„Talent Monument“: Tag des offenen Denkmals auch in Paderborn

Tag des offenen Denkmals wird in Münster eröffnet

Auf dem mehrperiodigen Fundplatz in Gronau-Markenfort finden Führungen über die Ausgrabungsfläche statt. Foto: LWL-AfW/M. Esmyol

Auf dem mehrperiodigen Fundplatz in Gronau-Markenfort finden Führungen über die Ausgrabungsfläche statt. Foto: LWL-AfW/M. Esmyol

Münster/Paderborn (lwl). Auch in diesem Jahr findet eine der größten Kulturveranstaltungen Deutschlands, der Tag des offenen Denkmals, bundesweit koordiniert von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, am kommenden Sonntag (10.9.) statt. In diesem Jahr lautet das Motto „Talent Monument“.

Die Eröffnung findet erstmals in Münster statt, wo sich auch die Zentrale des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) befindet. Münster wurde als Eröffnungsstadt gewählt, weil in diesem Jahr die Deutsche Stiftung Denkmalschutz und die Stadt Münster zwei Jubiläen verbinden: 30 Jahre Tag des offenen Denkmals und 375 Jahre Westfälischer Frieden.

Seit jeher beteiligt sich die LWL-Archäologie für Westfalen mit ihrem Programm: von Führungen über aktuelle Ausgrabungen bis hin zu Aktionen in den Archäologiemuseen. Alle Angebote sind kostenlos.

Programm auch in OWL

In OWL veranstaltet das LWL-Museum in der Kaiserpfalz in Paderborn von 10 bis 18 Uhr den Aktionstag „Gut in Schuss!“. Außerdem kann man um 15 Uhr an der öffentlichen Führung „Verflixt und zugenäht“  für Familien mit Kindern ab 8 Jahren teilnehmen, von 15 bis 18 Uhr Vorführungen am Webstuhl anschauen oder von 15 bis 17 Uhr Stäbchenweben (für Kinder ab 8 Jahren).

In ganz Westfalen-Lippe gibt es außerdem einige Grabungen und besondere Aktionen in den LWL-Archäologiemuseen.

Die vollständige Übersicht finden Sie hier:

Eröffnungsveranstaltung und „Markt der Möglichkeiten“

Am Tag des offenen Denkmals® (10.09.2023) macht die "dunkle Seite der Macht" Station im LWL-Römermuseum in Haltern am See. Foto: LWL/J.Mühlenbrock

Am Tag des offenen Denkmals® (10.09.2023) macht die „dunkle Seite der Macht“ Station im LWL-Römermuseum in Haltern am See. Foto: LWL/J.Mühlenbrock

Münster, Prinzipalmarkt

10.30 -17 Feierliche Eröffnung des Tags des offenen Denkmals®, Bühnenprogramm, Informationsstände auf dem „Markt der Möglichkeiten“, unter anderem von der LWL-Archäologie für Westfalen, der Altertumskommission für Westfalen und der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen

Bodendenkmalpflege

Gronau-Markenfort, Führungen über die Ausgrabung eines mehrperiodigen Fundplatzes

Alle zwei Stunden von 11-17 Uhr: Führungen über die Ausgrabungen auf dem mehrperiodigen Fundplatz in Gronau-Markenfort (Dr. Bernhard Stapel, wissenschaftlicher Referent der Außenstelle Münster der LWL-Archäologie für Westfalen)

Haltern am See, Führungen über eine Ausgrabung im Halterner Hauptlager
10 Uhr und 11 Uhr: Führungen auf der aktuellen Grabung im Halterner-Hauptlager, Germanicusstr. 8d. Zu sehen sind die Bodenverfärbungen von den Fundamentgräben der sog. fabrica (Werkstattgebäude) und von kleinen Kultbauten (Dr. Bettina Tremmel, wissenschaftliche Referentin der LWL-Archäologie, Fachreferat Provinzialrömische Archäologie)

Hemer, Archäologische Spaziergänge im Felsenmeer

Im Zuge zweier Spaziergängen im Felsenmeer und einer Virtual Reality Anwendung können Besucher:innen jetzt auch selbst einen Blick in eine ausgeräumte Abbaukammer der "Bärenhöhle" werfen. Foto: LWL/T. Poggel

Im Zuge zweier Spaziergängen im Felsenmeer und einer Virtual Reality Anwendung können Besucher:innen jetzt auch selbst einen Blick in eine ausgeräumte Abbaukammer der „Bärenhöhle“ werfen. Foto: LWL/T. Poggel

