In der Paderborner Fußgängerzone lohnt es sich, nach oben zu schauen

Paderborn.  In innerstädtischen Fußgängerzonen gelten die Erdgeschosse der Gebäude als besonders wichtig; Ladenlokale und Gastronomiebetriebe erfahren auf der Fußgängerebene die höchste Aufmerksamkeit. Den Reiz einer Stadt macht jedoch das Gesamtbild der Bausubstanz aus. Und hier hat Paderborn einiges zu bieten. Neben den bekannten Baudenkmälern, wie dem Historischen Rathaus am Rathausplatz und dem Franziskanerkloster in der Westernstraße, sind es oft unscheinbare Gebäude aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, die vermehrt in den Fokus rücken.

Vor dem sanierten Bauwerk am Rathausplatz 2 (v. l.): Citymanager Heiko Appelbaum, Matthias Goeken, Eigentümer des Gebäudes und Stadtdenkmalpfleger Thomas Günther.Foto:© Stadt Paderborn

Vor dem sanierten Bauwerk am Rathausplatz 2 (v. l.): Citymanager Heiko Appelbaum, Matthias Goeken, Eigentümer des Gebäudes und Stadtdenkmalpfleger Thomas Günther.Foto:© Stadt Paderborn

„Rund 85 Prozent der Gebäude in der Paderborner Innenstadt waren 1945 zerstört“, weiß der Stadtdenkmalpfleger Thomas Günther. „Die Zeit des Wiederaufbaus war geprägt von der schnellen Schaffung von Wohnraum einerseits und einer nachhaltigen Stadtplanung andererseits. Das derzeit heterogene Bild ist das Ergebnis einer Entwicklung, die seitdem bis heute von ständigen Kompromissen geprägt ist.“

Die Folgen sind heute vielerorts zu spüren. „Wenn wir in einem bestehenden Gebäude Einzelhandel oder Gastronomie neu etablieren möchten, müssen denkmalpflegerische Aspekte aber auch Themen wie Brandschutz und Rettungswege berücksichtigt werden“, sagt Citymanager Heiko Appelbaum. Er vermittelt zwischen den unterschiedlichen Interessen und baut mitunter sprichwörtlich Brücken.

„Das gemeinsame Ziel ist es stets, eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden“, sagt der Citymanager. Dabei steht er auch im engen Kontakt mit Thomas Günther. „Viele Regelungen erschließen sich einem nicht auf den ersten Blick und das gilt insbesondere für das Erscheinungsbild von Gebäuden, die in direkter Nähe zu Baudenkmälern stehen.“

Hier helfe Wissen über die Entstehung eines Gebäudes und die damaligen Absichten. „Die typische Nachkriegsarchitektur wird von vielen Menschen kaum beachtet oder aber wenig Wert geschätzt“, sagt Thomas Günther. „Bauwerke in diesem Stil sind aber für die im 2. Weltkrieg bombardierten und zerstörten Städte – und das gilt bis auf wenige Ausnahmen für viele große Städte – prägend. Daher müssen wir auch bei der Stadtentwicklung ein waches Auge auf diese Architektur haben.“

Heiko Appelbaum wirbt in diesem Zusammenhang für die Bewusstseinsschärfung: „Wenn wir den Menschen erklären, welche besonderen Elemente einen Architekturstil ausmachen und an welchen Stellen in der Fußgängerzone der Altstadt diese zu finden sind, dann steigt die Akzeptanz für das Vorhandene.“ Beispiele dafür sind am Rathausplatz zu finden. Hier befinden sich Gebäude aus unterschiedlichen Epochen wie beispielsweise das historische Rathaus (in der heutigen Form aus der ersten Hälfte 17. Jahrhunderts), die Jesuitenkirche (zweite Hälfte des 17. Jahrhundert), das ehemalige Jesuitenkolleg (heute Theodorianum, um 1600), das ehemals jüdische Kaufhaus vom Anfang des 20. Jahrhunderts sowie die Wiederaufbaugebäude der 50er- und frühen 60er-Jahre im Westen und Norden des Rathausplatzes, welche mitunter bereits von ihren Eigentümern behutsam und mit der Unteren Denkmalbehörde abgestimmt saniert wurden. Dazu gehört das Bauwerk des Eigentümers Matthias Goeken am Rathausplatz 2. Hier wurde jüngst der Glockengiebel nach historischem Vorbild wiederhergestellt; das Gebäude fügt sich sehr gut in das Gesamtbild mit dem Rathaus und der Marktkirche ein. „Mir war wichtig, dass dieser markante Punkt im Stadtbild in guter Abstimmung mit allen Beteiligten durch behutsame Veränderung ein neues Gesicht erhält, das ein wenig an das ursprüngliche Erscheinungsbild des Bauwerks erinnert“, sagt Matthias Goeken.

Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Paderborn berät Denkmaleigentümer und interessierte Bürger bei allen Fragen zu Denkmalschutz, Denkmalpflege und Denkmalrecht. Grundlage ist das Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler im Land Nordrhein-Westfalen. Sie berät zu Fragen des Denkmalschutzes, erteilt denkmalschutzrechtliche Erlaubnisse, gibt Fachstellungnahmen im Baugenehmigungsverfahren ab und erteilt für Baudenkmäler und besonders erhaltenswürdige Bausubstanz Ausnahmen von den Anforderungen der Energieeinsparungsverordnung (EnEV).

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