Was die LWL-Museen bis 2026 planen

Münster/Westfalen-Lippe . Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) plant etliche große Sonderausstellungen für die nächsten Jahre. Am Mittwoch  stellte LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger im LWL-Kulturausschuss in Münster eine Übersicht von 2022 bis 2026 vor: „Trotz der Corona-Krise gucken wir nach vorn und planen große Ausstellungsprojekte – es geht mit starkem Engagement weiter.“
Dortmund
Im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund soll es ab Mitte 2023 um postkoloniale Verflechtungen gehen. Das gesellschaftliche Engagement und die Debatten im Rahmen der „Black-Lives-Matter“-Bewegung in den vergangenen Monaten belegen das große Interesse an der Geschichte und den gegenwärtigen Ausprägungen des Kolonialismus, heißt es in der entsprechenden Vorlage. Die Sonderausstellung „(Post)Koloniale Verflechtungen“ (Arbeitstitel) will mit attraktiven Exponaten aus den LWL-Kultureinrichtungen und Leihgaben aus externen Sammlungen Themen wie koloniale Expansion, globale Geld- und Warenströme, Kommunikationsstrukturen zwischen den Kolonien und Westfalen-Lippe, die Rolle lokaler Industrie und die der Kolonialwarenhändler sowie den Umgang mit dem kolonialen Erbe im Museumsbereich.

Die Ladeneinrichtung im Haus Schwenger ist nur ein Beispiel wie sich das Thema Konsum über das ganze Gelände des LWL-Freilichtmuseums erstreckt. Foto: LWL/Klein

Die Ladeneinrichtung im Haus Schwenger ist nur ein Beispiel wie sich das Thema Konsum über das ganze Gelände des LWL-Freilichtmuseums erstreckt. Foto: LWL/Klein

Gartenzwerge werden geliebt, verspottet und gehasst – eine Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern in Dortmund widmet sich ab Januar 2026 dem Thema.
Von den einen wird er geliebt, von den anderen als Ikone deutscher Spießigkeit verspottet, von Künstlern als Projektionsgegenstand oftmals genutzt, in der Sagen- und Literaturwelt hat er einen festen Platz. Rund 25 Millionen Exemplare stehen allein in Deutschland, ausgestattet mit Gießkanne oder Grubenlampe, neuerdings auch mit Handy und Laptop in den Gärten. Neben der Produktion und dem Design geht es um den Befreier und Beschützer, Freunde und Feinde und schließlich auch um Herkunft und Entwicklung dieser Figur.

August Heissner begann 1872 Jahren im thüringischen Gräfenroda als erster mit der Serienproduktion des „deutschen Hartbrandwichtels“. In der Ausstellung geht es aber weit darüber hinaus. Und seit dem Frühalter bis in das 20. Jahrhundert hinein gibt es eine enge mythologische Verbindung der Zwerge zum Bergbau. Ob der Gartenzwerg nicht doch seinen Ursprung bei den Phöniziern hat oder das ursprüngliche Abbild eines hethitischen oder karthagischen Obersteigers ist – das alles sollen die Besucher in Bildern, Filmausschnitten, Installationen, Spielen – und eichen Anschauungsobjekten aus der Welt der Zwerge entdecken.

Waltrop
Im LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Waltrop (Kreis Recklinghausen) soll es ab Januar 2024 um Container gehen. Der standardisierte Container ist ein Kernelement der Globalisierung. An sich ein einfacher Stahlkasten ohne komplizierte Mechanik, hatte er weitreichende Konsequenzen.

1956 schickte der amerikanische Unternehmer Malcom McLean das erste Containerschiff auf die Reise von Newark nach Houston. Zehn Jahre später erreichte das erste Containerschiff einen deutschen Hafen. Innerhalb weniger Jahrzehnte revolutionierte der Container die Weltwirtschaft. Er vereinfachte die Verzahnung der Transportmittel Schiff, Bahn und Lkw drastisch.
In den Seehäfen hatte dieser Strukturwandel dramatische Folgen, denn er machte die ausgedehnten Docklandschaften mit tausenden von Hafenarbeitern überflüssig. Eine Stadt wie Liverpool musste sich danach innerhalb weniger Jahre komplett neu erfinden. Da Güter, die in einem Container stecken, im Binnenland genauso leicht von einem Verkehrsträger auf den anderen umgeladen werden können wie an den Meeresküsten, profitierten Binnenhäfen wie Duisburg von dieser Entwicklung. Auch auf den Kanälen spielt der Container eine Rolle.