12 und 14.30 Uhr: Archäologische Spaziergänge im Felsenmeer (Dr. Manuel Zeiler, wissenschaftlicher Referat der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie für Westfalen, zusammen mit der Speläogruppe Sauerland e.V.), ab dem Felsenmeer-Museum in Hemer

Höingen (Kreis Soest), Führungen über die Ausgrabungen der Burg Oldenburg
14 Uhr und 16 Uhr: Führungen über die Ausgrabungen auf der mittelalterlichen Wallanlage Oldenburg im Kreis Soest (Dr. Michael Malliaris, Fachbereichsleiter der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen)

Arnsberg, Informationen und Schaugrabungen auf dem Arnsberger Schlossberg
Ganztägig von 11 Uhr bis 16 Uhr: Archäolog:innen berichten über die Ausgrabungen auf dem Arnsberger Schlossberg und geben ganztägig Einblicke in die archäologische Arbeit (Wolfram Essling-Wintzer M.A., Wissenschaftlicher Referent der Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen, in Kooperation mit der Stadt Arnsberg)

Museen der LWL-Archäologie

Haltern am See, LWL-Römermuseum
10-18 Uhr: Die Imperien kehren zurück 
 mit Lichtschwertern und Legionärsdolchen

Filmreifer Familiensonntag/ Aktionstag mit Rallye, Fotobox und Aufmarsch der beiden Imperien

Herne, LWL-Museum für Archäologie und Kultur
11 Uhr: „Kohle und Stahl anno dazumal – Modern Times im Ruhrgebiet“

Live Online-Führung in Kooperation mit dem LWL-Museum Henrichshütte

Link: https://us02web.zoom.us/j/86469689760?pwd=cm0yRFFtZjk2SWR4M2hFVzRkbzcyUT09

14 Uhr: „gesucht. gefunden. Ausgegraben.“ Öffentliche Führung durch die Dauerausstellung

15 Uhr: Vortrag über Grabungen 2022 im Bereich eines Kriegsgefangenenlagers des Ersten Weltkriegs bei Neuenkirchen im nördlichen Münsterland (Dr. Andreas Wunschel, wissenschaftlicher Referent des Fachreferats Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der LWL-Archäologie für Westfalen) im Vortragssaal des LWL-Museum für Archäologie und Kultur

16 Uhr: „Modern Times“ Öffentliche Führung durch die Sonderausstellung

Paderborn, LWL-Museum in der Kaiserpfalz

10-18: Aktionstag „Gut in Schuss!“

15 Uhr: „Verflixt und zugenäht“ Öffentliche Führung für Familien mit Kindern ab 8 Jahren

15-18 Uhr: Vorführungen am Webstuhl

15-17: Stäbchenweben für Kinder ab 8 Jahren

Ausgrabungen der LWL-Archäologie am Saatental bringen neue Ergebnisse

Paderborn. Bereits seit 1998 bringen archäologischen Arbeiten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) am westlichen Stadtrand von Paderborn Erkenntnisse über die Besiedlungsgeschichte im Saatental. Nun werden letzte Areale im Vorfeld eines Bauvorhabens untersucht – mit neuen Ergebnissen: Ein jungsteinzeitlicher Kreisgraben, der vermutlich ein Grab umschließt, sowie Befunde und Funde aus der Zeit der römischen Okkupation um Christi Geburt.

Die gerade freigelegte südliche Teilfläche, in der sich die archäologischen Befunde als dunkle Verfärbungen abzeichnen. Foto: Archäologie am Hellweg

Die gerade freigelegte südliche Teilfläche, in der sich die archäologischen Befunde als dunkle Verfärbungen abzeichnen. Foto: Archäologie am Hellweg

Das Saatental liegt in unmittelbarer Nähe einer Kreuzung dreier alter Fernhandelswege: dem großen Hellweg (heute etwa B 1), dem aus Paderborn-Wewer kommenden Haarweg (in Wewer: Alter Hellweg; in Paderborn: Barkhauser Straße) sowie dem Frankfurter Weg, der durch das südliche Bergland bis in das Rhein-Main-Gebiet zog.

