Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“

Das kulturelle Erbe sichtbar machen, die steinernen Mauern des Westwerks und der Civitas zum Sprechen bringen – das will „Via Nova – Kunstfest Corvey“ in den nächsten Jahren unternehmen

Kreis Höxter. Der Name Via Nova knüpft an der alten Bezeichnung Corbeia Nova an, und wie eine Via Regia verbindet das Kunstfest in neuer Weise Corvey mit Europa und Geschichte mit lebendiger Gegenwart. Die Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“ findet vom 31. August bis zum 2. September 2018 in den Räumlichkeiten des Schlosses und der Kirche statt. Künstlerische Leiterin ist Brigitte Labs-Ehlert, das Programm wird maßgeblich von der Kunststiftung NRW gefördert, Herzog von Ratibor übernimmt mit dem Kulturkreis Höxter-Corvey die Finanzierung der Eigenmittel.

Die Wandmalerei im Johanneschor zeigt Odysseus Kampf gegen die Skylla. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die Wandmalerei im Westwerk zeigt Odysseus Kampf gegen die Skylla. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die karolingische Renaissance führte bis nach Corvey, die Christianisierung von Corvey aus über Bremen in den Norden und den Osten Europas. Dabei fand ein großer Kulturtransfer statt, bei dem alte Rituale der unterworfenen Stämme verändert und adaptiert wurden. Corvey ist ein steingewordenes Monument für das Geltendmachen einer gottgewollten Autorität über die Sachsen und andere Gentes mit ihrer eigenen Kultur. Das unter dem Schutz der UNESCO stehende Westwerk ist das Zeichen für die weltliche und zugleich die geistliche Macht. In der ebenfalls zum Weltkulturerbe zählenden Civitas Corvey jedoch liegen die Wurzeln für das geistige und kulturelle Zentrum Corveys. Die bedeutende Klosterschule mit dem Skriptorium und der Bibliothek war ein Ort der Vermittlung, Verbreitung und Rezeption von Schriften jener Zeit; die Mönche ergründeten, sammelten und sicherten jedoch auch die spätantiken Werke (u.a. von Vergil, Ovid, Plinius, Horaz). Dabei gibt es vieles zu entdecken und zu würdigen: Der Siegeszug der karolingischen Minuskel begann im Mutterkloster Corbie und wurde in Corvey fortgesetzt, daraus haben sich die Kleinbuchstaben unserer heutigen Schrift entwickelt, das war damals eine Revolution wie heute die Digitalisierung. Die erste deutsche Bibelübersetzung erfolgte im 9. Jahrhundert, es ist der althochdeutsche Heliand, der im Corveyer Skriptorium kopiert wurde. Die Annalen des Tacitus wurden in Corvey abgeschrieben, heute befinden sie sich in Florenz. Den wichtigen Kommentar zum philosophischen Werk des Römers Boethius wurde in Corvey verfaßt ebenso die Sachsengeschichte, und die einzige bildliche Darstellung aus Homers „Odyssee“ nördlich der Alpen ist im Westwerk von Corvey bis heute zu sehen.

Es sind die kulturellen Schätze, die den Rang Corveys als ein geistiges Zentrum vom 9. bis zum 12. Jahrhundert begründen. Das Kunstfest wird diese historischen Dimensionen sichtbar machen und daraus Fragestellungen und Themen entwickeln, die für die Gegenwart nachdenkenswert sind. In den nächsten Jahren wird deshalb jeweils ein Dokument aus dem alten Corveyer Skriptorium im Mittelpunkt des Kunstfestes stehen; mit seiner Geschichte, seiner Rezeption, seinen Rätseln und Geheimnissen werden diese Zeugen internationale Schriftsteller und Künstler sowie Wissenschaftler unserer Zeit zu einer Korrespondenz herauslocken. So sieht es das Konzept von Dr. Labs-Ehlert vor.

Höhepunkt wird das Jahr 2022 sein. Dann jährt sich zum 1200. Mal die Gründung Corveys

Foto: © Welterbestätte Corvey

Das UNESCO Weltkulturerbe Schloss Corvey. Foto: © Welterbestätte Corvey

Die Ouvertüre zu „Via Nova – Kunstfest Corvey“ widmet sich in diesem Jahr unter dem Motto „Ein Wald von Symbolen – ein Himmel voller Gedanken“ der Schönheit alter Kapellen, Kirchen und Kathedralen. Ein Spiegel der Wissenschaft, der Seele und des Geistes bietet sich in den kirchlichen Gebäuden den Blicken und Einsichten des Menschen. Sie beginnt am 31. August 2018 mit einem Symposion zur Präsentation des materiellen und des immateriellen Erbes der Weltkulturstätte Corvey. Die Abendveranstaltung widmet sich der Gründung Corveys und der Faszination und unschätzbaren Anziehungskraft des Reliquienkultes in historischen Berichten und poetischen Schilderungen des 20. Jahrhunderts. Klaviertrios von Johannes Brahms stehen weiter auf dem Programm.

Am 1. September führt ein Ausflug zum Kloster Bursfelde an der Weser, das von Corveyer Mönchen errichtet wurde. Das Abendprogramm geht noch einmal den Weg des Heiligen Vitus zurück nach St. Denis und in die großen gotischen Kathedralen Frankreichs. Sakralbauten sind poetische Räume. Marcel Proust läßt sie gleichsam selbst zu Wort kommen in seiner „Recherche“ und Perotinus Magnus darf im Konzert nicht fehlen.
In der St. Michaelskapelle auf dem Heiligenberg – erbaut vermutlich auf einer alten sächsischen Opferstätte – sind am Morgen des 2. Septembers Betrachtungen über die Ästhetik des Raums zu hören, bevor sich das Abendprogramm „Alle Schönheit dieser Welt“ und dem St. Veitsdom in Prag zuwendet, dem von Corvey aus eine Vitus-Reliquie transloziert wurde. Streicher und Sänger beleben den Kaisersaal und die Barockkirche.
Folgende Künstler werden beteiligt sein: Albion String Quartet, Anita Albus, Jiri Fajt, Martina Gedeck, Arve Henriksen und Anna Maria Frimur vom Trio Mediaeval, Wolfram Koch, Hans Kremer, Dörte Lyssewski, Martinů Voices, Christopher Nell, Tetzlaff-Trio, Vox Clamantis und Studenten der Theaterfakultät der Akademie der Musischen Künste Prag.

Das Programmheft erscheint im Mai 2018. Ab sofort jedoch kann das Programmheft bestellt werden und werden Kartenvorreservierungen unter 05231 570150, vianova@corvey.de entgegengenommen.