Objekt im Fokus in den Monaten Juli & August

Objekt im Fokus: Segelmacherhandschuh, nach 1900

Objekt im Fokus in den Monaten Juli & August im Foyer Mindener Museums

Objekt im Fokus in den Monaten Juli & August im Foyer Mindener Museums

Minden. In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Das Objekt im Fokus im Juli und August ist ein Handschuh eines Segelmachers. Dieser kam im Frühjahr 2024 als Schenkung in die Sammlung des Mindener Museums. Über das Handwerk des Segelmachens ist heute nur noch wenig bekannt. Zum einen lösten seit den 1950er Jahren neue Techniken die alte Handwerkskunst ab. Zum anderen ist es bisher nur wenig erforscht. Daher ist dieses Werkzeug ein wichtiges Zeugnis dieses historischen Handwerks.

Der Segelmacherhandschuh besteht aus festem Leder. Es handelt sich hier um einen einfachen Lederriemen mit Daumenlasche. Ein klassischer Handschuh umfasst dagegen die gesamte Handfläche. Auf der innenliegenden Handfläche des Segelmacherhandschuhs findet sich stattdessen ein angeschrägter Aufbau aus runden Lederplättchen. Darauf befindet sich eine etwa 3 cm breite Metallplatte. Diese hat eine vertiefte kachelartige Oberfläche. Auf das Leder des Handriemens ist in großen Druckbuchstaben „Hamburg“ eingeprägt. Vermutlich handelt es sich dabei um den Herstellungsort.

Die Segelmacher verwendeten den Handschuh ähnlich wie einen Fingerhut. Beim Nähen des Segels setzten sie die Nadel in die vertiefte Oberfläche des Metallstücks ein. Dadurch konnten sie diese mit hohem Kraftaufwand durch den dicken Segelstoff drücken. Um sich beim Straffziehen des Garns nicht zu verletzen, führte der Segelmacher das harte Hanfgarn über die Daumenlasche zurück. Abriebspuren an dieser Stelle im Leder zeugen noch von diesem Vorgang.

Die Handschuhe wurden je nach Funktion in zwei Kategorien eingeteilt. Mit dem „Lapphandschuh“ vernähten die Segelmacher die einzelnen Stoffstücke zum Segeltuch. Die einzelnen Stücke nannten sie auch „Segelkleider“. Bei dem Objekt aus der Sammlung des Mindener Museums handelt es sich jedoch um einen sogenannten „Liekhandschuh“. Mit diesem wurden Taue am Rand des Segelstoffs, dem „Liek“, angebracht. Dieser Vorgang wird auch als „Einlieken“ bezeichnet. Über Taue wird der Segelstoff mit der Takelage, der Oberkonstruktion des Schiffes, verbunden. So kann das Segel später aufgespannt werden.

Beim Einnähen war höchste Präzision und Erfahrungswissen gefragt. Sie beeinflusste entscheidend die Qualität des Segels. Wurde das Segeltuch zu eng an die Taue genäht, so saß es beim Aufspannen zu straff. Dadurch verteilte sich der Wind nicht richtig.  Das Segel konnte durch die zu hohe Beanspruchung so beschädigt werden. War das Tau jedoch zu locker angebracht, blieb zu viel Stoff über. Das Segel verformte sich beim Aufspannen bauchig. Dadurch benötigte das Schiff deutlich mehr Wind, um fahren zu können. Das „Einlieken“ beeinflusste daher als Handwerkstechnik maßgeblich die aerodynamischen Eigenschaften und damit die Qualität des Segels.

Genäht wurde meist mit dem Kreuz- oder Konterstich. Dabei entsteht eine belastungsfähige doppelreihige Verstärkung der Naht. Die Segelmacher verwendeten traditionell Hanfgarn. Damit es einer starken Witterung standhalten konnte, wurde es zuvor mit Holzteer imprägniert. Etwa ab 1831 lösten Drahttauwerke das Hanfgarn ab.

Der Segelmacherhandschuh stammt sehr wahrscheinlich aus dem Besitz eines ehemaligen Heringsfängers. Es handelt sich um einen Zufallsfund im Elternhaus der Schenkerin. Sowohl ihr Großvater, Wilhelm Bleke (*1896), als auch dessen Schwager Heinrich Beneking (unbekannt) fuhren eine Zeit lang als Heringsfänger zur See. Dieser Beruf war im Nord-Osten des alten Amtes „Windheim zu Lahde“ in der heutigen Stadt Petershagen sehr verbreitet. Da sich im Elternhaus der Schenkerin noch andere Zeugnisse mit Bezug zum Heringsfang fanden, spricht vieles für die Herkunft aus der Familie. Für eine genauere Herkunftsgeschichte bedarf es jedoch weiterer Forschung.

