NRW-Tourismus steuert auf zehntes Rekordjahr zu

Gewerkschaft NGG kritisiert Tarifflucht in Hotels und Gaststätten

NRW. Übernachtungs-Boom zwischen Rhein und Weser: Der Tourismus in Nordrhein-Westfalen steuert auf das zehnte Rekordjahr in Folge zu. Davon geht die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit Blick auf heute bekannt gewordene Zahlen des Statistischen Landesamts aus. Danach verzeichneten die nordrhein-westfälischen Hotels und Pensionen im ersten Halbjahr 11,6 Millionen Gästeankünfte. Das ist ein Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Zahl der Übernachtungen stieg auf 25,3 Millionen. Für die NGG hat der Boom aber auch Schattenseiten.

„Die guten Zahlen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Beschäftigte im Gastgewerbe zu Niedriglöhnen arbeiten. Ein Teil der Bilanz ist auch über Lohn-Drückerei erkauft“, sagt der NRW-Landeschef der Gewerkschaft, Mohamed Boudih. So habe der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) verhindert, dass der aktuelle Tarifvertrag  für alle Betriebe der Branche in NRW gelte.  Eine sogenannte Allgemeinverbindlichkeitserklärung hatte der Dehoga-Landesverband nach dem letzten Tarifabschluss – anders als in den Vorjahren – abgelehnt. „Ein gelernter Koch, der in einem nicht tarifgebundenen Betrieb arbeitet, kann jetzt mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde abgespeist werden – statt den Tariflohn von knapp 12,50 Euro zu bekommen“, kritisiert Boudih.

Das dürfte nach Einschätzung des Gewerkschafters die ohnehin großen Image- und Nachwuchsprobleme in der Branche weiter verschärfen. Lange Arbeitszeiten und Schichten an Wochenenden oder Feiertagen sorgten schon heute dafür, dass viele Hoteliers und Gastronomen offene Stellen kaum noch besetzen könnten. Hinzu komme der hohe Anteil an Teilzeitkräften und Aushilfen. „Aber mit Minijobbern allein stemmt man keinen Boom. Die Arbeitgeber tun jetzt gut daran, auf fair bezahlte Fachleute zu setzen“, so Boudih. Andernfalls könnte der Personalmangel zu einer ernsten Gefahr für die Tourismusbranche werden.

Die Gewerkschaft NGG ruft den Dehoga NRW deshalb dazu auf, sich zu einer stärkeren Tarifbindung zu bekennen. „Am Ende nützen Tarifverträge dem Hotel- und Gaststättengewerbe selbst. Denn sie schaffen klare Spielregeln und verhindern einen Dumping-Wettbewerb um die billigsten Übernachtungen und niedrigsten Löhne“, so Boudih weiter.  Es bleibe viel zu tun: Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung halten sich aktuell drei Viertel aller Hotels, Pensionen und Gaststätten in Westdeutschland nicht mehr an einen Tarifvertrag.