Bocholt
Die „Schönheitsindustrie“ will das LWL-Industriemuseum in Bocholt (Kreis Borken) ab 2025 thematisieren. Warum werden bestimmte Attribute von vielen als Schönheitsideal empfunden? Diese Frage wird der Ausgangspunkt. Die Ausstellung im Textilwerk Bocholt erzählt eine Geschichte der Schönheitsideale und setzt dabei den Fokus auf die Entwicklung einer westlichen Schönheitsindustrie von ihren Anfängen im 19. und 20. Jahrhundert bis heute.
Schönheitsideale hat es immer gegeben. Die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert ermöglichte jedoch eine noch nie vorher dagewesene Möglichkeit zur Entwicklung, Massenherstellung und Massenkonsum von Schönheitsprodukten. Mit den Vorstellungen von Schönheit beschäftigt sich seitdem eine ganze und stetig wachsende Industrie.

Die Auseinandersetzung mit historischen und zeitgenössischen Schönheitsprodukten sowie Darstellungen und Ausdruck von Schönheit in Werbung, Mode und Kunst, bieten dem Publikum die Möglichkeit, Ausprägungen von Schönheitsidealen und -praktiken im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Schönheitsindustrie zu interpretieren.

Detmold
Das LWL-Freilichtmuseum in Detmold (Kreis Lippe) will als erstes Projekt im neuen Ausstellungshaus Mitte 2024 das Essen thematisieren. Der Fokus liegt dabei auf dem Thema Ernährung, von der Produktion bis zum Verzehr. Dabei sind die Inhalte nah an den Menschen in der Handlungskette und nah an den Themen des LWL-Freilichtmuseums zu dessen Kernkompetenzen auch die Biodiversität und Landschaftsökologie zählen.
Bio, vegan, aber Hauptsache gesund: Wie man sich ernährt und was man an der Supermarktkasse auf das Band legt, sind mittlerweile wichtige Eckpfeiler des eigenen Selbstbildes. Denn damit verbunden sind auch viele tägliche Entscheidungen. Die Konsequenzen sind enorm, wenn auch nicht immer bewusst. Wie hat der Mensch sich in den letzten 500 Jahren entschieden? Ernährung ist eines der zentralen Felder, in denen sich Selbstverortungen von Gesellschaften beobachten lassen. Nahrungsmittel sind alltägliche Notwendigkeiten und gleichzeitig das größte Mittel, mit dem sich von anderen abgrenzen kann, eng verwoben mit Lebensstilen, Konsumgewohnheiten und Tradition.

Münster
Das LWL-Museum für Naturkunde in Münster wird sich ab Juni 2026 mit dem „Abenteuer Forschung“ beschäftigen.
Wie gehen Wissenschaftler vor? Wo fangen sie an? Woher kommen die Ideen und Anregungen? Am Anfang steht immer die Neugierde – und die soll die Besucher ergreifen.

Neben verschiedenen groß angelegten Forschungsspielen, die sich teils über die gesamte Ausstellung erstrecken können, geht es exemplarisch um unterschiedliche Entdeckungen und Erkenntnisse aus dem Bereich der Naturwissenschaften.

Mögliche Beispiel könnten die Erfindung der Medizin durch Hippokrates von Kos (400 v Chr.) sein, die Entdeckung der Dinosaurier durch Gideon Algernon Mantell (1822), die Evolutionslehre von Charles Darwin (1859), die Entdeckung radioaktiver Elemente durch Marie Curie (1896) oder die Entschlüsselung der DNA durch James Watson und Francis Crick (1953).

„Gene – Eine Reise durch das Erbgut“ heißt die Sonderausstellung, die ab 2024 im LWL-Museum für Naturkunde in Münster gezeigt werden soll. Wie werden Informationen in den Zellen gespeichert und abgerufen und wo wird das Erbgut gelagert? Was genau ist ein Gen und was verbirgt sich hinter Begriffen wie Epigenetik oder Gentherapie? Was ist eine Mutation, was normale Variation, was ein Gendefekt? Die Ausstellung soll durch den Einsatz moderner Multimediatechnik diese Fragen beantworten und erklären, wie jedes der zirka 30.000 menschlichen Gene an seiner festen Position auf einem der 24 menschlichen Chromosomen seine Funktion ausüben kann. Für jeden Bereich werden in der Ausstellung Vergleiche zu Tieren und Pflanzen gezogen, die jeweils durch Objekte und multimediale Stationen vermittelt werden können.

