„Eine Region, die Nationalpark wird, kann nur gewinnen“

Interview mit Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack zum geplanten Nationalpark Egge

Die NRW-Landesregierung hat sich vorgenommen, in dieser Legislaturperiode einen zweiten Nationalpark auszuweisen. Wo ist noch offen. Naturschutzfachlich bietet die Egge beste Voraussetzungen. Zudem würde ein Nationalpark Egge die touristische Attraktivität der Region deutlich erhöhen, sagt Tourismusforscher Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack.

Gütersloh. Schon lange fordern Vertreter von Natur- und Umweltverbänden zusammen mit dem Förderverein Nationalpark Senne-Eggegebirge die Einrichtung eines Nationalparks in Ostwestfalen-Lippe. „Wir wollen die Eggegebirgsregion, die zahlreiche seltene und gefährdete Arten beherbergt, höchstmöglich schützen, als Nationalpark“, so Dr. Tom Steinlein, Ökosystembiologe an der Uni Bielefeld und Vorsitzender des Fördervereins Nationalpark Senne-Eggegebirge. „Die touristische Entwicklung in einem Nationalpark Egge würde die Standortattraktivität der gesamten Region erhöhen“, ist Altenbekens Alt-Bürgermeister und Co-Vorsitzender Hans Jürgen Wessels überzeugt. Beide sprachen mit Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack, Professor für Destinationsmanagement an der Ostfalia Hochschule, über Chancen für Natur, Wirtschaft und Tourismus, die ein Nationalpark Egge böte.

Herr Prof. Dr. Quack, wäre die Realisierung eines Nationalparks im Eggegebirge aus touristischer Sicht sinnvoll und wenn ja, warum? Und was macht einen Nationalpark aus touristischer Sicht aus?

Ein Nationalpark Egge würde die touristische Attraktivität der Region deutlich erhöhen, da Reisende mit dem Begriff des Nationalparks als Qualitätszeichen in touristischer Sicht besonders attraktive Naturerlebnisse verbinden. Potenzielle Gäste erwarten dann entsprechende touristische Produkte aus einer Hand bestehend aus naturorientierten Erlebniskomponenten, herzlichen Gastgebern und (digitaler) Besucherinformation und -führung. Es wird selbstverständlich erwartet, dass der Aufenthalt in einem Nationalpark den Erfordernissen nachhaltigen Reisens entspricht und dies auch nachgewiesen werden kann.

Blick in einen Rotmilan-Horst

Blick in einen Rotmilan-Horst
©Robin Jähne

 Liegen Nationalparke denn touristisch im Trend? Wie beurteilen Sie die Perspektive?

Bereits in den vergangenen Jahren und noch einmal deutlich verstärkt während und durch die Pandemie suchen Reisende vermehrt den Aufenthalt in ländlichen, naturnahen Umgebungen. Ebenso sehen wir ein stark gestiegenes Interesse an nachhaltigen Reiseformen, wobei die Reisenden hier noch sehr unsicher sind, welche Reiseangebote nun tatsächlich den Erfordernissen der globalen Nachhaltigkeitsziele entsprechen. Nationalparke können aufgrund der ihnen zugeschriebenen Eigenschaft als besondere und bewahrenswerte Naturräume einen Vorsprung vor anderen ländlichen Regionen erreichen, wenn ihre touristischen Produkte dem naturorientierten Schwerpunkt und der konsequent nachhaltigen Ausrichtung entsprechen.

 Ist für einen Nationalpark der Ausbau touristischer Attraktionen notwendig?

Jein. In der Regel sind ja bereits Attraktionen in einer Region vorhanden. Zu prüfen ist dann im Einzelfall, ob im Bereich der sanften Vermittlung von Naturerlebnissen noch etwas fehlt.

In unserer Region wurde in den vergangenen Jahren viel für die touristische Entwicklung in der Natur getan. Ist vor diesem Hintergrund von einem Nationalpark noch ein positiver Effekt zu erwarten?

Eine Angebotsentwicklung allein ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für Markterfolg. Ein Nationalpark kann hier ergänzend als Booster der touristischen Kommunikation wirken.

junger Uhu

junger Uhu
©Robin Jähne

 Entwickelt ein Nationalpark Strahlkraft, z. B. zum Nutzen für andere Wirtschaftsbereiche und das Umland?

In der Regel und mit Zeit: ja. Wir wissen aus vielen anderen Regionen, dass das Image als Wohnstandort, oder besser noch: als attraktiver Lebensraum steigt. Die touristische Entwicklung einer Nationalparkregion ist dann auch Mittel zum Zweck der Entwicklung von Lebensräumen für die Einheimischen und erhöht für Unternehmen und Arbeitskräfte die Standortattraktivität.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Quack, Sie betrachten an ihrem Lehrstuhl Tourismusdestinationen nicht isoliert, sondern eingebettet in allgemeine betriebswirtschaftliche Überlegungen. Könnte das Label „Nationalpark“ einer wirtschaftsstarken Region schaden? Oder sehen sie umgekehrt Chancen/Vorteile, die sich bis in die größeren benachbarten Städte Detmold, Höxter und Paderborn auswirken?

Schaden? Wo soll denn bitte ein Schaden entstehen, wenn man sich auf dem Weg zur Anerkennung als Nationalpark macht? Schließlich wird nichts, was bereits da ist, verboten, und wirtschaftliche Weiterentwicklung ist auch in Nationalparken ausdrücklich gewünscht. Eine Region, die Nationalpark wird, kann nur gewinnen: an Bewahrung der natürlichen Grundlagen, an Verbesserung der Lebens- und Standortbedingungen, an Image der Region als attraktiver Lebensraum und Wirtschaftsstandort, an der Bewusstseinsentwicklung für nachhaltiges Wirtschaften und nicht zuletzt: an Anpassung an den Klimawandel.

Mehr Informationen zum geplanten Nationalpark Egge gibt’s unter www.egge-nationalpark.de.

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack
©Ostfalia Hochschule

Prof. Dr. Heinz-Dieter Quack lehrt Destinationsmanagement an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und ist dort Vizepräsident für Forschung, Entwicklung und Transfer. Zudem ist er Leiter des Forschungszentrums “Wandern und Gesundheit” des Deutschen Wanderinstitutes, wissenschaftlicher Leiter bei PROJECT M  – der führenden Strategieberatung für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft – sowie beim Europäischen Tourismus Institut (ETI) und Leiter des Kompetenzzentrums Tourismus des Bundes.