Das Mindener Museum hat Di bis So jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Sonderöffnungszeiten für Gruppen auf Anfrage!

Aktuelle Informationen erhalten Sie auch unter www.mindenermuseum.de

Objekt im Fokus in den Monaten Mai & Juni

Objekt im Fokus Nietengürtel

In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Objekt im Fokus in den Monaten Mai & Juni

Objekt im Fokus in den Monaten Mai & Juni

Minden. In den Monaten Mai und Juni ist das Objekt im Fokus ein Nietengürtel. Die genaue Herkunft des Gürtels ist leider unbekannt. Das Mindener Museum bewahrt ihn in seiner umfangreichen Modesammlung auf. Bis zur Sanierung des Museums 2010 wurde dieser Gürtel in der alten Dauerausstellung als Teil eines Punk-Outfits aus den frühen 1980er Jahren gezeigt.

Der Gürtel ist aus schwarzem Leder gefertigt und über die gesamte Länge dreireihig mit silbernen Nieten besetzt. Eine einfache Dornschließe aus silbernem Blech dient als Verschluss. Das Leder ist weich und an zahlreichen Stellen faltig und aufgerieben. Der Zustand des Gürtels spricht für ein regelmäßiges Tragen.

Die Niete als Verbindungselement zwischen zwei Bauteilen hat eine jahrtausendealte Tradition. Sie lässt sich bereits seit der Bronzezeit nachweisen. Nieten als Gürtelbestandteile finden sich schon in der Zeit um Christi Geburt. Spitz ausgeformt sind Nieten im Mittelalter Teil von Jagdhund-Halsbändern. Levi Strauss verstärkt 1873 als erster seine Jeans-Arbeitshosen mit Nieten. Er patentiert das Verfahren.

Als Kleidungselement werden Nieten in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren vor allem in sogenannten Alternativkulturen beliebt. Zu den Protest- und Gegenbewegungen gegen die bürgerliche Wertegesellschaft gehören auch die „Punks“.

Diese Bewegung entwickelt sich in England in den späten 1970er Jahren. Die Punks gehören zumeist der ärmeren Gesellschaftsschicht an. Sie lehnen die Politik der Premierministerin Margaret Thatcher und der konservativen Elite ab. Sie wollen bewusst provozieren. Ihre Unangepasstheit ermöglicht es ihnen, ihre Frustration über die politischen und sozialen Probleme auszudrücken. Diese Haltung inspiriert auch ihren Kleidungsstil. Dazu gehören bunt gefärbte Haare mit aufwändig zurechtgemachten Frisuren und gewagten Schnitten, wie z.B. der sogenannte Irokesenschnitt. Punks tragen unübliche, oftmals selbst hergestellte oder sogar aus dem Müll gesammelte Kleidung und Accessoires. Diese werden mit provozierenden Sprüchen und Symbolen versehen, mit Nieten besetzt, bewusst zerrissen oder mit auffälligen Farben bemalt. Als Schmuck tragen sie Sicherheitsnadeln oder Halsbänder mit Stachelnieten.

Nietenbesetzte Kleidung beschränkt sich nicht nur auf den Punk-Stil. Auch in verwandten Stilrichtungen des Punks, beispielsweise im Gothic-Stil der 1980er und frühen 2000er Jahre, im Grunge der 1990er Jahre bis hin zum Heavy Metal der heutigen Zeit finden sich Nieten-Accessoires.

Der Nietengürtel ist Teil der kommenden Sonderausstellung „Mut zur Farbe – Mode aus Minden und Umgebung“, die ab dem 06. Juli im Mindener Museum zu sehen ist. In sieben „Farbklecksen“ zeigt die Ausstellung modische Vielfalt aus der Region.

Das Mindener Museum hat Di bis So jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Sonderöffnungszeiten für Gruppen auf Anfrage!