Die Ausstellung „Vom Eisplaneten zum Treibhausklima – Klimawandel gestern und heute“ soll ab Mitte 2022 im LWL-Museum für Naturkunde in Münster thematisieren, was bis vor wenigen Jahren noch ein abstraktes Szenario war. Heute entsteht der Eindruck, als sei diese globale Veränderung quasi live zu erleben. Die Ausstellung geht Fragen nach dem Klima während wichtiger Perioden der Erdgeschichte nach. Denn es gab Zeiten, in denen praktisch die gesamte Erde bis auf einen kleinen belebten Streifen rund um den Äquator vereist war. Während anderer Zeiten herrschte Wüstenklima auf allen Kontinenten. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die das Klima auf der Erde bestimmen und die die Ausstellung allgemeinverständlich erklärt. Dazu gehören die Sonnenaktivität, die Kontinentalverschiebung, Luft- und Meeresströmungen, Vulkanismus und die Treibhausgase. Ein wichtiges Thema wird die Zusammensetzung der Gase über lange Zeiträume sein, um die Auswirkungen des menschlichen Einflusses zu verstehen. Die Ausstellung will nicht nur zurückblicken, sondern auch Prognosen für die Zukunft wagen.

Ab November 2023 macht das LWL-Museum für Kunst und Kultur „Nudes“, Akt, zum Thema. Der Akt ist eines der ältesten und faszinierendsten Motive in der Kunst. Das Motiv des unbekleideten Körpers bietet geradezu unerschöpfliche Möglichkeiten, die Sicht des Menschen auf sich selbst, seine Ideale, Ängste und Träume darzustellen.
Er spielt nicht nur in der Sammlung der Tate Britain in London eine wichtige Rolle, auch in der Sammlung des LWL-Museums für Kunst und Kultur ziehen sich Aktdarstellungen durch die Jahrhunderte. Die Ausstellung bringt zum ersten Mal Werke des 19., 20. und 21. Jahrhunderts aus beiden Museen zusammen und stellt sie gegenüber.

Im Fokus der Ausstellung stehen Aktdarstellungen des 19. bis 21. Jahrhunderts. Sie zeigen die unterschiedlichen Ansätze und Transformationen dieses Genres über die Jahrhunderte. Werke der Sammlung in Münster – unter anderem von Christian Rohlfs, Edvard Munch, Otto Mueller, Erich Heckel – werden zusammen mit Arbeiten von Edgar Degas, Auguste Rodin, Henri Matisse, Alberto Giacometti und anderen gezeigt.

Im Oktober 2024 geht es im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster mit einer Sonderausstellung zu Otto Mueller weiter. Es ist die erste umfassende Ausstellung Otto Muellers im LWL-Museum, das vier wichtige Gemälde von ihm besitzt, und findet anlässlich des 150. Geburtstages des Künstlers statt. Seit 100 Jahren nicht mehr in Deutschland gezeigte Bilder aus amerikanischen Sammlungen werden ausgestellt.

Als Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“ nahm Otto Mueller an den beiden herausragenden „Brücke“-Ausstellungen 1910 in Dresden und 1912 in Berlin teil. Gleichzeitig stellte er mit den Künstlerinnen und Künstlern des „Blauen Reiters“ aus. Auch nach der Auflösung der Künstlergruppe „Brücke“ pflegte Mueller Kontakt und Freundschaft mit den ehemaligen Gruppenmitgliedern wie etwa Ernst Ludwig Kirchner.
Das Motiv des „Zigeuners“ ist neben den Darstellungen des weiblichen Aktes, der Badenden und der Doppelbildnisse eines der vier werkbeherrschenden Themen im Schaffen Otto Muellers. Neben Werken Muellers werden auch Gemälde von Tizian, Gauguin, Matisse und Cézanne gezeigt.

