Von Talkmastern, Köchinnen und Schachspielern

Spenge Es ist eine merkwürdige Stille, wenn man in diesen Tagen das Jugendzentrum Charlottenburg in Spenge betritt. Niemand quatscht an der Theke, die Tischtennisplatten bleiben ebenso wie der Billiard-Tisch und die Playstation unbenutzt. Die Tische und Stühle des Cafés sind wie leergefegt. „Normalerweise tummeln sich hier bis zu 80 Besucher über den ganzen Tag verteilt. Bei Schulveranstaltungen oder besonderen Events  können es auch schon mal weit über 100 sein“, erzählt Mitarbeiterin Elfy Bahl. Corona macht auch vor den Jugendzentren des Kreises Herford nicht halt. Denn mit der Schließungen der Schulen war klar, dass auch die Jugendzentren ihre Pforten schließen müssen. Doch für die hauptamtlichen Mitarbeiter*innen, zwei, Praktikantinnen und einem Budfi (Bundesfreiwilligen-Dienst) der Charlottenburg begann eine besonders herausfordernde Zeit.

Alex Karbouj unterhält die Kids jeden Samstag Abend im »Saturday Night Talk«.Foto: Stadt Spenge

Alex Karbouj unterhält die Kids jeden Samstag Abend im »Saturday Night Talk«.Foto: Stadt Spenge

Wir wollten unserem Auftrag gerecht werden und unsere Jugendarbeit unbedingt fortsetzen“, so Timo Eilers.  Gesagt, getan: Schnell war die Idee der Internetplattform Kreislogger.com geboren. Eine Plattform aller sechs Jugendzentren des Kreises Herford, die gemeinsam von allen Mitarbeitenden der Offenen Jugendarbeit entwickelt und umgesetzt wurde. Die Jugendlichen können sich hier zu ihrem Jugendzentrum navigieren und finden dort individuelle Angebote. Ob zusammen kochen, basteln, lernen oder einfach mal quatschen. All das ist weiterhin möglich – nur eben online. 

So quatscht Alex Karbouj jeden Samstag zwischen 22:00 und 01:00 Uhr im „Saturday Night Talk“ mit einigen Jugendlichen über Gott und die Welt. Und das über Videochat, Headset, Instagram und WhatsApp – zumeist gleichzeitig.„Ich rede mit den Kids über vieles, vom Liebeskummer bis zum Tee trinken. Letzten Samstag hat mir Ali, ein junger Flüchtling, der zu uns nach Spenge gekommen ist, im Videochat seine Trickshots mit dem Fußball gezeigt“, schmunzelt Alex.  Demnächst möchte er regelmäßig lokale Berühmtheiten in den Saturday Night Talk einladen. Darüber hinaus plant das Jugendzentrum einen Podcast namens „Hömma“, in dem sich die Mitarbeiter Basti und Lionne über verschiedene jugendrelevante Themen unterhalten.

Im „Kochstudio“ zeigen Elfy Bahl und Anne Riedmaier den Kindern und Jugendlichen jeden Dienstag per Video, wie sie bestimmte Rezepte aus aller Welt nachkochen können. Gekocht werden nur gesunde  Sachen und grundsätzlich kein Fleisch. „Wir wollen die Massentierhaltung nicht unterstützen. Nachhaltigkeit ist uns wichtig“, erklärt Elfy Bahl. 

Das Thema Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit spielt auch in Jenny Deppings Videoreihe „Zero Waste – DIY – Tolle Dinge zum Nachmachen“ eine Rolle. Sie zeigt den Jugendlichen, wie man Dinge aus dem Alltag kreativ und nachhaltig selbst herstellen kann. Der Fokus liegt dabei zunächst auf Kosmetik. Im Premieren-Video zeigt Jenny, wie man Einhorn-Badesalz selbst herstellen kann. Wie viele andere Formate läuft auch Jennys Videoreihe über Instagram, um die Jugendlichen multimedial zu erreichen.

Um die Jugendlichen auch spielerisch herauszufordern, spielt Timo Eilers jeden Freitag zwischen 16:00 und 20:00 Uhr mit den Kids Schach und das Strategiespiel „Risiko“ –  natürlich online. Für Schach-anfänger gibt es auf der Website sogar ein Erklärvideo.

In der Rubrik „Tagestipp“ stellt Timo jeden Tag verschiedene Videos, Bilder oder Tipps zur Freizeitgestaltung auf die Website. Diese können witzig, aber auch lehrreich sein. „Ich möchte den Jugendlichen verschiedenen Input geben“. Immer passend zur Zielgruppe: „Gut angekommen ist ein Video von dem Rapper Capital Bra, der erklärt hat, wie er mit der Corona-Krise zurechtkommt“.

Beim Ausleihservice können sich  die Jugendlichen melden, wenn Sie etwas bestimmtes benötigen. Von Fußbällen bis hin zu Brettspielen sind die Wünsche breit gefächert. Jeden Dienstag fährt der Ausleihservice zu den Jugendlichen nach Hause. „Letztens habe ich einem Jungen Musiktechnik samt Mikrofon und Recorder vorbeigebracht, da er zu Hause einen Rap produzieren wollte“, erzählt Alex.

Durch die Schließung  der Charlottenburg gibt es für die Jugendlichen auch nicht mehr die Möglichkeit der persönlichen Berufsberatung vor Ort. Hierzu gibt es jetzt die Möglichkeit, montags bis freitags zwischen 13:00 und 15:00 Uhr entweder per Chat oder per Telefon mit Vicki von der Agentur für Arbeit in Herford zu sprechen.  Seit dem Start am 30. März hat die Seite Kreislogger.com bereits über 7.000 Aufrufe. „Das ist eine super Zahl“, freut sich Elfy Bahl. „Wir zeigen unseren Jugendlichen, dass wir zwar nicht geöffnet haben, aber trotzdem für Sie da sind“. Das funktioniert auch durch „Charlotte Connect“, einem WhatsApp-Dienst, in dem die Jugendlichen montags bis freitags zwischen 12:00 und 19:00 Uhr mit den Mitarbeitenden chatten können.

Dennoch ist klar: „Unser Online-Angebot kann niemals den persönlichen Kontakt ersetzen“, weiß Timo Eilers. „Die Charlottenburg ist für viele Jugendliche ein Bezugspunkt. Sie kommen hier vorbei, um mit uns zu quatschen und  sich auszutauschen. Dieser unmittelbare persönliche Kontakt findet derzeit nicht statt“. Bis dahin heißt es: Durchhalten. Die Jugendarbeit im Kreis Herford lebt also auch in Zeiten von Corona weiter. Dennoch freuen sich schon alle darauf, wenn die Charlottenburg wieder für alle jungen Menschen aus Spenge geöffnet ist.

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