Aktuelle Informationen erhalten Sie auch unter www.mindenermuseum.de

Objekt im Fokus in den Monaten Januar & Februar

Objekt im Fokus in den Monaten Januar & Februar 2024 im Foyer des Mindener Museums - Foto: © Mindener Museum

Objekt im Fokus in den Monaten Januar & Februar 2024 im Foyer des Mindener Museums – Foto: © Mindener Museum

Minden. Wie bereits mit den Kabinettausstellungen begonnen, möchte das Museumsteam die Vielfalt, die Geschichte und den Dokumentationsstand seiner Sammlung vorstellen. Im Rahmen des Projekts „Objekt im Fokus“ soll daher alle zwei Monate ein Objekt der Sammlung frei zugänglich im Foyer des Museums ausgestellt und seine Geschichte erzählt werden.

Das Objekt im Fokus in den Monaten Januar und Februar 2024 ist ein Konvolut von drei Anker-Steinbaukästen. Der Grundkasten „Anker-Steinbaukasten Nr. 6“ ist laut handschriftlicher Widmung ein Geschenk zu „Weihnachten im Jahr 1899“. Der Ergänzungskasten „Anker-Steinbaukasten Nr. 10A“ muss um 1900 erworben worden sein. Der „Anker-Brückenkasten Nr. 7A“ kann durch eine handschriftliche Notiz im Kasten auf das Jahr „1906“ datiert werden. Das Spielzeug wurde dem Museum vor gut 30 Jahren von einer Mindener Bürgerin übergeben.

Das Mindener Museum hat Di bis So jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Sonderöffnungszeiten für Gruppen auf Anfrage!

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Objekt im Fokus: Mindener Nachtwächterplakette, 1820-1870

In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Minden. Das Objekt im Fokus im September und Oktober ist eine Ansteckplakette eines Mindener Nachtwächters. In der Sammlung des Mindener Museums sind weitere Plaketten unterschiedlicher Epochen vorhanden. Die hier vorgestellte Nachtwächterplakette ergänzt die Sammlung als ein wichtiges Zeugnis der Mindener Stadt- und Verwaltungsgeschichte zur Festungszeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Nachtwächterplakette aus der Sammlung des Mindener Museums

Nachtwächterplakette aus der Sammlung des Mindener Museums.
© Mindener Museum

Hergestellt ist die Nachtwächterplakette aus Gussmessing. Die Legierung aus Kupfer und Zink setzte sich ab dem 17. Jahrhundert durch. Aufgrund der eher goldrötlichen Färbung der Plakette kann vermutet werden, dass die Legierung einen hohen Kupferanteil aufweist. Je höher der Kupferanteil, umso weicher das Material. Dadurch ist es besonders für feine Gravurarbeiten, wie sie auf der Vorderseite der Plakette zu erkennen sind, geeignet. Die Gravur „Nachtwächter zu Minden“ ist in filigraner Schreibschrift in das Material eingearbeitet. Die Buchstaben wurden kalligrafisch mit feinen Linien dreidimensional gestaltet. Ebenso weist die Darstellung der gekreuzten Petrus-Schlüssel in der Mitte der Plakette einen hohen Detailgrad auf. Auf der Rückseite der Plakette wurde eine grobe Anstecknadel mit einer Öse angelötet. Mit dieser konnte der Nachtwächter die Plakette für seinen Rundgang an seiner Kleidung anbringen. Sie war die Legitimationsmarke des Nachtwächters und befugte ihn zur Ausübung seiner Pflichten.

Sowohl das Schriftbild als auch die Art der Gravur lassen auf eine Datierung der Plakette in einen Zeitraum zwischen 1820 und 1870 schließen. Zu dieser Zeit gewannen die Nachtwächter in Minden eine besondere Relevanz. Im Zuge der Napoleonischen Kriege wurde Minden seit 1813 neu befestigt. Der Festungsbau zog teils mehrere tausend Arbeiter in die Stadt. Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse im Vormärz waren trotzdem schwierig. Es kam zu Hungerkrisen, Pandemien und politischen Unruhen. Deswegen fürchtete der Mindener Bürgermeister Martin Friedrich Kleine (1826–1850) um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Stadt. Um diese aufrecht zu erhalten, verschärfte er die Nachtwächterordnungen und baute den Nachtwächterdienst aus.