Ab Oktober 2025 hat das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster Picasso und Kirchner auf dem Programm. Picasso steht wie kein anderer Künstler für die Entwicklung der Kunst des 20. Jahrhunderts. Doch während sich seine Zeitgenossen – von Franz Marc über Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Emil Nolde, Otto Dix und George Grosz – an ihm rieben, interessierten Picasso selbst vor allem die Werke Albrecht Dürers, Lucas Cranachs und Matthias Grünewalds. Die gleichen alten Meister waren auch Kirchners Vorbilder.
Ernst Ludwig Kirchner, Mitbegründer der Künstlergruppe „Brücke“, gilt im Vergleich dazu als einer der wichtigsten deutschen Expressionisten. Durch sein Leben und Werk zieht sich wie ein roter Faden die Suche nach dem „Exotischen“ und Ursprünglichen, nach anderen Ländern und Kulturen. In seinem Tagebuch notierte Kirchner 1925 anlässlich der Internationalen Ausstellung in Zürich seine Eindrücke und hielt fest, dass ohne Zweifel Picasso der „eigenartigste und beste“ der ausstellenden Künstler sei.

Die Ausstellung Picasso und Kirchner befasst sich mit den Verbindungen und Unterschieden in den Arbeiten dieser beiden Künstler. Dem Menschenbildnis haben sie sich teils mit ähnlichen, teils mit gegensätzlichen stilistischen Mitteln genähert und dabei Meisterwerke geschaffen.

Münster/Selm
Anlässlich des 900. Geburtstages des berühmten Stauferkaisers Friedrich I. „Barbarossa“ (1122-1190) zeigt das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster ab September 2022 eine internationale Sonderausstellung. Die schillernde Figur des Kaisers „Rotbart“, der als schwäbischer Herzogssohn seit 1155 als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die Geschicke Europas lenkte, steht im Zentrum der Schau, die sich auf zwei Standorte verteilt: das LWL-Kunstmuseum in Münster und Schloss Cappenberg bei Selm (Kreis Unna).

Das LWL-Museum widmet sich in einem breiten kulturgeschichtlichen Überblick dem um Machtausgleich bemühten Politiker, gläubigen Christen, streitbaren Ritter und potenten Kunstförderer Barbarossa. Mit den Augen des Kaisers, der 1190 während des dritten Kreuzzugs in Anatolien ertrinkt, wirft die Ausstellung einen Blick auf 12. Jahrhundert. Zahlreiche Städte werden gegründet und gelangen rasch zu wirtschaftlicher und kultureller Blüte, an den neu gegründeten Universitäten diskutieren Gelehrte aus den verschiedensten Ländern über Theologie, Philosophie und Naturwissenschaften. Der kulturelle Transfer führt zu einer fruchtbaren Verschmelzung antiken, abendländischen und orientalischen Kulturgutes.

Lichtenau-Dalheim
Dass die Sprache Latein heute noch längst nicht am Ende ist, soll 2022 eine Ausstellung des LWL-Landesmuseums für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim (Kreis Paderborn) zeigen. Unter dem Arbeitstitel „Latein. Die Sprache Europas“ wird die Sonderausstellung der Geschichte des Lateinischen nachgehen und fragen, welche Bedeutung Europas Sprache heute noch hat.

Latein war nicht nur über Jahrhunderte die Sprache der Klöster und Ordensleute. Neben dem Griechischen war es Verkehrssprache des Römischen Reiches und „lingua franca“ in weiten Teilen Europas.
Die Breite des Themas erlaubt eine Zusammenschau von äußerst unterschiedlichen Exponaten: Wertvolle frühmittelalterliche liturgische Handschriften stehen neben erotischen Darstellungen und Dichtungen aus der Antike und Objekten der aktuellen Populärkultur.