LWL-Stadtarchäologin Dr. Sveva Gai: „Diese Routen wurden schon seit etwa 3.700 vor Christus genutzt, als hier Menschen lebten, die wir Archäolog:innen der Michelsberger Kultur zuordnen. Das am Knotenpunkt gelegene Saatental bildet den reichhaltigsten Siedlungsplatz dieser Zeit in Nordwestdeutschland.“.

Laborproben, Kreisgräben und ein Backofen
Nachdem 1998 bis 2003 die Stadt Paderborn in Kooperation mit dem Kreis und dem LWL Saatental großflächig erforscht hat, wird hier von einer archäologischen Fachfirma seit 2020 erneut ausgegraben.

Dr. Bernhard Sicherl ist Grabungsleiter und kennt das inzwischen rund 7,6 Hektar große Untersuchungsareal gut: „Auf einem Teil der Fläche, der in früheren Kampagnen noch nicht untersucht wurde, soll nun ein Firmengebäude entstehen. Die vor dem Bau nötigen Ausgrabungen gaben uns die Gelegenheit, Lücken im Gesamtbild zu schließen.“

Neben Keramikscherben und Steingeräten aus der Jungsteinzeit kam auch umfangreiches Holzkohlematerial aus dem Boden, welches nun im Labor untersucht werden soll. Hieraus können die Fachleute wichtige Informationen zu Klima, Umwelt, Landwirtschaft und Viehzucht in dieser fernen Epoche gewinnen.

„Ein Kreisgraben war allerdings eine große Überraschung,“ sagt Sicherl. Der ringförmige flache Graben hat einen Durchmesser von etwa 7,6 Metern. „Wir gehen davon aus, dass er einen Grabhügel umschloss und wie vereinzelte früher gefundene Gräber im Saatental an das Ende der Jungsteinzeit zu datieren ist.“ In Westfalen seien solche Befunde bislang relativ selten, erklärt Sicherl: „Der Graben selbst kann zur rechtlich-rituellen Abgrenzung der Bestattung gedient haben. Möglich ist auch, dass in ihn Pfosten oder Steine gesetzt waren, die die Hügelschüttung stützten. Es kommt jetzt auf die genaue Auswertung aller Indizien an.“ Den Kreisgraben sollen nun die Archäolog:innen bei besserem Wetter weiter bearbeiten, damit der Befund keinen Schaden durch Regen oder Trockenheit nehmen kann.

Ein paar Tausend Jahre jünger sind die Funde der Zeit um Christi Geburt, als Westfalen durch die römischen Eroberungskriege und den Aufstand des Arminius in den Blick der lateinischen Historiker geriet. Die Archäolog:innen entdeckten Spuren zweier neuer Hofstellen und dreier großer Wohnstallhäuser samt Nebengebäuden. Auch einen Backofen konnten die Fachleute noch nachweisen, ebenso wie Funde, die darauf schließen lassen, dass vor Ort eine Schmiede betrieben wurde.

Für Grabungsleiter Sicherl sind dies entscheidende Puzzleteile, die das Gesamtbild der bisherigen Grabungen ergänzen: „Insgesamt können wir in der Hochzeit der Besiedlung im 1. Jahrhundert nach Christus von bis zu elf Hofarealen von etwa 70 mal 100 Metern Größe ausgehen, die den Streifen zwischen dem Alten Hellweg und der Terrassenkante der Alme einnahmen. Die Weideflächen der Mischbetriebe mit starkem viehwirtschaftlichem Schwerpunkt dürften in der Almeaue, die Ackerflächen östlich der Barkhauser Straße gelegen haben“, so der Archäologe.

Über die Art der gefundenen Keramik ergeben sich laut der Expert:innen Hinweise darauf, dass die Römer hier Germanen aus dem Herrschaftsgebiet des Marbod (König der Markomannen, gest. 41 n. Chr.), dem späteren Gegner des Arminius, ansiedelten. Diese leisteten Dienst zur Kontrolle der strategisch wichtigen Fernwegekreuzung. Die meisten Hofstellen werden am Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus aufgegeben, das Areal wird danach hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt. Zu Beginn des Mittelalters entsteht ein wenig nördlich das Dorf Balhorn, das im Laufe der Zeit mit der wachsenden Domstadt Paderborn verschmolz.

Die Ergebnisse zur vor- und frühgeschichtlichen Besiedlungsgeschichte des Saatentals mündeten bereits in ein wissenschaftliches Auswertungsprojekt, dessen Ergebnisse in einem Sammelband veröffentlicht wurden.

