Mindener Glacis ist „akut gefährdet“ – Konzept liegt vor

Mit diversen Maßnahmen soll der Grüngürtel rund um die Innenstadt erhalten und zukunftsfähig gemacht werden

Weserglacis mit historischer Brücke

Weserglacis mit historischer Brücke über die Bastau; Foto: © Stadt Minden

Minden. Es hat 214 Seiten und ist bestückt mit vielen Informationen, historischen Einzelheiten, Bestandserfassungen von Flora und Fauna, Plänen, Zeichnungen, alten und neuen Fotos sowie am Ende mit Aussagen dazu, wie es nun mit Mindens „grüner Lunge“ weitergehen soll: Die Rede ist vom „Pflege- und Entwicklungskonzept Glacis Minden“. Die Stadt Minden und das beauftragte Planungsbüro „L-A-E Landschaftsarchitekten Ehrig & Partner“ (Bielefeld) legten das Konzept in der vergangenen Woche dem Ausschuss für Bauen, Umwelt und Verkehr vor. Dessen Mitglieder empfahlen am Ende einer kurzen Diskussion einstimmig, das Konzept vom Rat am 3. September beschließen zu lassen.

Das Glacis mit seinen historisch wertvollen Denkmalen, Wegebeziehungen sowie alten Baumbeständen und parkähnlichen Strukturen ist für viele Mindener mehr als nur ein Naherholungsgebiet. Hier treffen sich Kultur-, Kunst-, Bau- und Stadtgeschichte. „Das Mindener Glacis ist einzigartig und deshalb ist es sehr wichtig, es weiter zu erhalten und zu pflegen“, hat Bürgermeister Michael Jäcke zum Auftakt der ersten Bürger-Veranstaltung gesagt.

In einem mehr als zwei Jahre währenden Prozess mit intensiver Bürgerbeteiligung – es gab vier gut besuchte Veranstaltungen in den Jahren 2018 und 2019 – ist das Konzept entstanden. Es soll den Grüngürtel bewahren, erhalten und zukunftsfähig machen – auch mit Blick auf den Klimawandel. Denn in den vergangenen drei relativ trockenen Sommern haben vor allem die alten und die schlecht entwickelten jüngeren Bäume sehr gelitten. Das Glacis soll zudem durch regelmäßige und intensivere Pflege geschützt werden. Weitere Ziele sind: Der Charakter des Waldparks soll wiederhergestellt werden und das Glacis soll sinnvoll sowie schonend genutzt werden.

„Akut gefährdet“ sei die Mindener Glacisanlage, lautet das Fazit von Landschaftsarchitekt . Dazu zeigte er im Fachausschuss eine Folie mit drei Baumbeispielen, die unter Überdüngung beziehungsweise Trockenheit gelitten haben oder sich wegen eines zu dichten Bestands nicht richtig entwickeln konnten. Es folgte eine Analyse zur Artenvielfalt, zum Baumbestand und zum Strukturreichtum sowie zur „ökologischen Elastizität“. In allen vier Punkten seien die Ziele des Naturschutzes hier verfehlt oder akut gefährdet. „Das macht deutlich, dass wir dieses Konzept unbedingt brauchen. Nur durch einen Eingriff in das Glacis kann das ökologische Gleichgewicht wieder hergestellt werden“, fasst Lars Bursian, Beigeordneter für Städtebau und Feuerschutz, zusammen.

Das Glacis sei bei Weitem nicht so artenreich wie vermutet. Probleme bereitet hier vor allem der hohe Nähstoffgehalt des Bodens – durch zum Beispiel nicht eingesammelten Hundekot und abgestorbene Biomasse. Das lasse bestimmte Arten wachsen und verdränge damit andere, meist heimische, so Ehrig. Eine weitere Erkenntnis: Auch der Altbaumbestand ist akut durch Überdüngung und Konkurrenzdruck gefährdet. „Zum Beispiel brauchen Eichen viel Platz und Licht. Dieses nehmen ihnen oft schnell wachsende Baumarten wie Ahorn weg“, weiß der Experte.

Akut gefährdet sei auch die „ökologische Elastizität“ – durch Klimawandelprobleme und Konkurrenzdruck. Planer Ehm Eike Ehrig empfiehlt hier unter anderem eine behutsame Auslichtung unter den großen Bäumen und Nachpflanzungen mit klimaverträglichen Arten. Dafür und für die Pflege an sich müsse deutlich mehr Geld in die Hand genommen werden als bisher, lautete ein weiterer Rat, den die Stadt Minden im Beschlussvorschlag auch berücksichtigt hat.

Das Konzept soll eine verlässliche Basis für alle zukünftigen Entscheidungen der Stadt sein und ist gleichzeitig auch eine Grundlage für die Beantragung von Fördermitteln. Die Bezirksregierung habe signalisiert, dass die im Konzept festgehaltenen Maßnahmen grundsätzlich förderfähig seien, so Lars Bursian im Ausschuss. Die Fortschreibung des Integrierten Handlungskonzeptes Innenstadt (ISEK) sehe vor, das Glacis und damit die gesamte Innenstadt attraktiver zu gestalten. Dafür sollen rund 7,3 Millionen Euro in den kommenden sechs Jahren ab 2021 investiert werden.

Aufgestellt wurde auch ein Prioritäten- und Maßnahmenplan. Als erster Schritt sind Maßnahmen im Fischerglacis vorgesehen. Hier sollen unter anderem Fuß- und Radwege in wassergebundener Bauweise erstellt, Sukzessionsgehölze entfernt, Blickbeziehungen geschaffen und der Teich an der Kaiservilla entschlammt werden.

Vor der ersten Maßnahme sollen Testflächen für Laubentnahmen festgelegt werden. „Dieses ist nicht unumstritten“, so Planer Ehm Eike Ehrig. Er erhofft sich damit jedoch die vorherrschende Überdüngung auf Dauer zu reduzieren. Ob die Laubentnahme eine erfolgversprechende Maßnahme ist, werde dann im Nachhinein die Auswertung der Böden auf den Testflächen zeigen.

Laut Konzept sollen Radfahrer und Fußgänger künftig möglichst getrennt durch die Grünanlage geführt werden, weil es hier in der Vergangenheit immer wieder Konflikte gegeben hat. Dafür müssen einige Wege ausgebaut werden und andere sollen verschwinden. Für den Bereich Weserpromenade gibt es einen aktuell laufenden Wettbewerb, der Mitte August gestartet ist. Hier sollen nicht nur die Themen des Pflege- und Entwicklungskonzeptes Glacis beachtet werden, sondern ebenso gute Lösungen für den Bereich Schlagde und deren Umfeld gefunden werden.

MOW_2020