Die Rente nach Corona

Höhere Beiträge, späterer Renteneintritt, weniger Rente: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Altersvorsorge
 
DIVA-Direktor Prof. Dr. Michael Heuser: „Rente nach Corona: Mehr zahlen, länger arbeiten, weniger rauskriegen.“ (Foto: FHDW)

DIVA-Direktor Prof. Dr. Michael Heuser: „Rente nach Corona: Mehr zahlen, länger arbeiten, weniger rauskriegen.“
(Foto: FHDW)

Paderborn. „Die gesetzliche Rente ist alles andere als sicher – nach Corona weniger denn je“, resümiert Prof. Dr. Michael Heuser, wissenschaftlicher Direktor des  Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA). In seinem aktuellen „DIVA-Briefing“ untersucht das Institut die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die gesetzliche Rentenversicherung und wertet dazu Gutachten und Stellungnahmen aus – von der Regierung und ihren Ministerien, von Sachverständigen bis zur EU-Kommission.

Die Analyse des Instituts der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) zeigt: So unberechenbar das Virus ist, so unberechenbar sind die wirtschaftlichen Konsequenzen. Seit Ende März werden Prognosen zum erwarteten Wachstum im Wochenrhythmus Makulatur. Waren die „Fünf Wirtschaftsweisen“ zu Anfang der Krise noch von einer recht moderaten Schrumpfung von 2,8 % für 2020 ausgegangen, erwarten Regierung und EU-Kommission inzwischen einen Einbruch von 6,5 % und Bankökonomen gar von 9 %. Noch unsicherer als die Prognosen für 2020 sind die längerfristigen Aussichten. Nach Ansicht des DIVA sind drei Szenarien vorstellbar: ein „Nachtfrost“-Szenario mit heftigem Einbruch und schneller Erholung, ein „Strenger Winter“-Szenario mit einer längeren Talsohle und ein „Eiszeit“-Szenario ohne rasche Erholung.
DIVA-Direktor Prof. Dr. Michael Heuser (Foto: FHDW)

DIVA-Direktor Prof. Dr. Michael Heuser
(Foto: FHDW)

Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen würden drastischer sein als die der Finanzkrise 2007/08. Staatliche Haushalte würden erodieren, öffentliche Kreditaufnahmen nach oben schnellen und staatliche Schuldenberge rasant anwachsen. Nach einer Zusammenstellung der Bundesregierung betrugen bereits bis Ende April Corona-bedingte staatliche Mehrausgaben und Mindereinnahmen mehr als 450 Mrd. Euro. Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen“ beim Bundesfinanzministerium berechnete Mitte Mai in seiner mittelfristigen Projektion bis 2024 Steuermindereinnahmen von mehr als 300 Mrd. Euro; das sei, so das DIVA, fast die Höhe eines Bundeshaushalts in normalen Jahren.

Die Folgen für die gesetzliche Rente sind gravierend. Schon ohne Corona bereitete die demografische Entwicklung den Rentenexperten erhebliche Kopfschmerzen: Wenn die große Zahl der Babyboomer in Rente geht, bedeutet das mehr Rentner; wenn die Menschen stetig älter werden, heißt das längere Rentenzahlungen; wenn weniger Kinder geboren werden, heißt das weniger Beitragszahler.
Corona-Pandemie und demografische Entwicklung werden, so das DIVA, in Zukunft eine unheilvolle Allianz gegen die gesetzliche Rentenversicherung eingehen. Bisher wurden Deckungslücken vor allem durch steigende Bundeszuschüsse aus Steuermitteln kompensiert; sie werden sich nach Regierungsberechnungen im Jahr 2023 auf 114 Mrd. Euro belaufen. Diese Patentlösung werde wegen der steigenden Corona-Lasten nicht mehr im benötigten Umfang verfügbar sein. Gleichzeitig würden die Deckungslücken wegen der Corona-bedingten Wachstumsdämpfer schneller und größer klaffen, als in den bisherigen Prognosen angenommen. Die nach DIVA-Ansicht unvermeidlichen Konsequenzen: höhere Beiträge, späterer Renteneintritt, weniger Rente und vermutlich alles drei gleichzeitig.
Rentenprojektionen sind naturgemäß sehr langfristig. Erste Berechnungen bis auf das Jahr 2070 hin zeigen, dass die ohnehin kritischen Ergebnisse durch die aktuelle Krise dramatisch werden. DIVA-Direktor Heuser: „Rentenprojektionen bis 2070 mögen nach allzu ferner Zukunft klingen, sollten uns aber schon heute scheren: Es ist der Renteneintritt der heute Studierenden.“ Sein Rat an die jungen Leute lautet, die private Altersvorsorge ernst zu nehmen. Mit dem Eintritt in das Berufsleben beginne der Aufbau von gesetzlichen Rentenansprüchen; nicht später sollte auch der Aufbau einer ergänzenden privaten Altersvorsorge beginnen.
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