit 90 Prozent fast wieder den Stand vor Corona erreicht. Diese Intimität mit renommierten Künstlern findet man in keinem Theater oder Konzerthaus, schwärmte eine Besucherin und eine andere meinte zu den Exkursionen, die Gespräche mit Fachleuten bringen jedesmal sehr viel Neues. Durch die sechs ausgedehnten Exkursionen hat sich der Publikumskreis noch einmal stark erweitert, viele neue Festivalgäste konnten gewonnen werden. Das gesamte Programm noch einmal zum Nachlesen findet man unter www.corvey.de.
 
Im nächsten Jahr findet das Via Nova Kunstfest Corvey wieder wie gewohnt an drei Wochenenden statt. Das Motto 2024 wird Die Sprache der Sterne sein und geht aus von den in der Corveyer Bibliothek vorhandenen astrologischen Schriften und Aufzeichnungen der Himmelserscheinungen. Sternbilder vieler Kulturen kommen zu Wort, die von emotionalen Erschütterungen sprechen wie auch vom Trost, den Sternenhimmel und Kosmos bieten.

Via Nova Kunstfest Corvey 2022: Resümee des ersten Wochenendes

Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“ Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“ Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Höxter. Was ist Glück? Die Mottofrage des diesjährigen Via Nova Kunstfestes Corvey ließ sich für viele Zuschauer zumindest in einer Hinsicht schnell beantworten: Glück ist, beim soeben zuende gegangenen Eröffnungswochenende dabeigewesen zu sein. Zuschauer, Schauspieler und Musiker waren gleichermaßen begeistert. Der Schauspieler Wolfram Koch drückte aus, was alle empfanden: „Durch die ausgewählte Abstimmung der vorgetragenen Texte und musikalischen Stücke aufeinander entstand eine wunderbare Elektrizität, die sich auf die Zuschauer übertrug.“

Musikalische Variationen von Robert Schumann präsentierte der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Musikalische Variationen von Robert Schumann präsentierte der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Das war zu spüren bei der Lesung von Fritzi Haberland und Hans Löw, die mit Erzählungen des Norwegers Jon Fosse und des Franzosen Henri Alain-Fournier den vollbesetzten Kaisersaal in ihren Bann zogen. Zwei Erzählungen, die auf magische Weise nach dem Sinn von Leben und Tod fragten. Ihr Dialog wurde kongenial ergänzt durch musikalische Variationen von Robert Schumann, welche der englische Cellist Steven Isserlis, begleitet von der kanadischen Pianistin Connie Shih mit fulminantem Einsatz interpretierte. Das Publikum dankte mit stehenden Ovationen. Es war ebenso zu spüren bei den Exkursionen in die Klöster Bursfelde und Lippoldsberg, wo die Schauspielerin Sibylle Canonica mit hypnotisierender Intensität ein modernes Märchen von der biblischen Schlange der Autorin A.L. Kennedy erzählte und das Ensemble L‘Arpeggiata himmlische Sakralmusik des 17. Jahrhunderts in die Kirchengewölbe aufsteigen ließ.

Sibylle Canonica erzählte ein modernes Märchen von der der Autorin A.L. Kennedy. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Sibylle Canonica erzählte ein modernes Märchen von der der Autorin A.L. Kennedy. Foto: Via Nova Kunstfest Corvey 2022

Den geistigen Ausgangspunkt des gesamten diesjährigen Festivals bildete ein berühmter Text aus dem Mittelalter, der „Trost der Philosophie“ des spätantiken Philosophen Boetius, und der dazu verfasste Kommentar des Corveyer Abtes Bovo.