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LWL-Archäologie geht wegen Corona neue Wege

Aktuelle Projekte und Ausgrabungen jetzt auf YouTube

Münster. Da die jährliche Tagung zur Archäologie in Westfalen-Lippe 2020 leider ausfallen musste, präsentiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) seinen archäologischen Jahresrückblick jetzt online: Vom Römerdolch aus Haltern über bewegende Funde aus dem NS-Strafgefangenenlager 326 im Kreis Gütersloh bis hin zur Entstehung einer 3-D-Online-Ausstellung – das Jahr 2019 war reich an archäologischen Funden und Projekten. Alle Vorträge sind ab sofort auf dem YouTube-Kanal der LWL-Archäologie abrufbar.

Corona als Chance für die Digitalisierung
Die Jahrestagung der LWL-Archäologie ist in Fachkreisen und bei Archäologieinteressierten ein Höhepunkt des Jahres. „Die mehr als 400 Plätze waren jedes Jahr frühzeitig ausgebucht“, so LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind. „2019 war aus archäologischer Sicht für uns in Westfalen-Lippe ein sehr produktives und spannendes Jahr.“ Ganz verzichten auf einen Jahresrückblick wolle man daher nicht: Zwölf Beiträge von LWL-Archäologinnen und Archäologen sowie aus der Paläontologie stehen bei YouTube bereit.

„Für die Kultur brachte die Corona-Pandemie nicht nur Negatives. Für die Digitalisierung war sie durchaus auch eine Chance“, erklärt LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Neueste Erkenntnisse und Ergebnisse der archäologischen Arbeit im Netz zu zeigen, biete zudem den Vorteil, dass jeder, wann immer es für ihr passe, darauf zugreifen könne, so Rüschoff-Parzinger weiter.

Breites Themenspektrum sorgt für Abwechslung
Aufnahmen aus dem Flugzeug zeigen, wie Luftbildarchäologie funktioniert und welche Vorteile sie in Kombination mit der klassischen Feldarchäologie für die Erschließung der Kulturlandschaft bereithält – so zum Beispiel in Rahden (Kreis Minden-Lübbecke), wo so eine vermeintlich mittelalterliche Turmhügelburg als Grabenanlage mit Speicher aus der Frühen Neuzeit identifiziert werden konnte.

Einblicke in alte Bergbaustollen im Siegerland (Kreis Siegen-Wittgenstein) verdeutlichen die Bedeutung der Montanarchäologie in Westfalen-Lippe und zeigen die Schwierigkeiten auf, mit denen Archäologinnen hier konfrontiert werden.

Ein Beitrag zu kreuzförmigen Fibeln aus Warburg, Dortmund-Asseln und Paderborn berichtet von der frühen christlichen Kultur, noch vor der Christianisierung durch Karl den Großen.
Ein reich verzierter Dolch samt Waffengürtel aus dem Römerlager in Haltern am See illustriert das Lagerleben fern der Heimat und die hohe Kunstfertigkeit der Römer. Das Stück weckte auch aufgrund seiner guten Erhaltung internationale Aufmerksamkeit und wurde in den Werkstätten der LWL-Archäologie aufwendig restauriert.
Auch die Archäologie der Moderne hat ihren Platz in der Rückschaubietet: Funde aus dem Strafgefangenenlager 326 in Schloß Holte-Stukenbrock erzählen die Geschichte der dort Gefangenen und ihres Leidens während des Zweiten Weltkrieges.

Hier der Link zum YouTube-Kanal der LWL-Archäologie:
https://www.youtube.com/channel/UClRPT38-0h8uh1P9JmkL7G

 

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100 Jahre amtliche Bodendenkmalpflege in NRW

LWL-Archäologie feiert Jubiläum mit Buch und Online-Ausstellung

Herne (lwl). Mit einem Festakt im LWL-Museum für Archäologie in Herne begeht der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am Mittwoch (19.8.) das 100-jährige Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in NRW. Unter dem Titel „100 Jahre / 100 Funde“ präsentiert die LWL-Archäologie für Westfalen die schönsten und bedeutendsten Funde aus der Region in einem Bildband. Die Höhepunkte westfälischer Archäologie werden außerdem in einer Online-Ausstellung im Internet gezeigt.