Bis heute wird darüber diskutiert, wie das Verhältnis der Kirchen und Klöster zum Nationalsozialismus zu beurteilen ist. Eine große Sonderausstellung über „Kirchen und Klöster im Nationalsozialismus“ (Arbeitstitel) soll im LWL-Museum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim (Kreis Paderborn) ab 2024 diese Wechselbeziehung aus historiographischer und museumsdidaktischer Sicht erstmals für ein breites Publikum aufarbeiten.
Waren die Kirchen willige Helferinnen des mörderischen Regimes oder sind sie dem mutigen Widerstand zuzurechnen? Die Ausstellung der Stiftung Kloster Dalheim fragt nach den Rahmenbedingungen dieses Verhältnisses im Zusammenhang der europäischen Geschichte der 1920er bis 1940er Jahre. Besondere Diskussionspunkte auf katholischer Seite sind z.B. die Hintergründe des Konkordats zwischen Deutschem Reich und Heiligem Stuhl oder auch die Verfolgung von Priestern durch den Staat und der zur Schließung von Einrichtungen führende „Klostersturm“. Auf evangelischer Seite werden unter anderem die ideologische und organisatorische Nähe zum Regime sowie der Gegensatz zwischen sogenannten „Deutschen Christen“ und „Bekennender Kirche“ diskutiert.

In Zeiten einer steten Beschleunigung sämtlicher Lebensbereiche erscheint die Welt der Klöster als Gegenentwurf zu scheinbar übermächtigen Mega-Trends. Exerzitien und Schweigeseminare im Kloster sprechen immer mehr Menschen an.
Die Ausstellung „Respekt, Alter! Was Benedikt heute regeln kann…“ (Arbeitstitel) im LWL-Landesmuseum für Klosterkultur in Lichtenau-Dalheim geht ab 2026 der Frage nach, ob und wie sich klösterlich-monastische Vorbilder auf ein Zusammenleben in Gegenwart und Zukunft übertragen lassen – sowohl in der Öffentlichkeit als auch im Privatleben.

Die Idee klösterlichen Wirtschaftens betrachten viele heute wieder als zeitgemäß und interpretieren sie als Nachhaltigkeit. Viele Klosterbetriebe sind modernste Biobetriebe auf höchstem Niveau. Besonders aktuell erscheint im Zeichen des Klimawandels der weitgehende Verzicht auf tierische Speisen, den Benedikt empfiehlt, wenn er Mönchen rät „immer ein Leben [zu] führen wie in der Fastenzeit“.
Die im Kloster selbstverständliche gegenseitige Fürsorge einander nicht verwandter Menschen bis zum Lebensende lässt sich als Kommentar zum Pflegenotstand oder zu anderen gesellschaftlichen Krisenzuständen in Zeiten nachlassender familiärer Bindungen auffassen. Während monastische Tugenden wie das Schweigen und die nicht selten sogar von der Politik ins Feld geführte Demut vielen richtungsweisend erscheinen, sieht es etwa mit dem für das klösterliche Zusammenleben unabdingbaren Gehorsam schon anders aus. Oder lässt sich dieser Gehorsam heute vielleicht als Synonym für Kompromisstreue lesen?

Haltern
Wasser spielte für Haltern am See immer eine wichtige Rolle. Heute liegt in Haltern mit seinen zwei Stauseen das bedeutendste Wasserreservoir der Region.
Zwei römische Fundkomplexe – einer schon vor über 100 Jahren ergraben, der andere frisch erforscht – sind für das Thema Wasser in Haltern in römischer Zeit von enormer Bedeutung: die römische Marinebasis von Haltern, in der in römischer Zeit Patrouillenboote und ihre Besatzungen stationiert waren, und der Befund eines römischen Wasserturms an der Holz-Erde-Mauer des Hauptlagers.
Die Rekonstruktion und wieder Inbetriebnahme dieser beiden neuen römischen Bauwerke ist ab März 2025 für das LWL-Römermuseum in Haltern (Kreis Recklinghausen) der Anlass, eine Sonderausstellung zum Thema Wasser zu zeigen.
Dabei soll neben der Vorstellung des aktuellen Forschungsstandes zur Wasserversorgung der römischen Militäranlagen in Westfalen auch die Bedeutung des Wassers für das gesamte Imperium Romanum im Fokus stehen.
Die technischen Meisterleistungen der Aquädukte, die die römischen Städte aus Entfernungen von bis zu 100 Kilometern mit Wasser versorgten, werden ebenso thematisiert wie die römischen Thermen. Diese riesigen Badeanlagen gehörten zu den bedeutsamsten Errungenschaften der römischen Zivilisation.
Ein Ausblick auf die Bedeutung von Wasser für die Gegenwart, ausgehend von der Geschichte der Anlage der Halterner Stauseen und die globale Perspektive (Wie wird sich die Bedeutung der überlebenswichtigen Ressource in Zeiten des Klimawandels verändern?) runden die Ausstellung ab.