Wie aktuell beide Texte noch immer sind, wurde bewußt in der Eröffnungsrede des schottischen Dichters John Burnside, aufgrund seiner Covid-Erkrankung vorgetragen von seinem Übersetzer Iain Galbraith. „Ob es uns gefällt oder nicht, wir werden in fundamentaler, bisweilen auch unbewußter Weise von einer uns eingrenzenden Rationalität dirigiert, die den ungehinderten Ausdruck unserer Fähigkeiten und Kräfte einschränkt“, sagte Burnside. „Es bleibt der Fluch eines Lebens im industriellen Zeitalter, dass wir lediglich die Ratio sehen. Und so gelingt es uns zu leben in einer Welt mit Bäumen aus Plastik, ohne dabei zu erkennen, was wir verloren haben.“

Der Historiker Christian Vogel machte den Zuhörern noch einmal die aktuelle Bedeutung von Boetius bewußt: „Der Trost der Philosophie“ ist ein in Literatur gegossenes Bildungsmanifest, das „ein halbes Jahrtausend boetianisches Zeitalter eingeläutet und damit die Geschichte des lateinischen Westens nachhaltig geprägt“ hatte. Boetius gab eine bis heute gültige Bestimmung dessen, was wir unter Natur und unter Person verstehen und worin die theologisch bedeutsame Differenz zwischen Ewigkeit und Unendlichkeit besteht.

 „Es ist uns eine ganz besondere Freude, dass in diesem Jubiläumsjahr Via Nova wieder stattfinden kann“, sagt Hausherr Viktor Herzog von Ratibor. „Wir sind dankbar, dass die künstlerische Leiterin, Brigitte Labs-Ehlert, das so phantastisch kuratiert und dass wir so großzügige Unterstützung von vielen Förderern bekommen. Und vor allem, dass unser Publikum so begeistert mitgeht. Das hat man am ersten Wochenende bei allen Veranstaltungen gesehen und das ist für mich immer das allergrößte Glück.“ Und eine extra aus Düsseldorf angereiste begeisterte Zuschauerin ergänzte: „Für mich ist dieses Festival durch sein sehr hohes Niveau die Nummer eins in Deutschland.“

Das Programm des nächsten Wochenendes – u.a. mit der Uraufführung des Requiems „Ein Schmetterlingstal“ der Komponisten Thomas Kürstner und Sebastian Vogel nach Texten der dänischen Dichterin Inger Chistensen und einer Sonntagsmatineemit der Schauspielerin Martina Gedeck und dem Pianisten Sir András Schiff – finden Sie unter https://corvey.de/programm/via-nova-kunstfest-corvey-2022/

05.09.2020 – Franui und Nikolaus Habjan beim VIA NOVA – KUNSTFEST CORVEY

Höxter. Die zehn Mitglieder des österreichischen Musikensembles „Franui“ beherrschen virtuos Holz- und Blechblas-, Saiten- und Streichinstrumente, ihr Repertoire umfasst Eigenkompositionen, Bearbeitungen von Tänzen und Trauermärschen sowie Lieder von Schubert, Schumann, Mahler und Brahms. Nikolaus Habjan ist ein international renommierter Puppenvirtuose, Regisseur und Kunstpfeiffer.
Wir freuen uns, dass wir Ensemble und Solist für das Eröffnungswochenende des Via Nova – Kunstfest Corvey „Wild-Wald-Welt“ gewinnen konnten!

5. September 2020 (Sa), 20 Uhr
Musicbanda Franui und Nikolaus Habjan
„Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus“
Konzert und Puppenspiel
Musik nach Schubert, Schumann, Brahms, Mahler
Texte von Robert Walser und Jürg Amann

Musicbanda Franui war bei vielen renommierten Festivals und Konzertveranstaltern zu Gast (u.a. Wiener Konzerthaus, Burgtheater Wien, Salzburger Festspiele, Bregenzer Festspiele, Ruhrtriennale, Münchner Opernfestspiele, Staatsoper unter den Linden Berlin, Boulezsaal Berlin, Ludwigsburger Schlossfestspiele, Philharmonie K ö ln, Elbphilharmonie Hamburg, Schauspielhaus Zürich, Philharmonie und Grand Théatre Luxemburg, Philharmonie de Paris, Holland Festival, Klara Festival Brüssel). Das Ensemble spielt seit 1993 in nahezu unveränderter Besetzung: Johannes Eder Klarinette, Bassklarinette / Andreas Fuetsch Tuba / Romed Hopfgartner Saxophon, Klarinette / Markus Kraler Kontrabass, Akkordeon / Angelika Rainer Harfe, Zither, Gesang / Bettina Rainer Hackbrett, Gesang / Markus Rainer Trompete, Gesang / Andreas Schett Trompete, Gesang, Leitung / Martin Senfter Ventilposaune, Gesang / Nikolai Tunkowitsch Violine Aufgewachsen sind die Musiker von Franui großteils in Innervillgraten. Das rätoromanische Wort Franui ist der Name einer bestimmten Almwiese in diesem kleinen, 1402 Meter über dem Meer gelegenen Osttiroler Dorf.

