Ostwestfalen-Lippe: Zahl der Zweitjobber auf 69.000 gestiegen

NGG kritisiert: Haupterwerb muss zum Leben reichen

Immer mehr Zweitjobber: Rund 69.000 Menschen in Ostwestfalen-Lippe haben neben dem Haupterwerb noch einen Minijob – 53 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit. Die NGG Bielefeld-Herford beruft sich dabei auf neueste Zahlen der Arbeitsagentur. Besonders verbreitet sind Zweitjobs demnach im Gastgewerbe: 9.489 geringfügig Beschäftigte arbeiten in der Branche in Ostwestfalen-Lippe – zusätzlich zu einer sozialversicherungspflichtigen Stelle. Gegenüber 2007 stieg ihre Zahl um 43 Prozent.

BierausschankGaby Böhm, Geschäftsführerin der NGG Bielefeld-Herford, spricht von einem „alarmierenden Trend“. „Es kann nicht sein, dass immer mehr Menschen mit einem normalen Arbeitsverhältnis nicht über die Runden kommen.“ Auf den ersten Blick verzeichne der Arbeitsmarkt in Ostwestfalen-Lippe steigende Beschäftigungsquoten. „Doch die hohe Zahl der Zweitjobber zeigt, dass nicht alles Gold ist, was auf dem Arbeitsmarkt glänzt“, so Böhm.

Mit Blick auf das Gastgewerbe kritisiert die Gewerkschafterin, die Branche dürfe nicht zur bloßen Minijobber-Domäne werden. „In Hotels, Pensionen und Restaurants brauchen wir mehr gelernte Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte. Aushilfen können auf Dauer keine Fachkräfte ersetzen.“ Schon heute seien die Klagen über fehlende Köche und Oberkellner groß. Doch die gewinne man nur, indem man gute Löhne zahle.

Dringenden Handlungsbedarf sieht die NGG Bielefeld-Herford auch bei der Politik. „Wenn laut Arbeitsagentur in Ostwestfalen-Lippe mittlerweile mehr als jeder neunte sozialversicherungspflichtig Beschäftigte einen Nebenjob hat, dann ist hier etwas aus dem Ruder gelaufen“, betont Böhm. Der gesetzliche Mindestlohn sei zwar ein erster wichtiger Schritt gewesen, um extreme Niedriglöhne abzuschaffen. Doch mit derzeit 8,84 Euro pro Stunde liege die Untergrenze zu niedrig, um davon allein als Vollzeit-Beschäftigter etwa eine bezahlbare Wohnung in der Stadt zu finden.

Böhm plädiert dafür, dass ausgehandelte Tarifverträge künftig in allen Betrieben einer Branche gelten sollen – unabhängig davon, ob der Chef in einem Arbeitgeberverband ist oder nicht. „Zugleich muss sich die nächste Bundesregierung dringend um die Rente kümmern. Ein Großteil der Menschen, die heute auf einen Zweitjob angewiesen sind, wird im Alter mit Armutsbezügen leben müssen. Hier brauchen wir eine Haltelinie nach unten“, sagt Böhm.

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