Die Nachtwächter, meist ausgestattet mit einem Warnhorn, auch Signalhorn genannt, einem Schutzhelm und einer Laterne begannen ihren Dienst in den Wintermonaten um 10 Uhr abends. In den Sommermonaten startete ihre Schicht eine Stunde später. Eine der wichtigsten Aufgaben der Nachtwächter war der Brandschutz. In Minden gab es diverse Maßnahmen, um dieser Bedrohung vorzubeugen. Das Mindener Bürgerbataillon ließ beispielsweise die Stadtoffiziere tagsüber die Feuerstellen der Mindener*innen auf ihre Sicherheit kontrollieren. Dabei wurden sie von den Nachtwächtern begleitet. Auch nachts galt als oberstes Gebot, Brände zu verhüten oder frühzeitig zu entdecken. Entdeckten die Nachtwächter Anzeichen für ein Feuer, mussten sie die Bevölkerung mittels ihres Signalhorns warnen. Deswegen ist eine weitere Plakette aus der Sammlung im Ausstellungsbereich des Museums zum Thema Brandschutz zu sehen.

Weitere Aufgaben waren die Eindämmung von Lärm, Diebstählen oder Einbrüchen. Außerdem verkündeten Nachtwächter das Schließen oder Öffnen der Festungstore. In Minden gab es zur Zeit der Befestigung fünf Stadttore: das Hausberger Tor an der Südfront, das Königstor im Westen, das Marientor im Norden, das Tor zur Fischerstadt und das Wesertor. Alle Tore wurden um 10 Uhr abends geschlossen. Sobald die Nachtwächter das Verschließen der Tore verkündet hatten, konnte niemand die Stadt verlassen oder betreten. Ab dem 9. Mai 1851 blieben das Wesertor und das Hausberger Tor auch nachts passierbar. Alle nächtlichen Beschränkungen zur Torpassage wurden erst weitere 14 Jahre später, zum 31. Januar 1865, aufgehoben und die Nachtwächter von dieser Aufgabe entbunden.

 

Objekt im Fokus „Zwei Holzvögel“

Zwei Holzvögel aus dem Kriegsgefangenenlager Minden, Sammlung Mindener Museum (Foto: © Mindener Museum)

Zwei Holzvögel aus dem Kriegsgefangenenlager Minden, Sammlung Mindener Museum (Foto: © Mindener Museum)

In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Minden. Das Objekt im Fokus in den Monaten November und Dezember besteht aus zwei selbstgebauten Holzvögeln. Die beiden Objekte stammen aus dem Kriegsgefangenenlager Minden, das während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) auf der Minderheide bestand. Sie wurden wahrscheinlich von „russischen“ Kriegsgefangenen gebaut.

Minden wurde zu Beginn des Weltkriegs einer von 95 Standorten eines Kriegsgefangenenlagers für Mannschaften im Deutschen Reich. Die ersten Gefangenen trafen hier Mitte September 1914 ein. Sie stammten aus Frankreich, Belgien und England. Die Internierten wurden in ein provisorisches Lager auf dem vorher als Truppenübungs-, Parade- und Flugplatz genutzten Militärgelände auf der Minderheide verbracht. Diese Phase der improvisierten Internierung dauerte bis ins Frühjahr 1915. Erst danach hatte man eine Infrastruktur geschaffen, die die elementarsten Bedürfnisse der Gefangenen abdeckte. Bis dahin war es vor allem wegen fehlender sanitärer und medizinischer Einrichtungen zu teilweise erheblichen Verletzungen der völkerrechtlichen Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung gekommen. Die Einhaltung des internationalen Völkerrechts wurde dabei durch einen trägen Aufbau von Organisation und Infrastruktur sowie Kompetenzgerangel zwischen den verschiedenen militärischen und zivilen Behörden behindert. Kriegsbedingter Personal- und Materialmangel verschärften das Missverhältnis zwischen Rechtsnorm und Realität.

Im Oktober 1918 gehörten 25.000 Internierte zum Lager, darunter etwa 7.500 Angehörige der ehemaligen Zarenarmee. Tatsächlich verdeckt die Zuschreibung als „russische“ Kriegsgefangene ihre tatsächliche Herkunft und Ethnie. Von den 1,5 Mio. „russischen“ Kriegsgefangenen im Reich waren 150.000 Ukrainer, 50.000 muslimische Tataren, 25.000 Polen, 16.000 Deutschrussen, 10.000 Balten (Esten, Letten, Litauer) und 3.000 Georgier. Weitere 30.000 jüdische Gefangene der Zarenarmee wurden in Listen gesondert erfasst. Nach dem Frieden von Brest-Litovsk Anfang 1918 besaßen alle Internierten aus dem früheren russischen Reich rechtlich zwar noch den Status als Kriegsgefangene. Sie konnten aber auf Antrag und nach Prüfung ihrer Zuverlässigkeit durch die Lagerverwaltung bis auf Widerruf zur „freien Arbeit“ beurlaubt werden. Seit Januar 1915 sorgte der Mangel an Arbeitskräften dafür, dass die kriegsgefangenen Mannschaften in Landwirtschaft, Bergbau und Industrie eingesetzt wurden. Offiziere waren aufgrund der Haager Landkriegsordnung davon befreit. Die Kriegsgefangenen wurden zu unentbehrlichen Arbeitskräften, ohne die die Kriegswirtschaft des Deutschen Reiches nicht bis 1918 durchgehalten hätte. Die Internierten des Lagers Minden arbeiteten im Mai 1918 in 139 Außen- und Zweiglagern auf rund 500 Arbeitskommandos über ganz Westfalen verteilt, mit einem regionalen Schwerpunkt in den Kreisen Minden und Lübbecke.

Nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 wurden alle im Lager Minden befindlichen Belgier, Franzosen, Engländer und Italiener bis Anfang 1919 in Sonderzügen zu je 1.000 Mann in ihre Heimat zurückgebracht. Der Übergang vom Krieg zum Frieden, von der Gefangenschaft in die Freiheit, endete dagegen für die meisten Gefangenen des früheren Zarenreiches noch nicht. Einige wurden an der Jahreswende 1918/19 überstürzt in ihre Heimat abtransportiert, andere mussten noch jahrelang auf ihre Rückkehr warten. Manche wollten angesichts des revolutionären Bürgerkrieges in Russland lieber hierbleiben. In den krisenhaften Nachkriegsjahren wurde aus dem Gefangen- ein Interniertenlager, in dem sich 1921 noch rund 3.000 inzwischen zivile Gefangene befanden. Ende des Jahres verließen die letzten Internierten das Lager. Anfang Januar 1922 wurde es aufgelöst und das verbliebene Inventar versteigert. Einige Gegenstände gelangten zu diesem Zeitpunkt in die Sammlung des Mindener Museums. Als das Museum 1922 wiedereröffnet wurde, präsentierte man im Dachgeschoss in zwei Räumen Objekte, um „Erinnerungen an das Kriegsgefangenenlager Minderheide zu wecken.“ Der Umfang der damaligen Sammlung ist nicht gesichert, weil eine systematische Erfassung unterblieb. Bei der ersten wissenschaftlichen Dokumentation des Bestandes ließen sich Mitte der 1980er Jahre immerhin noch 168 Objekte sowie Archivalien nachweisen, außerdem etwa zweihundert Fotografien, Skizzen, Karikaturen und Aquarelle.

In der Sammlung befinden sich heute etwa 50 künstlerische Objekte, darunter mehrere der dekorativen Holzvögel. Die Holzschnitzereien ähneln stark den russischen Glücksvögeln oder der „Pomor Taube“. Pomor ist eine Region am Weißen Meer im Norden Russlands. Der Glücksvogel stammt aus der Mythologie der Volksgruppe der Pomoren. Es ist daher wahrscheinlich, dass die geschnitzten Holzvögel von Kriegsgefangenen aus dieser russischen Region und von dieser Ethnie gefertigt worden sind.

Der Vogelkorpus ist massiv gearbeitet und besteht aus zwei Holzstücken, die in einem 90°-Winkel zusammengesteckt sind. Die Federn sind ebenfalls aus einem massiven Stück Holz gearbeitet. Nachdem die Form der Federn herausgeschnitzt ist, werden die einzelnen Federn aus dem Stück brettchenartig gespalten. Diese Brettchen werden dann wie Federn aufgefächert. Traditionell besteht der Vogel aus Zedernholz und wird im Flug dargestellt. Nur in wenigen Fällen wird der Vogel verziert.

Die Gefangenen hatten in der Woche kaum Freizeit, nur der Sonntag war weitgehend frei von Diensten. Jede Gelegenheit wurde genutzt, um Abwechslung in den monotonen Lageralltag zu bringen: Briefe schreiben, basteln, schnitzen, malen, spielen, musizieren oder Sport treiben. Vielfältigste Formen der Freizeitbeschäftigung sind für das Lager Minden belegt. Die teilweise sehr großen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Unterschiede zwischen den Gefangenen werden im Bereich der Freizeitgestaltung offensichtlich. Die französischen Gefangenen spielten Theater oder malten, die englischen boxten oder spielten Fußball, während die „russischen“ ihre geschnitzten Bilderrahmen, Ziervögel oder Ikonen gegen Brot oder Lebensmittel einzutauschen versuchten. Bedingt durch den Bürgerkrieg in Russland und durch weitere Faktoren war ihre Versorgungslage oft wesentlich schlechter als die der westlichen Gefangenen. Möglicherweise entstanden aus diesem Grund auch die beiden dekorativen Holzvögel.

