Himmlische Klänge der GOTIK

PADERBORN. Wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt, sind in vielen Kirchen besondere Konzerte zu hören. Mehrstimmiger Gesang gehört für uns heute oftmals dazu. Die Geburtsstunde der abendländischen Mehrstimmigkeit fällt aber in die Epoche der Gotik. In der aktuellen Ausstellung des Diözesanmuseums Paderborn – „GOTIK – Der Paderborner Dom und die Baukultur des 13. Jahrhunderts in Europa“ – spielt Musik auf verschiedene Weise eine wichtige Rolle. Noch bis zum 13. Januar 2019 ist dort eine außergewöhnliche, kostbare Handschrift zu sehen und es gibt eine umfangreiche Hörstation: Das „Antiphonarium Mediceum“ aus der berühmten Biblioteca Laurenziana in Florenz ist eine von nur drei erhaltenen Handschriften, die den ersten mehrstimmigen Gesang dieser Zeit überliefert. Die reich bebilderte Pergamentschrift zählt zu den bedeutendsten Kostbarkeiten der Musikgeschichte. Sie wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Paris gefertigt und enthält insgesamt 1.023 Kompositionen, darunter überwiegend zwei- und dreistimmige Messgesänge.

Antiphonarium MediceumMehrstimmigkeit als musikalische Revolution 

Die Epoche der Gotik mit ihren monumentalen himmelwärts strebenden Kathedralen steht mit ihrem neuen geometrischen Formen nicht nur für eine Revolution der Baukultur. Auch in der Musik vollzieht sich ausgehend von Paris, genauer gesagt, der Kathedrale Notre-Dame, eine der bedeutungsvollsten Entwicklungen in der westlichen Musikgeschichte: Gehörte seit der karolingischen Zeit der einstimmige sogenannte Gregorianische Choral zum festen musikalischen und liturgischen Repertoire nahezu aller Gottesdienste, so werden ab dem späten 12. Jahrhundert erstmals Gesänge komponiert, bei denen zwei, drei oder sogar vier rhythmische Melodien über einer Stimme liegen

Diese Entwicklung geht Hand in Hand mit dem Bau der gotischen Kathedrale auf der Île de la Cité in Paris. Neben der Architektur und der Bildhauerkunst wurde hier, im intellektuell-künstlerischen Zentrum Westeuropas, die Musik zu einem Experimentierfeld. Der mehrstimmige Gesang in unterschiedlichsten Ausformungen ließ die Gottesdienste in den gotischen Kathedralen für die Menschen zu einem erhebenden, sinnlichen Gesamterlebnis werden. Denn wenn sich die Gesänge – vom Chor hinter seidenen Vorhängen vorgetragen – im gesamten Kirchenschiff ausbreiteten, müssen sie auf Volk und Adel wie Klänge aus einer anderen, reineren Welt gewirkt haben.

An der Hörstation der Paderborner Gotik-Ausstellung können die Besucherinnen und Besucher einen Eindruck von der besonderen Wirkung der mehrstimmigen Gesänge auf die Menschen des Mittelalters gewinnen. Die große Schau des Diözesanmuseums ist eine faszinierende Zeitreise in eine außergewöhnliche Epoche und zeigt noch bis zum 13. Januar 2019, wie – ausgehend von Frankreich – enorme kulturellen Veränderungen ganz Europa erfassten.

Weitere Informationen: www.dioezesanmuseum-paderborn.de

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