„Es ist erstaunlich, was uns die vermeintlich toten Gegenstände verraten können, wenn man sie zum Erzählen bringt“, freut sich LWL-Direktor Matthias Löb über das Projekt „100 Jahre / 100 Funde“. Dem Jubiläum zugrunde liegen die Ausführungsbestimmungen des Preußischen Ausgrabungsgesetzes von 1920.
Sie bilden einen Meilenstein in der Geschichte der Bodendenkmalpflege und legen den Grundstein für das heutige Denkmalschutzgesetz und die gesamte Bodendenkmalpflege in NRW.

Löb: „In Zeiten von knappen Kassen wird der Sinn von Denkmalschutz leider ab und zu infrage gestellt. Dabei zeigt die Archäologie mit diesem Projekt einmal mehr, wie wichtig der Denkmalschutz auch als politischer Beitrag ist. Die präsentierten Funde beweisen eindrücklich, dass Kulturwandel nicht die Ausnahme, sondern der Normalzustand ist. Auch in Westfalen gab es ein Kommen und Gehen, auf lange Sicht ist meist nur der Wandel beständig.“

Aber nicht alles unterliege dem Wandel. „Es gibt natürlich Dinge, die auch in 100 Jahren gleichbleiben. Eines davon ist, dass wir auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind, da die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht überall vor Ort sein können“, so Löb. Das Engagement von privaten Vereinen und Kommissionen sei auch die Grundlage der amtlichen Bodendenkmalpflege vor 100 Jahren gewesen.
Prof. Dr. Michael M. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen, erläutert die Besonderheit der westfälischen Archäologie: „Anders als in anderen Regionen hatte kaum eine archäologische Kultur in Westfalen ihr Kerngebiet. Vielmehr zeichnet sich Westfalen fast durchgängig als Kontaktzone aus.“ Sesshafte Bauern lebten hier neben Jägern und Sammlern, römische Truppen trafen auf germanische Stämme, christliche Franken auf heidnische Sachsen und beeinflussten sich gegenseitig. „Dieses Bild einer Gesellschaft im Wandel möchten wir mit unserem Projekt ‚100 Jahre / 100 Funde‘ auf neuestem technischem Stand greifbar machen – mittels exzellenter Fotografien und digitaler 3-D-Objekte.“

Direktor der LWL-Archäologie Prof. Michael M. Rind präsentiert den Bildband im Rahmen einer kurzen Lesung. © LWL-AfW/T. Schmidt-Jülich

Direktor der LWL-Archäologie Prof. Michael M. Rind präsentiert den Bildband im Rahmen einer kurzen Lesung.
© LWL-AfW/T. Schmidt-Jülich

Dabei nimmt die LWL-Archäologie ihr Jubiläum zum Anlass für Rückblick und Blick in die Zukunft zugleich. „Das Jubiläum ist auch Anstoß zum Einstieg in die dreidimensionale digitale Erfassung unserer Funde, welche wir fortsetzen werden“, erklärt Rind. In einer Online-Ausstellung unter http://www.lwl-archaeologie.de sind etliche der 100 Funde als hoch aufgelöste 3-D-Objekte zu sehen – ausgewählt aus 20 westfälischen Museen und dem Fundarchiv des LWL. Sie werden über die Plattform „Sketchfab“ gezeigt, die das größte Portal für 3-D-Modelle im Internet darstellt. Rind: „Das 3-D-Objekt ermöglicht den Zugang zum Fund und zumindest digital seine dauerhafte Sicherung. Wie wichtig beides ist, führen uns nicht zuletzt Unglücksfälle in Museen und Archiven sowie die aktuelle Corona-Pandemie vor Augen.“

Leider können nicht alle 100 Funde als 3-D-Objekte gezeigt werden, da die derzeitigen Digitalisierungsmethoden nach wie vor an technische Grenzen stoßen. Alle Funde werden aber in einem Bildband in aufwendigen Fotos präsentiert.

Herausragende Funde
Das bekannteste Fundstück aus Westfalen ist die bronzezeitliche „Urne von Gevelinghausen“ (Arnsberg/Hochsauerlandkreis), eine äußerst qualitätsvoll gearbeitete Bronzesitula (Gefäß), zu der es europaweit nur ein halbes Dutzend Vergleichsstücke gibt.

Aufmerksamkeit erregte in jüngster Zeit eine spätpaläolithische Widerhakenspitze aus Bergkamen (Kreis Unna), bei der sich als Klebstoff verwendetes Bienenwachs als derzeit ältester Nachweis für die Nutzung von Honigbienen in Europa entpuppte.

