Herford. Das von Marta Herford initiierte und begleitete Projekt „5 Tore / 5 Orte“ geht im Jubilä- umsjahr des Museums in die zweite Runde: Die Wahl fiel auf den spanischen Bildhauer Fernando Sánchez Castillo, der heute gemeinsam mit dem Künstlerischen Direktor Roland Nachtigäller sein Konzept der Öffentlichkeit vorstellte. In der Verbindung einer Skulptur mit Video und Aktion übersetzt er das ungewisse Warten von heimatlosen Menschen an den Grenzen in ein eindringliches Bild. Der Zeitplan ist ambitioniert: Bereits im Frühjahr 2016 soll das Werk am Herforder Lübbertor fertig gestellt werden. Den Auftakt von „5 Tore / 5 Orte“ machten 2010 die „Safety Cones“ von Dennis Oppenheim.
„5 Tore / 5 Orte“ ist ein von Marta Herford langfristig angelegtes Projekt im öffentlichen Raum. Für die Orte der fünf ehemaligen mittelalterlichen Stadttore, die einst von Herfords Stadtmauer verbunden wurden und heute vollständig verschwunden sind, entwickeln fünf zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus fünf Kontinenten ortsbezogene Skulpturenprojekte. Damit markieren sie diese heute fast vergessenen Orte neu und rufen die historische Bedeutung dieser städtischen Verkehrspunkte wieder ins öffentliche Gedächtnis. Im Oktober 2010 wurden die beiden je 550 cm hohen „Safety Cones (for Herford)“ des amerikanischen Künstlers Dennis Oppenheim am Bergertor installiert. Der Madrider Bildhauer Fernando Sánchez Castillo (geb. 1978) wählte nun das Lübbertor für sein Projekt. Vor mehr als einem Jahr bereits besuchte Sánchez Castillo auf Einladung von Marta Herford die Stadt und setzte sich mit ihrer Geschichte auseinander. Roland Nachtigäller wählte den Spanier, der bereits 2006 mit einem eigenen Raum im Marta Herford präsentiert wurde, sehr bewusst für dieses Projekt aus: „Castillo ist ein international hoch anerkannter Künstler, der sich bewusst in historischen und politischen Zusammenhängen bewegt. Dabei beschäftigt er sich immer wieder mit der Frage nach der Funktion von Denkmälern. Mit kritischem Interesse hinterfragt er die Machtstrukturen in Gesellschaft und Geschichtsschreibung. Damit war er für mich geradezu ein Wunschkandidat für ein Herforder Stadttor-Projekt.“ Außerdem spanne Castillos Beitrag bereits jetzt den Bogen weiter zu anderen Kontinenten, die in Zukunft für „5 Tore / 5 Orte“ eine Rolle spielen werden.
In der Umsetzung für das Projekt am Lübbertor plant Castillo einen Mast, in der Höhe der umstehenden Straßenlaternen, der mit einer funktionsfähigen Kamera ausgestattet ist. Auf der Mastspitze wird eine in Metall gegossene menschliche Figur sitzen, die in die Ferne schaut. Die Aufnahmen der Kamera, die Wetter- und Verkehrsbedingungen am Lübbertor aufzeichnet, sollen live als Web-Cam-Bilder auf der Internetseite der Stadt Herford und von Marta Herford verfolgt werden können. Zugleich übersetzt Sánchez Castillo ein Thema seiner Heimat: Die spanischen Exklaven Melilla und Ceuta liegen auf dem afrikanischen Kontinent und sind von hohen Zäunen und massiven Überwachungsanlagen umgeben. Seit Jahren schon gehen Bilder von Flüchtlingen um die Welt, die hier auf Grenzzäunen und Kameramasten an der Außengrenze der EU auf Einlass in ein sicheres Land warten. In Herford entsteht daraus ein allgemeingültiges Bild des Wartens für die Situation von Flüchtenden unabhängig von aktuellen politischen Situationen.
Der Künstler:
Fernando Sánchez Castillo
Er wurde 1970 in Madrid (ES) geboren, wo er heute auch wieder lebt. Sein Studium der bildenden Kunst absolvierte er an der Rijksakademie Amsterdam (NL) und der École Nationale Supérieure des Beaux-Arts de Paris (FR). Fernando Sánchez Castillo untersucht anhand von konkreten Bezügen zur Vergangenheit die Geschichte und politische Missstände. Propagandistische Mechanismen werden teils ironisch gebrochen und ihre Wirkmacht entlarvt.
Foto: Fernando Sánchez Castillo, Modell für das Lübbertor © the artist