Grenz-TV: Theaterlabor streamt von Stadtgrenze

Bielefeld. Am letzten Freitag hat das Theaterlabor seine Aktion Grenz-TV von der Bielefelder Stadtgrenze zu Steinhagen gestreamt. Auf dem Gelände eines ehemaligen NS-Gefangenenlagers wurde der Heimatexperte Horst Brück zu dem Gefangenenlager befragt. In diesem ersten Kamerawinkel besprach die Moderatorin Stefanie Taubert mit dem Vorsitzenden des Heimat- und Geschichtsvereins Quelle die früheren Vorkommnisse. Zeitgleich hat das Blas-Ensemble Leptophonics passend zum Heimat-Thema ein Heimatstück gespielt, ohne dabei jedoch einen Bläserton zu erzeugen. Im Rahmen dieses Projekts wurde ihnen die Grenze gesetzt, dabei keine Töne von sich zu geben, sodass nur das Klappern der Bläser-Klappen zu hören war.

Die Performance: Das Blasmusik Ensemble Leptophonics mit Grenzgänger Michael Grunert. (Foto: Joshua Eulitz)

Die Performance: Das Blasmusik Ensemble Leptophonics mit Grenzgänger Michael Grunert.
(Foto: Joshua Eulitz)

Das Projekt Grenz-TV will die Grenzen theatraler Möglichkeiten ausloten und wird insgesamt viermal von den Randgebieten Bielefelds in seinen vier Himmelsrichtungen gestreamt. Die Idee für das Projekt entstammt dem bisherigen Projekt „Grenzgänge“, welches das gesamte Jahr über mit vereinzelten Aktionen läuft. Ursprünglich entstand laut Christian Müller, dem Zuständigen für die Öffentlichkeitsarbeit des Theaterlabors, die Überlegung, die Stadtgrenze Bielefelds, welche ungefähr 110 km lang sei, einmal komplett abzugehen.

Hierbei hätte Grenz-TV in Gruppen jeden Tag zwei Teilstücke a 5-10 km erlaufen. Für jedesStück sollten passend Experten eingeladen werden, etwa Historiker, Biologen oder Geologen, die zu ihrem jeweiligen Abschnitt erzählen sollten. In den Wanderungen sollten die Experten „immer wieder einen neuen Aspekt dieser Grenze aufnehmen und etwas zu ihrer eigenen Meinung erzählen“, so Christian Müller.  Dabei hätten sie in 7 bis 10 Tagen Bielefeld einmal komplett umrundet.

Grenzgänger und Fahnenträger: Michael Grunert (Foto: Joshua Eulitz)

Grenzgänger und Fahnenträger: Michael Grunert
(Foto: Joshua Eulitz)

Übertragungswagen vom Theaterlabor: Von hier aus werden die beiden Kameraperspektiven live geschnitten. (Foto: Joshua Eulitz)

Übertragungswagen vom Theaterlabor: Von hier aus werden die beiden Kameraperspektiven live geschnitten.
(Foto: Joshua Eulitz)

Corona-bedingt kam das Theaterlabor zu der folgenden Überlegung: „wir nehmen jetzt nur 4 Elemente, in jeder Himmelsrichtung eines, heraus und machen da jeweils ein kleines Stück der Grenze“.
Ein besonderes Hindernis für das Unterfangen stellte für Müller die Übertragungstechnik dar: „Tricky war es natürlich sich mit der ganzen Technik auseinanderzusetzen – der Übertragungstechnik – manchmal klappt’s, manchmal nicht so gut. Das wussten wir auch immer erst, wenn wir vor Ort waren und uns die Antennen aufgebaut haben“.

Zudem habe sich die Konkurrenz verändert, da sich nun das kleine Theater mit den großen Theatern der Streamingwelt und nicht länger mit 4 bis 5 Theatern in Bielefeld in Konkurrenz treten müsse.
Zunächst bestand noch die Befürchtung, mit der Übertragung von den Grenzgebieten ein Format zu produzieren, welches beispielweise auch in der WDR-Lokalzeit auftauchen könnte. Dies wurde daher durch die jeweilige Performance, hier durch die Blasmusiker, gebrochen. Dadurch würden bei den Zuschauern leichte Irritationen hervorgerufen, was jedoch auch mit dem an die Grenzen gehenden Projekt beabsichtigt sei.

Während diesmal Musiker mit dem „Grenz-TV-Fahnenträger“ gemeinsam auftraten, seien sonst 8-9 Schauspieler und Schauspierinnen dabei. Diese müssten sich jedoch zurücknehmen, bekämen keine Schminke oder Kostüme, performten dagegen eher minimalistisch in ihrer Alltagskleidung, wobei es insbesondere auf Mimik und Gestik ankäme. „Es geht viel um minimale Reaktionen im Gesicht“ so Christian Müller.
Es gehe im Grenz-TV insbesondere darum mit Erwartungen zu brechen, so erwartet der Zuschauer in der ersten Folge am Krötenzaun auch eine Kröte zu Gesicht zu bekommen, was jedoch nicht passiert. In der zweiten Folge wurde unter anderem die Alexander-Technik vorgestellt, aber nicht gezeigt. In dieser Folge rückt das Gefangenenlager in den Vordergrund. Von diesem ist nur noch das Gelände übrig. Das Konzept enthält also „verkopfte Sachen, die man als Zuschauer nicht so ganz entschlüsseln kann, es bleibt eben ein Fragezeichen zurück“, so Christian Müller.

Experte Horst Brück (Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Quelle) im Gespräch mit der Moderatorin Stefanie Taubert. (Foto: Joshua Eulitz)

Experte Horst Brück (Vorsitzender des
Heimat- und Geschichtsvereins Quelle) im Gespräch mit der Moderatorin Stefanie Taubert.
(Foto: Joshua Eulitz)

Indira Heidemann, die Regisseurin des Stücks, beschreibt das Verbot an die Blasmusiker Töne herauszudrücken, dass diesen auch eine Grenze gesetzt werden sollte. Außerdem solle so eine Verbindung der Musik zu dem Gespräch, in dem ernste Themen wie der Nationalsozialismus verhandelt werden würden, geknüpft werden.

Die Folge sowie die beiden Vorherigen sind weiterhin auf YouTube verfügbar. Kommenden Freitag überträgt Grenz-TV live aus Senne an der Stadtgrenze zu Eckardtsheim. Das Ende der Grenzgänge werden noch einmal fundierte Erkenntnisse garantiert. Dabei soll es um die Frage ob das Theater Grenzen gesetzt bekommen muss, um zu überleben. Hat es seine letzte Chance, wenn es in die Grenzgebiete geht?