Anfang dieses Jahres wurde ein äußerst gut erhaltener römischer Dolch vom Typ Vindonissa mit Scheide und Gürtel aus dem römischen Friedhof in Haltern am See (Kreis Recklinghausen) geborgen.

Nach der aufwendigen Restaurierung ist der Dolch als 3-D-Objekt im Rahmen der Online-Ausstellung erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich.

Erwähnenswert ist zudem eine spätmesolithische Geröllkeule aus Saerbeck (Kreis Steinfurt), die gemeinsam mit dem Bohrwerkzeug gefunden wurde. Bei diesem einzigartigen Ensemble lässt sich in einer kurzen Animation der 3-D-Objekte die Verwendung des Bohrers anschaulich demonstrieren.

Zuletzt darf der Elfenbeinkamm von der hochmittelalterlichen Holsterburg bei Warburg (Kreis Höxter) nicht fehlen. Da hier die Gefahr von Trocknungsrissen sehr hoch ist, stellt das Stück – ebenfalls ein Fund von europäischem Rang – an die Konservierung extrem hohe Ansprüche und kann kaum dauerhaft in einer Ausstellung gezeigt werden.

Eine Liste der 100 Höhepunkte der Archäologie in Westfalen finden Sie sortiert nach dem Fundort hier: https://100jahre100funde.lwl.org/de/fundorte/
Eine Sortierung nach Museen hier: https://100jahre100funde.lwl.org/de/museen/

Hintergrund zum Denkmalschutzgesetz
Am 26. März 1914 wird das „Preußische Ausgrabungsgesetz“ erlassen. Es ist für alle Provinzen des Königreichs die erste amtliche Regelung zur Bodendenkmalpflege. Als im Juli 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht, gerät es allerdings in Vergessenheit. Erst mit den zum Gesetz erschienen Ausführungsbestimmungen, also Verwaltungsvorschriften, vom 30. Juli 1920 werden Ausgrabungen tatsächlich genehmigungs- und Zufallsfunde anzeigenpflichtig. Private Vereine und Kommissionen sind von ihren bisherigen Aufgaben entbunden, eine Behörde mit Fachabteilungen wird Schritt für Schritt aufgebaut.

Publikation
LWL-Archäologie für Westfalen (Hrsg.), 100 Jahre / 100 Funde. Das Jubiläum der amtlichen Bodendenkmalpflege in Westfalen-Lippe, Darmstadt 2020.
280 Seiten, 202 Farbabbildungen
ISBN 978-3-8053-5270-3
Preis 39 Euro

Online-Ausstellung
http://www.lwl-archaeologie.de

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Jahrestagung der LWL-Archäologie

Münster. Schon sehr früh haben sich Menschen in Europa ausgetauscht und Erfindungen weitergereicht, so stammt der älteste Klebstoff in Europa vor 13.000 Jahren aus Westfalen. Darauf hat die Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger auf der Jahrestagung der LWL-Archäologie am Montag (5.3.) in Münster hingewiesen. „Die westfälische Kultur stand nicht für sich allein. Im Europäischen Kulturerbejahr ist es uns wichtig, diesen frühen Austausch der Region mit anderen Ländern zu betonen“, so Rüschoff-Parzinger.

Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie, hält eine Rückschau auf archäologische Entdeckungen des vergangenen Jahres. Foto: LWL/S. Brentführer

Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie, hält eine Rückschau auf archäologische Entdeckungen des vergangenen Jahres.
Foto: LWL/S. Brentführer

Mehr als 400 Besucher kamen zur Jahrestagung nach Münster. Von Westfalens „Jurassic Park“ über den ältesten Nachweis von Bienenwachs als Klebstoff bis hin zu einem Experiment zur keltischen Eisengewinnung im Siegerland – Westfalen-Lippe habe eine Vielzahl archäologischer Schätze, so die LWL-Kulturdezernentin weiter. „Unser Ziel ist es, gesellschaftliche Entwicklungen aufzugreifen und abzubilden. Daher haben wir das Themenjahr ‚Fakt oder Fake‘ ins Leben gerufen.“ Das LWL-Römermuseum in Haltern am See griff die aktuelle politische Diskussion schon 2017 mit einer Sonderausstellung auf. Das LWL-Museum für Archäologie in Herne wird mit der Sonderausstellung „Irrtümer & Fälschungen der Archäologie“ ab dem 23. März folgen.