Das Mindener Museum hat von Di bis So jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet.

Bitte beachten Sie, dass Sie das Museum zurzeit nur mit einer FFP2-Maske oder einem medizinischen Mund-Nasen-Schutz betreten dürfen!

Eine Terminbuchung ist nicht erforderlich. Aktuelle Informationen erhalten Sie auch unter www.mindenermuseum.de

Vielen Dank für Ihr Verständnis!

 

Objekt im Fokus „Pferde-Moorholzschuh, um 1850“

In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt.

Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Pferde-Moorholzschuh aus dem Mindener Museum. © Mindener Museum

Pferde-Moorholzschuh aus dem Mindener Museum. © Mindener Museum

Das Objekt im Fokus in den Monaten September und Oktober ist ein hölzerner Pferdeschuh. Er wurde im Moor oder bei anderen weichen Böden eingesetzt. Der aus einem Stück geschnitzte Schuh gehört zu einer Spezialsammlung des Mindener Museums. In den 1960er Jahren erhielt das Museum zwei Nachlässe von August Stürenberg und von Fritz Sierig. Beide betrieben Hufbeschlag–Lehrschmieden in Minden.

Hufbeschlag-Lehranstalten sind ursprünglich bei tierärztlichen Hochschulen angesiedelt. Ab 1836 findet man sie auch im Umkreis des Militärs. 1883 wird durch die Reichsgewerbeordnung ein Befähigungsnachweis für den Hufbeschlag notwendig. 1893 gibt es daher in Preußen 30 entsprechende Schulen. Zwischen 1948 und 1957 werden nur noch 5 in ganz Deutschland gezählt – eine davon in Minden.

1898 wird August Stürenberg Leiter der Militär-Hufbeschlagschmiede in Minden. Ab 1905 befindet sie sich in seinem Besitz. Er betreibt sie bis in das Jahr 1941. 36 Jahre ist August Stürenberg Vorsitzender der Hufbeschlaglehrmeister in Deutschland.

Fritz Sierig erlernt in Minden das Schmiedehandwerk. In Berlin-Charlottenburg wird er dann Hufbeschlaglehrmeister. Ab 1923 macht er sich mit einer Werkstatt für Bauschlosserei, Schmiede, Hufbeschlag und Fahrzeugbau in Minden selbstständig. Er bildet in Zusammenarbeit mit dem Kreis auch Hufschmiede aus – ein Lehrgang dauerte damals drei Monate. Der theoretische Unterricht wird vom Kreisveterinärarzt übernommen.

Pferde sind vor dem Automobil ein wichtiges Transportmittel. Gerade in schwierigem Gelände sind sie eine große Hilfe. Die Pflege der Hufe ist elementar, um ihre Belastbarkeit zu erhalten. Es gibt daher neben Spezialbeschlägen für medizinische Probleme auch Hufeisen, um die Abnutzung des Horns zu verringern. Für einen temporären Schutz der Hufe und medizinische Sonderfälle, die einen feste Befestigung mittels Nägeln im Huf nicht zulassen, werden Hufschuhe verwendet.

Die Moorschuhe für Pferde sollen zum einen die Auftrittsfläche des Hufes vergrößern. Damit soll das Einsinken im weichen Untergrund verhindert oder zumindest erschwert werden. Zum anderen wird die Feuchtigkeit verringert, die den Pferdehuf aus Horn quellen lässt. Ein schnelles Trocknen kann zu Rissen führen und den Huf nachhaltig schädigen. Festgeschnallt werden die Moorschuhe mithilfe eines Lederbandes.

Der Abbau von Torf in der Region ist seit dem 17. Jh. belegt. Er ist zeitweise eine ergiebige Erwerbsquelle für die Menschen. Neben dem Eigenbedarf und dem Verkauf nach Minden, wird Torf auch in Richtung des heutigen Bad Oeynhausen und Bielefeld exportiert.

Der Torf wird per Hand mit einem speziellen Spaten gestochen. Danach legt man ihn in Ringen zum Trocknen aus. Um die nassen, schweren Torfstücke zum Trocknen zu transportieren, verwendet man zunächst Schubkarren. Bald geht man dazu über, die Torfstücke auf ein Brett zu legen, das von einem Pferd gezogen werden kann. Dies erspart Kraft.