Nikolaus Habjan ist gebürtiger Grazer. Schon früh sammelte er Erfahrungen mit Theaterpuppen, heute ist er zu Gast an renommierten Theatern. Im Burgtheater Wien spielte er in der Shakespeare-Sonette Produktion „Fool of Love“ die von ihm gestaltete Shakespeare-Puppe, am Akademietheater spielte er im Bühnenstück von Elfriede Jelinek „Schatten 1 von 6​ (Eurydike sagt)“ in der Regie von Matthias Hartmann die Figur der Elfriede und im Schauspielhaus Graz ist er seit 2014 als Puppenspieler und Regisseur zu Gast. Seine Inszenierung „Böhm“ von Paulus Hochgatterer war für den Nestroy-Theaterpreis 2018 in der Kategorie „Beste Bundesländer-Aufführung“ nominiert.

Weitere Veranstaltungen am 5. September:

10.30 Uhr   Exkursion in den Corveyer Forst

16.00 Uhr   Lesung, Vortrag und Gespräch, Konzert
Hanns Zischler: Henry D. Thoreau, Lob der Wildnis
Hansjörg Küster und Jürgen Goldstein: Mythos deutscher Wald
Mari Kalkun, Gesang: Kantele Ilmamõtsan – Der Wald der Welt

Nähere Informationen unter: www.schloss-corvey.de/de/programm/via-nova-kunstfest-corvey/

Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“

Das kulturelle Erbe sichtbar machen, die steinernen Mauern des Westwerks und der Civitas zum Sprechen bringen – das will „Via Nova – Kunstfest Corvey“ in den nächsten Jahren unternehmen

Kreis Höxter. Der Name Via Nova knüpft an der alten Bezeichnung Corbeia Nova an, und wie eine Via Regia verbindet das Kunstfest in neuer Weise Corvey mit Europa und Geschichte mit lebendiger Gegenwart. Die Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“ findet vom 31. August bis zum 2. September 2018 in den Räumlichkeiten des Schlosses und der Kirche statt. Künstlerische Leiterin ist Brigitte Labs-Ehlert, das Programm wird maßgeblich von der Kunststiftung NRW gefördert, Herzog von Ratibor übernimmt mit dem Kulturkreis Höxter-Corvey die Finanzierung der Eigenmittel.

Die Wandmalerei im Johanneschor zeigt Odysseus Kampf gegen die Skylla. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die Wandmalerei im Westwerk zeigt Odysseus Kampf gegen die Skylla. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die karolingische Renaissance führte bis nach Corvey, die Christianisierung von Corvey aus über Bremen in den Norden und den Osten Europas. Dabei fand ein großer Kulturtransfer statt, bei dem alte Rituale der unterworfenen Stämme verändert und adaptiert wurden. Corvey ist ein steingewordenes Monument für das Geltendmachen einer gottgewollten Autorität über die Sachsen und andere Gentes mit ihrer eigenen Kultur. Das unter dem Schutz der UNESCO stehende Westwerk ist das Zeichen für die weltliche und zugleich die geistliche Macht. In der ebenfalls zum Weltkulturerbe zählenden Civitas Corvey jedoch liegen die Wurzeln für das geistige und kulturelle Zentrum Corveys. Die bedeutende Klosterschule mit dem Skriptorium und der Bibliothek war ein Ort der Vermittlung, Verbreitung und Rezeption von Schriften jener Zeit; die Mönche ergründeten, sammelten und sicherten jedoch auch die spätantiken Werke (u.a. von Vergil, Ovid, Plinius, Horaz). Dabei gibt es vieles zu entdecken und zu würdigen: Der Siegeszug der karolingischen Minuskel begann im Mutterkloster Corbie und wurde in Corvey fortgesetzt, daraus haben sich die Kleinbuchstaben unserer heutigen Schrift entwickelt, das war damals eine Revolution wie heute die Digitalisierung. Die erste deutsche Bibelübersetzung erfolgte im 9. Jahrhundert, es ist der althochdeutsche Heliand, der im Corveyer Skriptorium kopiert wurde. Die Annalen des Tacitus wurden in Corvey abgeschrieben, heute befinden sie sich in Florenz. Den wichtigen Kommentar zum philosophischen Werk des Römers Boethius wurde in Corvey verfaßt ebenso die Sachsengeschichte, und die einzige bildliche Darstellung aus Homers „Odyssee“ nördlich der Alpen ist im Westwerk von Corvey bis heute zu sehen.