„Die archäologischen Museen sind für die Vermittlung unserer Arbeit von großer Bedeutung“, erklärte Prof. Dr. Michael Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen. „Das Ergebnis dessen, was wir Tag für Tag leisten, der Schutz der Bodendenkmäler in Westfalen-Lippe, wird dort für jedermann sichtbar.“ Um den europäischen Zusammenhang zu zeigen, sei der LWL Botschafter von „Sharing Heritage“ im Kulturerbejahr und zeige seine wichtigsten Funde mit europäischer Bewandtnis ab dem 21. September bei der großen Sonderausstellung „Bewegte Zeiten“ über Archäologie in Deutschland in Berlin.

Für internationale Aufmerksamkeit sorgte 2017 der älteste Nachweis von Bienenwachs als Klebstoff in Europa. Rind erklärte zur Entdeckung eines Forscherteams unter Leitung der LWL-Archäologie: „Schon vor 13.000 Jahren gingen Menschen in Bergkamen mit Bienenwachs auf Fischfang, indem sie ihn zur Befestigung einer Speerspitze benutzt haben.“ Nach derzeitigem Kenntnisstand sei dies eine westfälische Errungenschaft, die sich daraufhin in ganz Europa durchgesetzt habe, so Rind.

Neue Erkenntnisse über das Leben vor über 2.000 Jahren brachte eine weitere Forschungskooperation unter LWL-Leitung. Zum ersten Mal gelang im LWL-Freilichtmuseum Hagen der funktionierende Nachbau des größten Brennofens seiner Epoche in Europa zur Verhüttung von Erz zu Eisen.

Anne Katrin Bohle, Abteilungsleiterin beim NRW-Bau- und Heimatministerium erklärte: „Solche für NRW wichtigen Forschungsexperimente und kulturellen Entdeckungen verdienen weiterhin Unterstützung. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die Förderung der Archäologie ihrer Bedeutung entsprechend die Unterstützung der Landesregierung erfährt und behält.“

Wie umfangreich die Grabungs- und Forschungsergebnisse in Westfalen-Lippe sind, zeigte die Themenauswahl der diesjährigen archäologischen Jahrestagung. Das Spektrum in den 13 Vorträgen reichte vom Fund eines 465 Millionen Jahre alten Krebsfossils bei Herscheid (Märkischer Kreis) bis hin zu Prospektionsgrabungen in einem NS-Kriegsgefangenenlager in Soest, von komplexen Methoden der Restaurierung in den Werkstätten der LWL-Archäologie bis hin zu moderner Luftbildarchäologie.

Ein großer Raubsaurier, bekannt als das „Monster von Minden“, stand auf dem Programm, die 3.000 Jahre zurückreichende Stadtgeschichte Bielefelds ebenso wie Möglichkeiten und Arbeitsprozesse im Umgang mit kostenfreien Geodaten oder neueste Erkenntnisse zu Geldumlauf und Gebrauch von Münzgeld im Westfalen des Mittelalters.

Angesichts der Menge an Funden, die LWL-Archäologen Tag für Tag aufspüren, tue ein neues Archiv Not. “ Wir wollen weitere räumliche und klimatische Bedingungen schaffen, welche die tausende Jahre alten Zeugnisse unseres kulturellen Erbes nachfolgenden Generationen noch lange zur Verfügung stellen sollen“, meinte Rind. Der Neubau auf einem Gelände der Speicherstadt in Münster habe begonnen und werde noch in diesem Jahr fertiggestellt. Auch die archäologische Fachbibliothek mit mehr als 50.000 Büchern und 210 Zeitschriftenbänden in Münster stelle sich neu auf. Erste Einblicke gab es bei einer Führung durch die rund 1.200 Regalmeter.

LWL-Archäologen beenden Ausgrabungen in Herford

AusgrabungHFBielefeld. Was als Routine begann wurde zur archäologischen Überraschung. Denn der Boden an der Clarenstraße in Herford offenbarte den Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) ein ganz neues Kapitel der Herforder Stadtgeschichte. Zum Abschluss der baubegleitenden Ausgrabungen halten die Archäologen jetzt neben wertvollen Funden und Befunden vor allem wichtige Erkenntnisse über die Siedlungsgeschichte rund um das bekannte Damenstift aus der Zeit der Karolinger ab dem 9. Jahrhundert in den Händen.