Herne
Im Mai 1945 ermordeten Angehörige der Waffen-SS und der Wehrmacht zwischen Warstein und Meschede insgesamt 208 polnische und russische Zwangsarbeiterinnen. Ab Herbst 2023 nimmt ein Ausstellungsprojekt im LWL-Museum für Archäologie in Herne die Geschichte der Tatorte und der Opfer von Warstein zum Ausgangspunkt und fragt, was die Archäologie zur Erforschung der Moderne und Zeitgeschichte beitragen kann.
Eine große Ausstellung, die sich den Fragestellungen und Erkenntnissen dieser Forschungstätigkeiten mit Geschichten und Schicksalen von der Industrialisierung bis zum Ende der DDR widmet, hat es in Deutschland aber bisher nicht gegeben.
Ein Schwerpunkt der Ausstellung wird auf der „Konfliktarchäologie“ liegen: Untersuchungen von Konzentrationslagern, Massengräbern, Bunkern und Täterorten sind Bausteine einer Erinnerungskultur, die sowohl von den Taten, aber insbesondere auch von den Opfern erzählen.
Neben der Archäologie der Weltkriege und des Kalten Krieges sollen die Prozesse der Kolonialisierung, Industrialisierung und Globalisierung in der Ausstellung thematisiert werden ebenso wie die Protestbewegungen des 20. Jahrhunderts und ihre Hinterlassenschaften. Auch wenn die Geschichte z. B. über die Anti-Atomkraft-Bewegung oder die Anti-Vietnam-Proteste bekannt ist, so dokumentieren archäologische Ergebnisse bisher ungeschriebene Alltagsmomente.

Die Ausstellung „Archäologie der Ernährung“ im LWL-Museum für Archäologie in Herne präsentiert ab Herbst 2024 die Kulturgeschichte der Ernährung vom Mammutbraten der Neandertaler bis zum In-Vitro-Fleisch der Zukunft. Dabei geht es nicht nur um die Speisepläne verschiedener Kulturen und Epochen, sondern auch um die gesellschaftliche Rolle des Essens und Trinkens, die Konsequenzen einer exzessiven Lebensmittelindustrie für die Natur und um Trends der Diätindustrie, die Leistungssteigerung durch Steinzeitküche verspricht. Doch wie waren die Ernährungsweisen der Steinzeitmenschen? Und gab man sich im Mittelalter wirklich der Völlerei hin? Wer konnte sich welches Essen in welcher Zeit leisten? Und aß man im antiken Rom tatsächlich im Liegen? Diese und weitere Fragen führen zu den Themen der Ausstellung, die die physiologischen Voraussetzungen des Menschen ebenso umfassen wie die Palette an Nahrungsmitteln in verschiedenen Zeiten, die Ess- und Trinksitten, die soziale Rolle der Ernährung, die Lebensmittelwirtschaft mit ihren Folgen von den Anfängen bis zur nachhaltigen Produktion und schließlich bis zu den Ideen einer zukünftigen Ernährung.

Wann immer sich Menschen begegnen, treten sie miteinander in Kommunikation. Stärker als in der heutigen medialen Zeit nutzten schriftlose Kulturen der Vergangenheit die Dinge als Zeichen- und Bedeutungsträger. In der Forschung ist zum Beispiel unbestritten, dass Verzierungen auf Keramikgefäßen nicht bloße Zierelemente, sondern mindestens identitätsvermittelnde Sinnzeichen sind. In der Ausstellung „Archäologie der Kommunikation“ im LWL-Museum für Archäologie in Herne soll ab Herbst 2025 nach dem Materiellen der Kommunikation und nach verschiedenen Kommunikationsformen gefragt werden.

Ausgangspunkt ist die Bronzesitula (Gefäß) aus Gevelinghausen, ein Höhepunkt der westfälischen Archäologie. Die komplexe Darstellung auf dem Bronzegefäß geht über ein bloßes Muster hinaus und in das Feld einer Botschaft über. Vor allem im Glauben und in der Religion wurde lange über Bilder kommuniziert, Bilder, die sich dem Menschen eher einprägen als das Wort.
Darüber hinaus soll die Ausstellung aber vor allem für Menschen mit besonderen Kommunikationsfähigkeiten konzipiert werden. Als Hauptzielgruppe sollen Menschen angesprochen werden, die aufgrund von Sehschwächen oder Blindheit, Hörschäden oder Taubstummheit eine eigene Kommunikationsform haben, die zudem stark auf Materialität ausgerichtet ist (z. B. Brailleschrift, Hörgeräte etc.). D. h. die Ausstellung soll in Kooperation mit Menschen mit besonderen Kommunikationsformen und mit Inklusionsämtern als eine dezidiert inklusive Ausstellung entwickelt, produziert und präsentiert werden.