Es sind die kulturellen Schätze, die den Rang Corveys als ein geistiges Zentrum vom 9. bis zum 12. Jahrhundert begründen. Das Kunstfest wird diese historischen Dimensionen sichtbar machen und daraus Fragestellungen und Themen entwickeln, die für die Gegenwart nachdenkenswert sind. In den nächsten Jahren wird deshalb jeweils ein Dokument aus dem alten Corveyer Skriptorium im Mittelpunkt des Kunstfestes stehen; mit seiner Geschichte, seiner Rezeption, seinen Rätseln und Geheimnissen werden diese Zeugen internationale Schriftsteller und Künstler sowie Wissenschaftler unserer Zeit zu einer Korrespondenz herauslocken. So sieht es das Konzept von Dr. Labs-Ehlert vor.

Höhepunkt wird das Jahr 2022 sein. Dann jährt sich zum 1200. Mal die Gründung Corveys

Foto: © Welterbestätte Corvey

Das UNESCO Weltkulturerbe Schloss Corvey. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“ widmet sich in diesem Jahr unter dem Motto „Ein Wald von Symbolen – ein Himmel voller Gedanken“ der Schönheit alter Kapellen, Kirchen und Kathedralen. Ein Spiegel der Wissenschaft, der Seele und des Geistes bietet sich in den kirchlichen Gebäuden den Blicken und Einsichten des Menschen. Sie beginnt am 31. August 2018 mit einem Symposion zur Präsentation des materiellen und des immateriellen Erbes der Weltkulturstätte Corvey. Die Abendveranstaltung widmet sich der Gründung Corveys und der Faszination und unschätzbaren Anziehungskraft des Reliquienkultes in historischen Berichten und poetischen Schilderungen des 20. Jahrhunderts. Klaviertrios von Johannes Brahms stehen weiter auf dem Programm.

Am 1. September führt ein Ausflug zum Kloster Bursfelde an der Weser, das von Corveyer Mönchen errichtet wurde. Das Abendprogramm geht noch einmal den Weg des Heiligen Vitus zurück nach St. Denis und in die großen gotischen Kathedralen Frankreichs. Sakralbauten sind poetische Räume. Marcel Proust läßt sie gleichsam selbst zu Wort kommen in seiner „Recherche“ und Perotinus Magnus darf im Konzert nicht fehlen.
In der St. Michaelskapelle auf dem Heiligenberg – erbaut vermutlich auf einer alten sächsischen Opferstätte – sind am Morgen des 2. Septembers Betrachtungen über die Ästhetik des Raums zu hören, bevor sich das Abendprogramm „Alle Schönheit dieser Welt“ und dem St. Veitsdom in Prag zuwendet, dem von Corvey aus eine Vitus-Reliquie transloziert wurde. Streicher und Sänger beleben den Kaisersaal und die Barockkirche.
Folgende Künstler werden beteiligt sein: Albion String Quartet, Anita Albus, Jiri Fajt, Martina Gedeck, Arve Henriksen und Anna Maria Frimur vom Trio Mediaeval, Wolfram Koch, Hans Kremer, Dörte Lyssewski, Martinů Voices, Christopher Nell, Tetzlaff-Trio, Vox Clamantis und Studenten der Theaterfakultät der Akademie der Musischen Künste Prag.

Das Programmheft erscheint im Mai 2018. Ab sofort jedoch kann das Programmheft bestellt werden und werden Kartenvorreservierungen unter 05231 570150, vianova@corvey.de entgegengenommen.