Nicht nur die Pferde, sondern auch die Arbeiterinnen und Arbeiter tragen im Moor Holzschuhe. Die breite Trittfläche verringert ebenfalls das Risiko des Einsinkens und des Eindringens von Feuchtigkeit.

Das Pferd wird seit Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jh., auch im Moor nach und nach von Traktoren bzw. speziellen Maschinen für das Torfstechen ersetzt. 1957 schließt die letzte Mindener Hufbeschlag-Lehranstalt.

Weitere Informationen finden Sie hier.

Objekt im Fokus

„Spielzeugfuhrwagen, Heinrich Bredemeier, Minden i. W.“

Minden. In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Objekt im Fokus Januar Februar 2019-2Das Objekt im Fokus in den Monaten Januar und Februar ist ein Spielzeugfuhrwagen aus Holz. Das Besondere an diesem schlichten Bretterwagen im Miniaturformat sind die Aufschriften „HB Papenmarkt N. II“ und „Heinrich Bredemeier, Minden i. W.“ – sie geben uns die Möglichkeit, mehr über die Geschichte des Objektes und seiner ehemaligen Besitzer herauszufinden.

Das Haus Papenmarkt 2 in Minden ist wahrscheinlich vielen Mindenern bekannt – es handelt sich um das sogenannte „Hansehaus“. Es wurde 1547 für den damaligen Bürgermeister Roleff Vogt errichtet. Das Haus gehörte ab 1818 bis in die 1960er Jahre einer Familie Bredemeyer bzw. Bredemeier. 1958 setzten sich das Mindener Museum, der Landesrestaurator und eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Gebäudes ein. Im Zuge der Wiederherstellung errichtete man den renovierungsbedürftigen Giebel in Form eines mittelalterlichen Hansehauses neu und prägte so seinen heutigen Namen.

Recherchen im Kommunalarchiv ergaben, dass seit 1832 ein Fuhrmann Bredemeyer am Papenmarkt 2 nachweisbar ist. Ältere Baupläne zeigen, dass das Haus jedoch bereits seit 1818 Stallungen besaß. Ab 1850 wurde das Haus vermietet. Der Fuhrmann Bredemeyer nutzte den Stall für 4 Pferde aber weiterhin selbst. Seit den 1890er Jahren und mindestens bis 1908 ist Heinrich Bredemeyer Besitzer des Hauses. In den ​Überlieferungen aus dieser Zeit wird er als Ackerbürger und Landwirt bezeichnet.

Ackerbürger Heinrich Bredemeyer lässt 1892 an der Königstr. 78 eine Scheune errichten. Wie lange er dort wirtschaftete, ist nicht bekannt. Im Nebenhaus, Königstraße 76, hatte sein Bruder August 1877 ein Wohnhaus mit angeschlossener Schmiede und Stellmacherei errichten lassen. Die Schmiede wurde mindestens bis 1892 betrieben und spätestens 1919 aufgegeben. Noch 1963 gehört das Haus einem Landwirt Bredemeyer. Es existiert auch ein zum Wagen gehörendes, vermutlich nicht selbst angefertigtes Holzpferd auf Rädern. 1 Dieses gab vielleicht den Anstoß dazu, einen passenden Fuhrwagen in Heimarbeit zu bauen. Es könnte gut möglich sein, dass dieser in der Schmiede und Stellmacherei des August Bredemeyer angefertigt wurde. Darauf deutet auch die Aufschrift „Mattonis Gießhübler Sauerbrunnen“ hin. Die tschechische Mineralwassermarke existierte seit 1864 und gehörte 1880 zu den bekanntesten in Europa. Der europaweite Vertrieb brach erst mit dem Ersten Weltkrieg ein.

Auch wenn man heute nicht mehr sagen kann, wer genau mit dem Fuhrwagen gespielt hat, so transportiert er doch komplexe Informationen zur Geschichte der Familie Bredemeier: Erinnerungen an das Stammhaus der Familie am Papenmarkt und an den Beruf eines Vorfahren, der Fuhrmann war; an Heinrich Bredemeyer, der dort noch wohnte und wirtschaftete; und an August Bredemeyer, der als Stellmacher und Schmied arbeitete.