Die ersten Funde waren noch wenig spektakulär. „Alles deutete auf eine Hofanlage aus dem 11. bis 13. Jahrhundert hin“, erläutert Dr. Sven Spiong von der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen. Dann kamen aber Spuren der Vergangenheit zum Vorschein, die deutlich älter waren – ganze 1.200 Jahre. „Damit waren wir in einem Zeitraum angelangt, über den an dieser Stelle fast noch nichtssbekannt ist“, betont Spiong. Für den Archäologen eine kleine Sensation gleich zu Beginn seiner Amtszeit als neuer Leiter der Außenstelle. Die Ursprünge des Herforder Damenstifts, das um 800 gegründet wurde, sind bereits gut erforscht. Fast leer blieben bislang die Seiten in der Chronik, die den Zeitraum vom 9. bis 12. Jahrhundert über das Siedlungsumfeld des Stifts beschreiben sollten. „Deshalb ist dieser Fundort so wichtig für die Herforder Stadtgeschichte“, erläutert Spiong. Er ermöglicht die ersten Einblicke in die vorstädtische Siedlungsgeschichte der Stadt.

Die waren vor allem durch dunkle Flecken im Boden möglich. Was für den Laien auf den ersten Blick unspektakulär wirkt, war für die Grabungsleiterin Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe und Wolfram Essling-Wintzer von der LWL-Archäologie für Westfalen der erste archäologische Höhepunkt. Denn diese dunklen Bodenverfärbungen sind die letzten Reste von Holzpfosten, die im Mittelalter wiederum Bauwerke trugen. Gleich drei Reihen von Pfostenlöchern zeichneten sich im Abstand von fünf bis sechs Metern im Boden ab. Sie verliefen parallel zueinander und verdeutlichten den Grundriss des Richtung Nordwest-Südost ausgerichteten Haupthauses eines Hofes. Dieses Gebäude, auch das zeigten die Pfostenspuren, war mehrmals an gleicher Stelle leicht versetzt wieder aufgebaut worden. Um das Gebäude herum entdeckten die Archäologen Gruben, die für die Entsorgung des Abfalls oder für die Entnahme von Lehm für den Hausbau dienten. Kurz vor Abschluss der Grabungsarbeiten kam außerdem ein Grubenhaus zu Tage – ein im Mittelalter verbreiteter Gebäudetyp, in dem insbesondere handwerkliche Arbeiten verrichtet wurden. Die hier gefundenen Keramikscherben zeigen, dass dieser Bau schon im 9. Jahrhundert wieder aufgegeben wurde.

Eine Überraschung waren Funde, die im Bodenaushub ans Tageslicht kamen. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter, der die Archäologen unterstützte, entdeckte zwei Emaillescheibenfibeln, die aus der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts stammen. Bei diesen besonderen und ungewöhnlich gut erhaltenen Stücken handelt es sich um eine Rechteckfibel mit grünem und blauem Email sowie um eine Heiligenfibel. Nicht weniger überraschend war ein Graben, der im zweiten Abschnitt der Bauarbeiten auftauchte. Er erstreckte sich von Südwesten nach Nordosten über die ganze Grabungsfläche. Im Mittelalter dienten derartige Gräben als Umgrenzung für einzelne Hofstellen oder als Flurgräben. Darin fanden die Archäologen wenig Fundmaterial. Die mittelalterlichen Hofbewohner hielten den Graben also offenbar penibel sauber und verfüllten ihn in einem Zug. Die wenigen Keramikscherben stammen aus der Zeit um 800 – also genau jener Zeit, in der auch das Damenstift gegründet wurde.

Damit ist die Stadt Herford jetzt um ein Kapitel in ihrer Chronik über den zunehmenden karolingerzeitlichen Landesausbau im Umfeld des Damenstifts reicher. Die entdeckte Hofstelle wurde in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit der Stadtgründung auch in das ummauerte Stadtgebiet einbezogen. Im Rahmen des Bauprojektes wird im Laufe des Jahres eine weitere Fläche erforscht. Auch hier hoffen die Archäologen auf ergänzende Erkenntnisse, die das Bild von der kaum erforschten Siedlungsentwicklung in Herford bereichern.

Foto: Vom südost-nordwest-ausgerichteten Grubenhaus zeichnen sich die Gruben der dachtragenden Pfosten und die Gräbchen der Holzwände deutlich ab. (c) LWL/Hahne