Ein ernstes Thema mit humorvoller Darstellung
Bielefeld. „Ohne Grund“ war das Auftaktstück des Festivals des Freien Theaters ohne Haus in Bielefeld, das vom 08.08 bis zum 11.09 im Nr.z.P in Bielefeld stattfand.
Das Thema des Stücks sind Posttraumatische Belastungsstörungen(PTBS). Posttraumatische Belastungsstörungen ist eine psychische Erkrankung, bei der Betroffene aufgrund eines traumatischen Ereignisses langfristig mit Symptomen zu kämpfen haben, die jederzeit von Triggern ausgelöst werden können. Wichtig zu beachten ist, dass PTBS eine Oberkategorie darstellt, in der viele individuelle Verläufe und Symptome zu finden sind. Daher versteht sich „Ohne Grund“ auch in einem Selbstverständnis einer künstlerischen Annäherung an das Thema PTBS und beansprucht keine Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit. „Ohne Grund“ fokussiert sich dabei auf die Folgen und Symptome von PTBS und die Folgen im Alltag, von Betroffenen und Angehörigen. Das 1-stündige Theaterstück mit den drei Künstlerinnen Laura Parker, Alina Tinnefeld und Karin Scheithauer verwendet neben Elementen des Theaters auch musikalische Elemente und visuelle Unterstützung, von im Voraus aufgenommenen Videos. Gefördert wurde „Ohne Grund“ durch das Kulturamt Bielefeld und durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.
Hinter dem Theaterstück verbirgt sich über ein Jahr Recherche zum Thema PTBS. Es wurden sowohl Betroffene von PTBS als auch Angehörige interviewt, um ein bestmögliches Verständnis für die Erkrankung zu gewinnen. Das Theaterstück wurde zudem von einem Therapeuten „abgesegnet“ was die Darstellung und die enthaltenen Informationen betrifft.
Zu den möglichen Symptomen und Folgen von PTBS zählen unter anderem: Körperliches Zittern, Wut, Sucht, Todesangst, Körperentfremdungsgefühl. Das Herausfordernde für die Betroffenen, ist das Reagieren auf sogenannte Trigger. Die Trigger können dabei verschiedener Natur sein und hängen mit dem traumatisierenden Erlebnis der Betroffenen zusammen. Dabei handelt es sich meistens um Gerüche, Geräusche oder bestimmte Situationen, die die Betroffenen urplötzlich in einen Zustand versetzen, bei dem der Körper in einem völligen Ausnahmezustand gerät und die Betroffenen die Kontrolle über diesen verlieren und sich oftmals nicht mehr bewegen können. „Ohne Grund“ thematisiert dabei auch den Gegensatz zwischen dem Chaos, das PTBS im Inneren der Betroffenen auslösen kann, und einer „Maske“ die nach außen getragen wird. Betroffene wirken dabei häufig so als sei alles in Ordnung und spüren die Folgen dann erst im Privatleben, nachdem die Maske abgesetzt werden kann. Dort offenbart sich die dann zum Beispiel die Wut oder das Verlangen nach Erleichterung durch Alkohol oder ähnlichem. Viele Betroffene sehen es als notwendig eine „Maske“ in der Öffentlichkeit zu wahren, da es gesellschaftlich erwartet wird, dass man funktioniert.
Zudem können sich Betroffene auch zunehmend isolieren, da sie sich ihr Verhalten nur schwer erklären können, da das traumatische Erlebnis oder die traumatischen Erlebnisse zum Selbstschutz vom Gehirn ins Unterbewusstsein verlagert wird, sodass Betroffene mit den Symptomen zu kämpfen haben und sich oftmals nicht richtig erklären können, was mit ihnen vorgeht. „Ohne Grund“ hat sich daher das Ziel gesetzt ein besseres Bewusstsein für PTBS zu schaffen und über die Erkrankung zu informieren, damit mögliche Betroffene, die bisher keine richtige Erklärung hatten, was mit ihnen vorgeht, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zusätzlich soll das Bewusstsein in der Gesellschaft über PTBS und psychische Erkrankungen im Allgemeinen geschärft werden. Karin Scheithauer, die auch selbst zu den Betroffenen einer posttraumatischen Belastungsstörung zählt, empfiehlt Betroffenen sich professionelle Hilfe zu nehmen. In Bielefeld verweist sie unter anderem auf das Klinikum Bethel. Weitere Informationen unter: www.evkb.de/kliniken-zentren/psyche-nerven/psychiatrie-und-psychotherapie/schwerpunkte-abteilungen.de
Am Ende steht ein Theaterstück, dass zum Nachdenken anregt und Aufmerksamkeit auf eine psychische Erkrankung lenkt, die Betroffene auch in ihrem Alltag beeinträchtigt. Eine Sensibilisierung für PTBS kann sowohl für Betroffene als auch Angehörige wertvoll sein und auch mehr Wissen und Verständnis in der Gesellschaft hervorbringen.
Text: Luca Müller
Fotos: Jürgen Riedel