Als das Rauchen zur Grundausstattung gehörte

Neue Serie: LWL-Depots und ihre verborgenen Schätze – Das Zigarettenetui und die großen Themen der Zeit

Detmold . In Zeiten von Corona haben Museen, Galerien und andere Ausstellungen bis 20. April geschlossen. Zeit, um einzelne Schätze aus den Depots vorzustellen, die aus unter-schiedlichen Gründen selten oder nie ausgestellt wurden. Mit einer Serie holt der Landschafts-verband Westfalen-Lippe (LWL) einige dieser Schätze ans Tageslicht und gibt Einblicke an einen Ort, der Besuchern sonst verborgen bleibt, zum Beispiel in das Depot des LWL-Freilichtmuseums in Detmold.

Mathis Kleinitz ist Projektmitarbeiter in der Sammlung und Dokumentation des LWL-Freilichtmuseums Det-mold. Im Arbeitsalltag hat er mit vielen verborgenen Schätzen zu tun, wie zum Beispiel diesem Zigaretten-etui. Foto: LWL/Wozniak

Mathis Kleinitz ist Projektmitarbeiter in der Sammlung und Dokumentation des LWL-Freilichtmuseums Det-mold. Im Arbeitsalltag hat er mit vielen verborgenen Schätzen zu tun, wie zum Beispiel diesem Zigaretten-etui.
Foto: LWL/Wozniak

Ein kleines Zigarettenetui aus Metall liegt auf dem Schreibtisch von Mathis Kleinitz. Es ist eines von über 40 weiteren Zigarettenetuis, die das LWL-Freilichtmuseum Detmold in seiner Sammlung beherbergt. Mathis Kleinitz ist Projektmitarbeiter in der Sammlung und Dokumentation des Museums. Das Depot gehört neben dem Schreibtisch zu seinen Hauptarbeitsplätzen. Seine Aufgabe ist es, mehr über die vielen Objekte herauszufinden, die in den insgesamt zwei Depots des Museums mit einer Gesamtfläche von über 9.000 Quadratmetern lagern. „Ich recherchiere Zusammenhänge und Informationen zur Geschichte, Funktion und Herkunft der Objekte oder versuche, etwas über die Vorbesitzerinnen oder die Herstellerfirmen herauszufinden“, erzählt Kleinitz. Weil diese Geschichte eines Objekts – Provenienz genannt – oft abgerissen oder nur lückenhaft dokumentiert ist, ist die Aufgabe nicht immer von Erfolg gekrönt.

So ähnlich ist es auch bei dem kleinen Zigarettenetui, das zwischen 1900 und 1920 hergestellt wurde. Mehr als diese zeitliche Einordnung, die Initialien JB, das Material und die Bearbeitungstechnik sind bisher nicht bekannt über die Dose. „Aber genau diese Lücken bieten ja einen Ansatzpunkt für zukünftige Forschungen und die Chance, neue Fragen an alte Objekte zu stellen“, so Kleinitz. Die kulturgeschichtlichen Aspekte des Rauchens sind allerdings sehr gut erforscht, wie der Projektmitarbeiter erzählt. Aus seinen Recherchen zum Objekt geht hervor, dass das Rauchen zu Beginn des 20. Jahrhunderts omnipräsent war und den Beginn einer neu-en Zeit markierte.

Als wesentliche Fähigkeiten seines Jobs nennt der Historiker analytisches Denken und das Er-kennen von Beziehungen. „Den Zusammenhang zwischen dem einzelnen Objekt und seinen gesellschaftlichen Kontext erkennen, gehört mit Sicherheit zu den spannendsten Aufgaben meiner Arbeit“, so Kleinitz. Anhand des Zigarettenetuis zeigen sich für ihn beispielsweise ganz unterschiedliche Themen der beginnenden Moderne um 1900. Im Zigarettenrauchen spiegeln sich viele der Themen wider, die die Menschen vor hundert Jahren bewegten und die auch aus heutiger Perspektive interessant sind: „Jugendlichkeit, Schnelligkeit oder das Entstehen einer Massengesellschaft“, seien Aspekte, die sich anhand der kleinen Dose aus Neusilber zeigten. „Aber auch die Emanzipation und sich verändernde Rollenverständnisse, denn Zigaretten wurden um 1920 auch von immer mehr Frauen geraucht“, sagt Kleinitz.

Darüber hinaus hätten Zigarettenetuis auch popkulturell ihre Spuren hinterlassen und gehörten in den 1960er und -70er Jahren quasi zur Grundausstattung der James Bond-Filme oder diverser Western. „Ganz im Gegensatz zu heute“, bemerkt Kleinitz, „wo das Rauchen immer mehr aus der Öffentlichkeit zu verschwinden scheint.“

Einen Großteil der Sammlung des LWL-Freilichtmuseums – von Briefen über landwirtschaftliche Maschinen bis hin zu Möbeln oder gar Einrichtungen ganzer Werkstätten oder Läden – erfassen Kleinitz und weitere Kollegen nach und nach in einer Datenbank. Eines der Ziele, die das LWL-Museum für die nahe Zukunft verfolgt, ist das Angebot einer Online-Sammlung. Dort sollen Objekte, die es bisher in keine Ausstellung geschafft haben, erstmals von einer größeren Öffentlichkeit angeschaut werden können. „Durch die öffentlichen Führungen, die wir im Rahmen unseres Jahresprogramms durch unser Magazin anbieten, haben wir gemerkt, dass das Interesse an unserer Sammlung größer ist als wir lange dachten“, so Kleinitz. Mit dem Format einer Online-Sammlung wolle das Museumsteam Interessierten die Möglichkeit geben, die große Sammlung des LWL-Freilichtmuseums kennenzulernen – und das mit nur wenigen Klicks.

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