Schutz von Kindern ist eine bedeutsame Aufgabe der Jugendämter

Westfalen . Die Zahl der Kindeswohlgefährdungen ist im vergangen Jahr um zehn Prozent gestiegen. Die neuesten Zahlen zu Gefährdungseinschätzungen von Jugendämtern hat das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag (27.8.) veröffentlicht. Das Landesjugendamt Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sieht als einen Hintergrund des Anstiegs das zunehmend sensiblere soziale Umfeld.

LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers. Foto: LWL/Steffen

LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers. Foto: LWL/Steffen

Die aktuelle Statistik zeigt auf, dass die Gefährdungseinschätzungen, die in den Jugendämtern eingehen, von Jahr zu Jahr steigen – allein in NRW zwischen 2018 und 2019 um 14 Prozent. „Kinderschutz ist keineswegs eine Aufgabe, die von den Fachkräften ’nebenbei‘ erledigt werden kann“, betont LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers. Wie die Statistik belege, reagiere das soziale Umfeld zunehmend sensibler auf bedenkliche Lebensumstände von Kindern und Jugendlichen. Zu ihrem Schutz sei das Jugendamt die zentrale Anlaufstelle.

„Starke Jugendämter sind nötig“
„Als Landesjugendamt entwickeln wir aktuell gemeinsam mit der Praxis Qualitätsgrundsätze, an denen gute fachliche Arbeit im Kinderschutz erkennbar ist, speziell auch bei sexuellem Missbrauch oder Partnerschaftsgewalt“, so Westers. „Die Jugendämter stehen da in einer Verantwortungsgemeinschaft mit der Bevölkerung, denn Kinderschutz geht uns alle an und ist ohne starke Jugendämter nicht möglich“, fasst die Jugenddezernentin das Verständnis und die Aufgabe der Kinderschutzarbeit zusammen.

Was machen eigentlich die Jugendämter, um Kinder vor Vernachlässigung, Gewalt und sexuellem Missbrauch zu schützen? Seit 2012 erhellt die Kinder- und Jugendhilfestatistik diesen Arbeitsbereich: In über 173.000 Verdachtsfällen haben bundesweit Fachkräfte der Jugendämter Kinder und Jugendliche im vergangenen Jahr aufgesucht, um sich ein Bild von ihrer Situation zu machen. Knapp 29 Prozent davon entfallen auf die 186 Jugendämter in NRW.

Anlass dafür sind Mitteilungen über mögliche gefährdende Situationen, die die Mitarbeiter von den Hilfeanbietern, aus dem privaten Umfeld, von Kindertagesstätten oder Schulen, aus dem Gesundheitswesen oder von der Polizei erhalten.
„In jedem dieser Fälle haben die Mitarbeiterinnen die eingehenden Hinweise gemeinsam mit ihren Fachkollegen gesichtet und bewertet, haben Kontakt zu der Familie aufgenommen und sich im persönlichen Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen vergewissert, wie es ihnen geht“, erklärt Westers.

14.000 in NRW gefährdet
In rund einem Drittel der Fälle (bundesweit: 33 Prozent NRW: 38 Prozent) bestätigen sich die Befürchtungen nicht. Bei etwa 55.000 Kindern und Jugendlichen (NRW: knapp 14.000) haben die Fachkräfte aber eine Gefährdung festgestellt oder konnten sie nicht sicher ausschließen. Bei etwa der Hälfte davon zeigte sich akuter Handlungsbedarf.

Und in einem weiteren Drittel der Fälle sind die Mädchen und Jungen zwar nicht akut gefährdet, aber es gibt einen Hilfe- und Unterstützungsbedarf. Sehr häufig schließen sich daher weitere Besuche an, bei denen die Fachkräfte Schutzmaßnahmen für die Kinder prüfen und gemeinsam mit den Sorgeberechtigten über mögliche Hilfen nachdenken. In 75 Prozent der Gefährdungseinschätzungen konnten die Fachkräfte anschließende Hilfen vermitteln. Meistens geht es darum, eine (drohende) Vernachlässigung der Kinder abzuwenden.
In fünf Prozent der Gefährdungseinschätzungen spielen Hinweise auf sexuellen Missbrauch eine Rolle. Wenn Mädchen und Jungen sexuell missbraucht werden, ist das oft nur schwer festzustellen. Das Erlebte zu offenbaren setzt Vertrauen voraus. Einige Kinder und Jugendliche suchen Auswege, indem sie von zuhause weglaufen und selber Hilfe suchen. Aber selbst dann dauert es oft lange, bevor sie ihre Erlebnisse jemandem anvertrauen.

Im Durchschnitt ein Hinweis pro Tag in jedem Jugendamt
Bei etwa 600 Jugendämtern bundesweit bedeuten 173.000 Gefährdungseinschätzungen jährlich, dass durchschnittlich in jedem Jugendamt einmal pro Tag entsprechende Hinweise überprüft werden: „Jedes Mal bedeutet es, das Vorgehen des Jugendamtes Müttern und Vätern, Kinder und Jugendlichen zu erläutern, Kontakt und Vertrauen aufzubauen, schwierige Abwägungsprozesse zwischen möglicher Hilfe und notwendigem Eingriff zum Schutz von Kindern zu durchlaufen“, erklärt Westers. Die Kinderschutzarbeit mache in den Jugendämtern einen großen Arbeitsschwerpunkt aus – einerseits in quantitativer Hinsicht, wie die Fallzahlen zeigten, andererseits qualitativ: „Auch in der Zeit der Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie haben die Jugendämter den Kinderschutz durchgängig aufrechterhalten. Die Wahrnehmung des Schutzauftrags ist ihr unveräußerliches Kerngeschäft“, so Westers.

 

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