Foto: © Mindener Museum

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Objekt im Fokus in den Monaten März und April

Objekt-im-Fokus-Mrz-&-AprilMinden. Wie bereits mit den Kabinettausstellungen begonnen, möchte das Museumsteam die Vielfalt, die Geschichte und den Dokumentationsstand seiner Sammlung vorstellen. Im Rahmen des Projekts „Objekt im Fokus“ soll daher alle zwei Monate ein Objekt der Sammlung frei zugänglich im Foyer des Museums ausgestellt und seine Geschichte erzählt werden.

Das Objekt im Fokus im März und April ist ein Erinnerungsstück an den Stapellauf des „Norddeutschen Llyod“-Dampfers „Minden“ aus dem Jahr 1921.

Mindener Museum, Di.-So. 12-18 Uhr; Sonderöffnungszeiten für Gruppen.

Weitere Infos unter www.mindenermuseum.de oder 0571 / 9724020 oder museum@minden.de.

Foto: © Mindener Museum

Mindener Museum: Objekte im Fokus im Januar & Februar

Objekt im Fokus: „Gefäße und Scherben aus den Brandschüttungs- und Brandgrubengräbern in Minden-Hahlen“

Minden. In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein „Objekt im Fokus“ im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.

Das Objekt im Fokus in den Monaten Januar und Februar ist ein Konvolut von Gefäßen und Scherben aus den Brandschüttungs- und Brandgrubengräbern in Minden-Hahlen. Der Lehrer und langjährige Mitarbeiter bzw. spätere Museumsleiter Otto Kurt Laag (1954 – 1964) untersuchte und dokumentierte diesen Fund 1950.

ObjektAnstoß für die Auswahl des Objektkonvoluts ist die am 27.01.2018 im Mindener Museum startende Ausstellung „Ich Mann. Du Frau. – Feste Rollen seit Urzeiten?“. Die Ausstellung beleuchtet die Behauptung, dass die heutigen Rollenklischees von Mann und Frau seit der Steinzeit auf eine angebliche Arbeitsteilung zurückzuführen sind: der Mann als Jäger – gemeint Ernährer – und die Frau als Sammlerin – gemeint Hausfrau und Mutter. Die Wissenschaft – explizit die Archäologie – kann für die Zeit ohne schriftliche Quellen aber nur Rückschlüsse aus materiellen Spuren ziehen. Nur bei Objekten aus Bestattungen besteht ein Zusammenhang zwischen Person und Grabbeigabe, der dazu Aufschluss geben kann. Bei archäologischen Funden aus Siedlungszusammenhängen bleibt offen, ob Beile tatsächlich nur von Männern oder Webgewichte nur von Frauen benutzt wurden.

Das Geschlecht Verstorbener lässt sich durch anthropologische Untersuchungen an gut erhaltenen Knochen bestimmen. Anthropologen erkennen zudem Veränderungen am Skelett, die durch oft wiederholte Bewegungen entstehen und so unter Umständen Rückschlüsse auf bestimmte Tätigkeiten zulassen. Die Ausstellung „Ich Mann. Du Frau. – Feste Rollen seit Urzeiten?“ zeigt anhand von Untersuchungsergebnissen, die den gängigen Klischees wiedersprechen, dass die Urgeschichte nicht als Argumentationsgrundlage für ein noch heute wirksames, starres Rollenbild von Mann und Frau dienen kann.

Unter den Funden aus Hahlen befanden sich Grabbeigaben, die schon kurz nach der Ausgrabung im Jahr 1938 verloren gingen und nur noch als Zeichnungen dokumentiert sind. Es handelt sich um Fragmente eines dreieckigen, aufwendig verzierten Kammes und Bronzeschmucks, die man klassischerweise einer Frau zuordnen würde. Ob diese These aber wirklich haltbar ist, lässt nicht mehr überprüfen. Die menschlichen Überreste der Feuerbestattungen wurden nach der Bergung im Jahr 1938 nicht aufbewahrt.

Anhand der Form der Bestattung in Gruben und in Gefäßen werden die Funde als Ausschnitt aus einem Friedhof des 2.-4. Jh. n. Chr. gedeutet. Auffällig ist ein Brandschüttungsgefäß, bei dem es sich um ein provinzialrömisches Gefäß aus der Zeit des 4. Jh. n. Chr. handelt. Importe von Keramiken aus dem römischen Rheinland kommen in den grenznahen Gebieten Germaniens häufig vor.

Foto: Provinzialrömisches Gefäß aus der Zeit des 4. Jh. n. Chr., Fundort: Minden-Hahlen. ©Mindener Museum