Westfälisches Kinderdorf nimmt Herausforderung an

Verein trägt ein Dutzend Einrichtungen in der Region.

Paderborn. Im Spannungsfeld zwischen steigenden Anforderungen und konventioneller Finanzierung wachsen die Ansprüche an die freie Jugendhilfe immer weiter. Der Paderborner Verein Westfälisches Kinderdorf entwickelt seit nunmehr sechs Jahrzehnten zeitgemäße Angebote für die Betreuung von Kindern und Jugendliche. Und zwar auch mithilfe seiner 1.100 Mitglieder und rund zehnmal so vielen Unterstützern in der Region.

Führen als Doppelspitze den Verein Westfälisches Kinderdorf in die Zukunft: die Kaufmännische Geschäftsführerin Paula Heising (rechts) und die Pädagogische Geschäftsführerin Carmen Ramos.

Führen als Doppelspitze den Verein Westfälisches Kinderdorf in die Zukunft: die Kaufmännische Geschäftsführerin Paula Heising (rechts) und die Pädagogische Geschäftsführerin Carmen Ramos.

„Die Kinder und Jugendlichen, die von den Jugendämtern aus den Familien zu uns gegeben werden, werden immer r“, sagt Carmen Ramos (58), Pädagogische Geschäftsführerin des Vereins Westfälisches Kinderdorfs. Je älter, desto größer ist auch das individuelle Päckchen an Problemen. Und die betreuenden Pädagoginnen und Pädagogen müssen immer mehr wissen und auch mental mehr leisten.

Der Verein Westfälisches Kinderdorf, vor genau 60 Jahren in Paderborn von 4 Paderborner Bürgern gegründet, betreibt heute zwei große Kinderdörfer in der Region: in Barntrup (Lippe) und in Dissen (Landkreis Osnabrück), KiTas, Familienzentren und mehr.  280 Kinder und Jugendliche werden aktuell von 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut.

Mitarbeitende werden gestärkt

„Wir stellen uns den Herausforderungen“, berichtet Paula Heising (54), Kaufmännische Geschäftsführerin des Vereins. Neben einer „Wohngruppe plus“ in der Kinder und Jugendliche mit komplexen Problemen gefördert werden investiert der Verein aktuell in die Stärkung der Mitarbeitenden. Dabei geht es um mehr Wissen, dabei geht es auch um eine stärkere Unterstützung, zum Beispiel durch mehr Coaching. Auch die Digitalisierung der Kommunikation kommt gut voran.

Das Kinderdorf in Barntrup war 1966 eines der ersten in ganz NRW, das Dissener Kinderdorf kam einige Jahre später hinzu. Seither sind beide Einrichtungen für ein weites Umland wichtig, denn sie nehmen im Auftrag der Jugendämter Kleinstkinder, Schulkinder und auch Jugendliche auf, die aus unterschiedlichen Gründen nicht länger bei ihren Eltern bleiben können.

In Aufnahmegruppen, Kinderdorffamilien oder Wohngruppen helfen alters-gemischte familienähnliche Strukturen beim Eingewöhnen. Kinder, die aus prekären Familienverhältnissen kommen, lernen feste Tagesstrukturen und Regeln ebenso schätzen wie Erwachsene, auf die man sich verlassen kann. Andere Kinder, die oft ähnliches erlebt haben, werden bald neue Freundinnen oder Freunde und mit der Zeit fast so wichtig wie Geschwister.

Basis für den Start als Erwachsene

Schnell werden die Kinderdörfer zum neuen Zuhause, zu einer Basis, von der aus man später gestärkt in das Erwachsenenleben starten kann. Auch wenn die Zuständigkeit durch das Jugendamt oft mit 18 Jahren aufhört, die Unterstützung durch das Kinderdorf geht weiter: das WeKiDo hilft mit viel Herzblut und einem eigenen Fonds bei den ersten Schritten in ein selbstständiges Leben.

Von 1961 bis heute haben viele Hundert Kinder und Jugendliche die Kinderdörfer in Barntrup und Dissen als gute Startrampe in ein selbstbestimmtes Leben genutzt.Fotos:

Von 1961 bis heute haben viele Hundert Kinder und Jugendliche die Kinderdörfer in Barntrup und Dissen als gute Startrampe in ein selbstbestimmtes Leben genutzt.Fotos:Westfälisches Kinderdorf

Der Verein Westfälisches Kinderdorf ist eigenständig. Als überkonfessionelles Kinderdorfwerk ist der Verein ein staatlich anerkannter freier Träger der Jugendhilfe. Auch Mitglieder, Spender und Förderer helfen dem Verein, die entgeltfinanzierten Erziehungshilfen zukunftsfähig zu gestalten. „Wir freuen uns über Jede und Jeden, die uns auch morgen noch helfen, zeitgemäße Konzepte zu entwickeln und umzusetzen,“ sagt Paula Heising.

„Feiern können wir den Geburtstag unseres Vereins leider nicht wie gewohnt. Aber wir werden andere Wege finden, das Ereignis erlebbar zu machen“, verspricht Carmen Ramos. Die Pädagogische Leiterin führt das Westfälische Kinderdorf zusammen mit Paula Heising und entlastet damit den ehrenamtlichen Vorstand des Trägervereins, der sich auf eine beratende Funktion zurückzieht.

Insert: Der Verein Westfälisches Kinderdorf

Benachteiligten Kindern eine neue Familie, eine neue Heimat zu geben, war das Motiv interessierter Bürger, die sich vor 60 Jahren, am 12. April 1961, in Paderborn trafen. Ihre Vision war es, das erste Kinderdorf in Nordrhein-Westfalen zu eröffnen. Zwei Monate später wurde der Verein Westfälisches Kinderdorf ins Register eingetragen, knapp fünf Jahre später das erste Kinderdorf in Barntrup eröffnet. Heute betreibt der nach wie vor in Paderborn ansässige Verein rund ein Dutzend Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe im Städte-Dreieck Paderborn, Barntrup (Lippe) und Dissen (Niedersachsen). Darunter sind Kitas, ein offener Kinder- und Jugendtreff, zwei Kinderdörfer sowie eine ganze Reihe von betreuten Wohngruppen für junge Erwachsene. Der Verein beschäftigt aktuell rund 330 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bilanzierte zuletzt einen Jahresumsatz von 12 Mio. Euro.

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