Minden
Die Ausstellung „Preußen auf See. Auf schwankenden Planken“ im LWL-Preußenmuseum in Minden ruft ab August 2023 die oft vergessene, aber durchaus lange maritime Geschichte Preußens seit dem 17. Jahrhundert mit ihren vielfältigen internationalen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Aspekten in Erinnerung. Eine Geschichte, die alle Elemente eines spannungsreichen Abenteuerromans enthält: Piraten, ferne Länder, Gewinnsucht, Unternehmergeist, Intrigen, gescheiterte Schicksale und Hoffnungen, Freiheitsstreben und Unterdrückung, Technikbegeisterung, Entdeckerdrang und Wagemut.
So ist die Geschichte der „Preußen auf See“, zunächst eine europäische Geschichte, die jedoch schnell zu einer Geschichte globaler Verflechtungen wird und die Preußen in Konkurrenz zu europäischen und internationalen Mächten, wie Schweden, die Niederlande und die vorherrschende Seemacht Großbritannien brachte.

Der „Drang aufs Meer“ trug aber von jeher eine Ambivalenz in sich: Tatkräftigem Aufbruch, Unternehmungslust und Machtanspruch standen Freiheitssehnsucht, Fluchtperspektive aus Bedrückung, Enge und Repression gegenüber. Zumal maritime Geschichte auch Geschichten von neuen sozialen Aufstiegschancen in der Ständegesellschaft des 19.Jh. erzählt, die den technischen und gesellschaftlichen Fortschrittsdrang widerspiegeln.

Zugleich öffnete das Meer den Blick in die Fremde und erweiterte das Bild vom Fremden: Die preußische maritime Geschichte eignet sich daher in besonderer Weise auch die deutsche Kolonialgeschichte und ihre Nachwirkungen bis in die Gegenwart zu reflektieren.

Wer heute auf Anhieb mit Namen aus der preußischen Geschichte noch Bilder, Hintergründe und Klischees assoziiert, wird bei der Kombination weiblich-preußisch zwangsläufig an Königin Luise (1776-1810) denken. Sie ist aus dem Blickwinkel der späteren Generationen nicht nur die bekannteste historische Preußin, sie ist offenbar „die Preußin schlechthin“, die einzige weibliche Person innerhalb der schwarz-weißen Staatsgrenzen, die es jemals geschafft hat, aus der männerdominierten preußischen Gesellschaft und Geschichtsschreibung, „pars pro toto“ für ihre Geschlechtsgenossinnen, ins Rampenlicht der öffentlichen Wahrnehmung herauszutreten.
Welche Beweggründe ließen gerade Luise zu Preußens „first lady“ avancieren? Die Ausstellung im LWL-Preußenmuseum in Minden stellt ab Sepember 2025 die Frage, ob das Image einer borussischen „Lady Di“ gerechtfertigt ist, was den Kern ihrer Stilisierung, ja sogar Ikonisierung, bereits zu Lebzeiten ausmachte. Wie gestaltete sich ihr Lebensbild in einer Zeit tiefgreifender politischer Krisen, Konflikte, Umbrüche, zwischen der französischen Revolution, dem unabwendbaren Ende des ancien regime, dem Beginn eines bürgerlichen und industriellen Zeitalters? Wie nahm sie selbst, wie nahm ihr Umfeld den kontrastreichen Rollenwechsel wahr, der sich zwischen königlicher Gemahlin, mehrfacher Mutter, selbstbewusster Frau, propagierter Nationalikone und den anderen jeweils zugewiesenen Erwartungen zeitbedingter Konvention vollzog?
Der Brückenschlag in die Gegenwart findet zahlreiche Anknüpfungspunkte: Frauen im Rampenlicht der Öffentlichkeit bzw. in politisch- gesellschaftlicher Führungspositionen.

 

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